Offenbarung 21,4 Nichts bleibt wie es war → „Er wird ihnen alle Tränen abwischen. Es wird keinen Tod mehr geben, kein Leid, keine Klage und keine Schmerzen; denn was einmal war, ist für immer vorbei.“

Fettgedrucktes für schnell Leser…

Einleitender Impuls:

Manchmal wünsche ich mir, jemand würde einfach sagen: Es ist vorbei. Nicht nur symbolisch. Sondern wirklich. Der Knoten im Bauch. Das flaue Gefühl nach dem Streit. Die Müdigkeit, die nicht mit Schlaf verschwindet. Einfach: vorbei. Aber meistens ist es das nicht. Meistens geht es weiter. Irgendwie. Und du auch. Weil du musst. Oder weil keiner fragt, wie es dir wirklich geht.

Was dieser Text sagt, ist nicht kitschig. Nicht religiös verklärt. Er sagt: Es wird aufhören. Und das nicht durch deine Anstrengung, sondern durch Gottes Nähe. Er wird abwischen. Nicht nur die sichtbaren Tränen, sondern das, was hinter deinen Augen brennt. Was du zu lange allein getragen hast. Und das ist kein „es wird schon wieder“ – sondern ein göttliches Versprechen: Es kommt eine Zeit, da wirst du nichts mehr verlieren. Kein Leben. Keine Freude. Kein Vertrauen.

Vielleicht glaubst du das heute nicht. Vielleicht sagst du: Klingt gut, aber ich seh’s nicht. Ich fühl’s nicht. Dann halt kurz inne. Nicht, um dich zu überzeugen. Sondern um zu merken, dass deine Sehnsucht nach diesem Ende mehr sagt als dein Zweifel. Vielleicht braucht Hoffnung genau diesen Moment: Wo du noch nicht glauben kannst – aber trotzdem dran festhältst.

Was würde es mit dir machen, wenn nicht du das Leid überwinden musst – sondern wenn es wirklich einmal endet, weil Gott es beendet?

Fragen zur Vertiefung oder für Gruppengespräche:

  1. Was wäre anders, wenn du wirklich glauben würdest, dass es ein Ende von allem Schmerz geben wird? – Diese Frage möchte dich dahin führen, bewusst zwischen Hoffnung und Realität zu unterscheiden – und den Raum zu erkunden, in dem Glaube nicht Vertröstung ist, sondern Widerstand gegen Resignation.
  2. **Wo in deinem Alltag brauchst du nicht neue Kraft, sondern jemanden, der einfach nur sieht, wie müde du bist? -**Diese Frage sollte dir helfen, konkrete Situationen zu finden, in denen der Text nicht als Appell, sondern als Einladung zur Nähe Gottes spürbar wird – ohne Druck, ohne moralischen Anspruch.
  3. Welche deiner Sehnsüchte sind dir vielleicht peinlich geworden – und warum könnten genau sie der Ort sein, an dem Gott dich berühren will? – Hier geht es darum, tiefer in den inneren Raum einzusteigen, in dem Schmerz nicht verdrängt wird, sondern in Hoffnung verwandelt werden darf – langsam, ehrlich, echt.

Parallele Bibeltexte als Slogans mit Anwendung:

Psalm 56,9 – „Du hast meine Tränen gezählt.“ → Gott vergisst keine deiner Tränen. Selbst die, die du heimlich geweint hast, sind ihm nicht entglitten.

Jesaja 25,8 – „Er beseitigt den Tod für immer.“ → Nicht symbolisch, sondern wirklich: Der Tod hat nicht das letzte Wort. Auch nicht in deinem Leben.

Johannes 11,35 – „Jesus weinte.“ → Gott kennt nicht nur dein Leid – er hat selbst gelitten. Er bleibt nicht außen vor.

Römer 8,18 – „Das Leid von jetzt ist nicht vergleichbar.“ → Was jetzt weh tut, hat nicht das letzte Wort. Es gibt etwas, das schwerer wiegt: die kommende Herrlichkeit.

Wenn du magst, nimm dir 20 Minuten Zeit für die ganze Ausarbeitung – sie könnte dir helfen, diesen Vers nicht nur zu lesen, sondern zu hören.


Ausarbeitung zum Impuls

Lass uns einen Moment innehalten. Vielleicht magst du kurz durchatmen, den Alltag loslassen und dich auf das einlassen, was jetzt kommt.

Liebevoller Vater, manchmal sehnen wir uns nach einer Welt, in der alles gut ist. Ohne Tränen, ohne Schmerz, ohne Tod. Du hast versprochen, dass so eine Welt kommt – du wirst abwischen, was uns zerbricht. Und manchmal halten wir uns genau an diesem Versprechen fest, weil sonst nicht viel bleibt. Danke, dass du das Leid nicht übersiehst. Danke, dass du einen neuen Himmel und eine neue Erde versprichst – und mit uns wohnen willst. Das ist fast zu groß, um es zu glauben. Aber wir halten uns daran. Heute bitten wir dich: Sei mit uns, während wir in dein Wort schauen. Mach unsere Herzen wach, unser Denken offen und unsere Hoffnung stark. In deinem Licht erkennen wir, was wirklich bleibt.

Im Namen Jesu,

Amen.

Dann lass uns gemeinsam eintauchen – Offenbarung 21,1–8 erwartet uns.

Persönliche Identifikation mit dem Text und der Ausarbeitung:

In diesem Ersten Abschnitt geht es nicht darum, den Text zu erklären – sondern ihm zuzuhören. Es ist eigentlich der Letze schritt der Ausarbeitung gewesen, der den Ich nach allen anderen Schritten gegangen bin, die du danach lesen kannst… Ich versuche den Text zu sehen, zu hören zu fühlen und stelle mir die leisen, ehrlichen „W“-Fragen: Was spricht mich an? Was bleibt unausgesprochen? Warum bewegt mich das gerade jetzt? Ich frage mich, wie dieser Vers meinen Alltag berühren kann – nicht theoretisch, sondern greifbar. Und ich spüre nach, was das mit meinem Glauben macht – ob es trägt, fordert, tröstet oder alles zugleich. Am Ende suche ich nicht die perfekte Antwort, sondern eine aufrichtige Reaktion: Was nehme ich mit – ganz persönlich, im Herzen, im Leben, im Blick auf Gott.

Also, bereit?

Ich spreche über die Perikope Offenbarung 21,1–8. Einen Abschnitt, der so oft zitiert wird, dass man leicht vergisst, was er eigentlich sagt. Oder was er auslöst, wenn man ihn nicht nur liest, sondern einen Moment lang stehen bleibt. Hinhört. Sich selbst darin erkennt – oder verliert.

Was ich sehe? Eine neue Welt. Kein Nebelbild, keine Metapher. Es ist wie ein klarer Schnitt in der Zeit. Das Alte ist weg – und niemand kehrt mehr dahin zurück. Ich sehe Menschen, die noch Spuren des Alten tragen. Ihre Körper, ihre Gesichter erzählen Geschichten. Vielleicht deine. Vielleicht meine. Ich sehe Tränen, die noch nicht ganz verschwunden sind, weil sie noch gesehen werden müssen, bevor sie getrocknet werden. Ich sehe einen Gott, der nicht aus der Ferne regiert, sondern sich herabbeugt – nicht in königlicher Geste, sondern in der Bewegung eines Vaters, der selbst abwischt. Ich sehe keine helle Szene. Kein überbelichteter Himmel. Sondern eine Welt, die aus Schmerz geboren wurde – aber ihn nicht mehr braucht.

Und wenn ich die Augen schließe, höre ich es: Es ist still geworden. Kein Geschrei mehr. Kein Dröhnen, kein innerer Alarm. Ute, die sonst so laut ist, hat keinen Grund mehr zu reden. Ich höre die Stimmen derer, die immer zu kurz gekommen sind – aber jetzt zählen. Die niemand gesehen hat – aber jetzt angeschaut werden. Und ich höre das: „Siehe, ich mache alles neu.“ Nicht „neu gedacht“. Nicht „besser“. Neu. Und das klingt nicht wie ein Slogan. Es klingt wie Wahrheit. Und ein wenig auch wie Trotz. Gegen alles, was war.

Was ich fühle? Ganz ehrlich – ein Teil von mir glaubt es noch nicht ganz. Weil ich noch mittendrin bin im Alten. Ich kenne den Tod – nicht nur den physischen. Ich kenne das, was innerlich stirbt, wenn du dich selbst verlierst. Ich kenne das Geschrei – nicht laut, sondern dumpf. Unter der Haut. Und ich kenne den Schmerz, den man nicht zeigen will, weil man sonst zu viel zeigt. Vielleicht fühlst du das auch. Vielleicht liest du das hier nicht, weil du theologisch interessiert bist, sondern weil du hoffst, dass da irgendwas drin ist, das deine Sehnsucht trifft. Deine Müdigkeit. Deinen Hunger nach etwas, das bleibt. Ich will dir nicht zu viel versprechen. Aber dieser Text tut genau das. Und er meint es ernst.

Was der Text sagt – ganz klar: Es wird eine Zeit geben, in der das, was dich heute verletzt, keine Rolle mehr spielt. Nicht, weil es klein wäre – sondern weil Gott größer ist. Er sagt: „Ich werde das Alte beenden – nicht übermalen.“ Und das ist ein Unterschied. Er verspricht dir keine Schönheitskorrektur am Bestehenden, sondern eine komplette Erneuerung – mit Gericht, mit Gerechtigkeit, mit Konsequenz. Er sagt: Du musst das nicht alleine durchziehen. Und er sagt es dir direkt – nicht als Systemmeldung, sondern als persönliche Ansprache.

Zwischen den Zeilen aber spricht er auch zu denen, die gerade noch mittendrin sind. Die noch nicht sehen, was er verspricht. Die nicht fühlen, was kommen soll. Und gerade deshalb zählt dein Hören. Dein ehrliches Bleiben. Vielleicht bist du nicht voller Glaube. Aber du liest noch. Du willst verstehen. Und das reicht, um in diesen Text hineinzupassen.

Was der Text nicht sagt? Dass Schmerz hier schon weg sein muss. Dass du es „geschafft haben“ musst, um zu glauben. Er sagt nicht: Wenn du genug betest, wird es dir besser gehen. Er sagt nicht: Wer traurig ist, glaubt zu wenig. Er sagt auch nicht, dass Gott das Leid einfach toleriert, bis er dann irgendwann ein Happy End schenkt. Nein – Gott spricht dem Leid den Prozess an. Nicht seine Daseinsberechtigung. Er ignoriert es nicht – er beendet es. Das ist eine andere Kategorie.

Warum ist dieser Text wichtig für mein Leben? Weil ich oft zwischen den Welten lebe. Zwischen dem, was ich glaube – und dem, was ich spüre. Zwischen Theologie und Alltag. Zwischen Hoffnung und Müdigkeit. Weil ich weiß, wie es ist, dazubleiben, obwohl keiner hinterherkommt. Weil ich selbst Vater bin – und hoffe, dass meine Kinder irgendwann sagen können: Er war da. Und wenn ich an Offenbarung 21 denke, dann sehe ich darin nicht nur das Ende des Leids – sondern auch das Ende der Schuldgefühle. Gott wird nicht nur die Tränen abwischen – er wird auch den Grund dafür beseitigen. Und das ist mehr als Trost. Das ist Erlösung.

Ich wünsche mir, dass du dich selbst in diesem Text findest. Nicht in seiner Perfektion, sondern in seiner Einladung. Dass du hörst: Du musst nicht perfekt sein, um gesehen zu werden. Du musst nicht fertig sein, um geliebt zu sein. Du darfst noch Fragen haben. Noch zweifeln. Noch weinen. Aber du darfst auch glauben – selbst wenn’s nur ein kleines Glauben ist.

Wenn ich ehrlich bin, dann verändert mich diese Auseinandersetzung. Nicht in einem plötzlichen Aha. Sondern in einer stillen, leisen Klarheit. Ich glaube ein bisschen mehr, dass meine Geschichte eingebettet ist in etwas Größeres. Dass ich nicht alleine unterwegs bin. Und dass Gottes Zusagen nicht auf Leistung beruhen – sondern auf Beziehung.

Was bleibt? Dieser Text ist nicht das Ende – sondern ein Versprechen auf einen Anfang, der nicht mehr endet. Und das genügt, um heute ein bisschen freier zu leben.

Wenn du magst, begleite mich weiter in die theologische Ausarbeitung – sie zeigt dir, was hinter dem Text steckt und warum du ihm vertrauen kannst.

Der Text:

Zunächst werfen wir einen Blick auf den Text in verschiedenen Bibelübersetzungen. Dadurch gewinnen wir ein tieferes Verständnis und können die unterschiedlichen Nuancen des Textes in den jeweiligen Übersetzungen oder Übertragungen besser erfassen. Dazu vergleichen wir die Elberfelder 2006 (ELB 2006), Schlachter 2000 (SLT), Luther 2017 (LU17), Basis Bibel (BB) und die Hoffnung für alle 2015 (Hfa).

Offenbarung 21,4

ELB 2006: Und er wird jede Träne von ihren Augen abwischen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Trauer noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen.

SLT: Und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, weder Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen.

LU17: und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen.

BB: Er wird jede Träne abwischen von ihren Augen. Es wird keinen Tod und keine Trauer mehr geben, kein Klagegeschrei und keinen Schmerz. Denn was früher war, ist vergangen.«

HfA: Er wird ihnen alle Tränen abwischen. Es wird keinen Tod mehr geben, kein Leid, keine Klage und keine Schmerzen; denn was einmal war, ist für immer vorbei.«

Der Kontext:

In diesem Abschnitt geht es darum, die grundlegenden Fragen – das „Wer“, „Wo“, „Was“, „Wann“ und „Warum“ – zu klären. Das Ziel ist es, ein besseres Bild von der Welt und den Umständen zu zeichnen, in denen dieser Vers verfasst wurde. So bekommen wir ein tieferes Verständnis für die Botschaft, bevor wir uns den Details widmen.

Kurzgesagt… Die Offenbarung wurde geschrieben in einer Zeit, in der Christen spürten: Unsere Welt bröckelt – äußerlich durch Druck von Rom, innerlich durch Verwirrung und Angst. Johannes schreibt ihnen nicht, um theologische Rätsel zu stellen, sondern um Hoffnung zu geben. Seine Botschaft: Da kommt was Neues. Und es ist echt gut.

Previously on Patmos… Johannes, ein alter Mann, sitzt auf einer kleinen Felseninsel im Mittelmeer, verbannt, weil er nicht mitgespielt hat beim religiös-politischen Theater des Römischen Reiches. Kein Tempel mehr in Jerusalem, keine Synagoge, die ihn aufnimmt, und kein Ort, an dem Christen einfach dazugehören. Seine Leute sind müde, verunsichert, manchmal zerrissen. Manche halten durch, andere passen sich an. Rom duldet keine Kompromisse, wenn’s um Loyalität geht – „Caesar ist Herr“ war keine Option für jemanden, der an Jesus festhält. Und das hat Konsequenzen.

Der geistige und religiöse Kontext ist angespannt wie ein Seil kurz vorm Reißen. Die einen sagen: Anpassung ist klug, so können wir überleben. Die anderen: Kompromiss ist Verrat. Johannes selbst ist kein Träumer, sondern ein Prophet mit klarer Stimme. Er kennt die Gemeinden in Kleinasien gut, weiß, wie zerbrechlich ihr Glaube geworden ist. Der Druck kommt nicht nur von außen – römischer Kult, wirtschaftliche Isolation, soziale Ausgrenzung – sondern auch von innen: Was gilt eigentlich noch? Wo ist Gott in all dem? Was, wenn wir uns irren?

In dieser Lage schreibt Johannes sein Buch. Keine gemütliche Endzeitphantasie, sondern ein wuchtiger Text voller Bilder, die sagen sollen: Gott hat das letzte Wort. Und dieses letzte Wort ist keine Drohung, sondern Trost. Kapitel 21 ist der Moment, in dem er das ganz große Bild aufzieht: Nicht nur dein Alltag wird neu. Die ganze Welt. Himmel, Erde, alles. Und mittendrin: Gott, der Tränen abwischt. Nicht symbolisch. Ganz konkret. Es ist wie das Licht am Ende eines sehr langen Tunnels – und Johannes nimmt uns mit auf diese letzte Wegstrecke.

Was damals geschrieben wurde, war für Menschen, die das Gefühl hatten, es geht nicht mehr weiter. Die dachten: Vielleicht war’s das. Und genau da hinein sagt Johannes: „Nein. Das Beste kommt noch.“

Klar, bis dahin müssen wir noch ein paar Verse durchsteigen – darum schauen wir uns jetzt die Schlüsselwörter aus Vers 4 an. Die verraten nämlich mehr, als man auf den ersten Blick denkt.

Die Schlüsselwörter:

In diesem Abschnitt wollen wir uns genauer mit den Schlüsselwörtern aus dem Text befassen. Diese Worte tragen tiefere Bedeutungen, die oft in der Übersetzung verloren gehen oder nicht auf den ersten Blick ersichtlich sind. Wir werden die wichtigsten Begriffe aus dem ursprünglichen Text herausnehmen und ihre Bedeutung näher betrachten. Dabei schauen wir nicht nur auf die wörtliche Übersetzung, sondern auch darauf, was sie für das Leben und den Glauben bedeuten. Das hilft uns, die Tiefe und Kraft dieses Verses besser zu verstehen und ihn auf eine neue Weise zu erleben.

Offenbarung 21,4 – Ursprünglicher Text (Nestle-Aland 28):

καὶ ἐξαλείψει πᾶν δάκρυον ἐκ τῶν ὀφθαλμῶν αὐτῶν, καὶ ὁ θάνατος οὐκ ἔσται ἔτι· οὔτε πένθος οὔτε κραυγὴ οὔτε πόνος οὐκ ἔσται ἔτι· τὰ πρῶτα ἀπῆλθαν.

Übersetzung Offenbarung 21,4 (Elberfelder 2006):

Und er wird jede Träne von ihren Augen abwischen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Trauer noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen.

Semantisch-pragmatische Kommentierung der Schlüsselwörter

  • ἐξαλείψει (exaleipsei) – „abwischen“: Das griechische Verb bezeichnet nicht nur ein sanftes Entfernen, sondern auch das vollständige Tilgen, z. B. das Auslöschen einer Eintragung in einem Register. In der Septuaginta wird es oft für die Auslöschung von Sünde oder Schuld verwendet (vgl. Ps 51,3: „Tilge meine Übertretung“). Hier wird das Bild auf Tränen angewendet – was bleibt, ist nicht getrocknet, sondern gelöscht. Keine Reste, keine Spuren.
  • πᾶν (pan) – „jede“: Die Formulierung im Neutrum Singular unterstreicht: es geht um jede einzelne Träne – nichts wird übersehen. Keine pauschale Trostwelle, sondern persönliches, präzises Eingreifen.
  • δάκρυον (dakryon) – „Träne“: Dieses Wort kommt im NT selten vor. Es meint nicht Schmerz an sich, sondern seine Auswirkung – das, was überläuft, wenn es innen zu viel wird. Die Träne steht hier sinnbildlich für das, was niemand sieht und Gott trotzdem bemerkt.
  • θάνατος (thanatos) – „Tod“: Der Begriff meint das Ereignis des physischen Sterbens, steht aber im apokalyptischen Kontext oft für den ganzen Zustand des Getrenntseins von Gott (vgl. Offb 20,14). Hier wird der Tod nicht nur beendet, sondern als Kategorie abgeschafft. Kein Platz mehr für ihn im neuen Kosmos.
  • πένθος (penthos) – „Trauer“: Im klassischen Griechisch ein Wort für die formelle Trauer – z. B. die Klage nach einem Todesfall. In der jüdischen Welt bedeutete es auch den Zustand des Verlustes, nicht nur seine Äußerung. Johannes sagt: Nicht nur das Weinen verschwindet – auch das Warum.
  • κραυγή (kraugē) – „Geschrei“: Ein sehr lautes, klagendes Rufen – kann Wehklage sein, aber auch Panik oder Schmerzlaut. Es ist das, was man nicht mehr kontrollieren kann – was raus muss. Und genau das: wird nicht mehr sein.
  • πόνος (ponos) – „Schmerz“: Ursprünglich bedeutete das Wort „harte Arbeit“, „Mühe“, dann „Schmerzen“ als Ergebnis dieser Mühsal. Es trägt beides in sich: körperliche Qual und das Erschöpfende eines Lebens unter Druck. Auch das – gestrichen.
  • τὰ πρῶτα (ta prōta) – „das Erste“: Damit ist nicht nur das „Früher“ gemeint, sondern die ganze bisherige Ordnung – die alte Welt mit ihrer Logik von Tod, Leid und Trennung. Was mal normal war, ist ab jetzt Geschichte.
  • ἀπῆλθαν (apēlthan) – „ist vergangen“: Der Aorist zeigt: es ist nicht im Prozess des Vergehens – es ist weg. Abgeschlossen. Der Ausdruck klingt beinahe lapidar. Kein großes Spektakel. Die alte Welt hat leise den Raum verlassen.

Die Wortwahl in Offenbarung 21,4 ist nicht zufällig pastoral – sie ist präzise, intensiv und endgültig. Jeder Begriff trägt das Gewicht gelebten Leids und die Kraft einer göttlichen Zusage. Gott verspricht nicht Besserung, sondern Beendigung.

Damit liegt der Boden bereit für den theologischen Kommentar – und der fragt: Was sagt das über Gott aus, der Tränen nicht nur sieht, sondern abwischt?

Ein Kommentar zum Text:

Theologische Grundlage

Lies diesen Vers bitte langsam: „Und er wird jede Träne von ihren Augen abwischen. Und der Tod wird nicht mehr sein, noch Trauer noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen.“ (Offenbarung 21,4)

Und dann lies ihn noch einmal – nicht nur als Trostwort, sondern als Zäsur. Denn dieser Vers steht nicht einfach in einer Reihe schöner Bibelverse, sondern markiert das Ende der alten Weltordnung. Und nicht metaphorisch – sondern real, kosmisch, endgültig. Für mich ist dieser Text nicht nur poetisch, sondern Teil der großen biblischen Verheißung: Gott wird nicht einfach trösten – er wird alles erneuern.

Der Zusammenhang ist entscheidend. Offenbarung 21 steht zeitlich nach dem 1000-jährigen Friedensreich, dem sogenannten Millennium (vgl. Offenbarung 20,1–15). Aus adventistischer Sicht – wie wir es auch in unseren 28 Glaubensüberzeugungen formulieren – ist diese Neuschöpfung nicht die Fortsetzung oder Verbesserung des Alten, sondern die Schaffung eines völlig neuen Seinszustands nach dem letzten Gericht. Das bedeutet: Offenbarung 21,4 ist keine Verheißung für das Jetzt, sondern eine Vorschau auf das, was Gott endgültig tun wird, nachdem alle Spuren von Sünde, Tod und Rebellion beseitigt wurden.

Das griechische Wort für „abwischen“ lautet ἐξαλείψει – (exaleipsei). Es kommt vom Verb ἐξαλείφω – (exaleiphō) und bedeutet nicht nur „abwischen“, sondern auch „auslöschen, tilgen, beseitigen“. In der griechischen Übersetzung des Alten Testaments (Septuaginta) wird dieses Wort verwendet, wenn Gott Sünde „aus dem Buch“ tilgt – zum Beispiel in Psalm 51,3 („tilge meine Übertretung“ – exaleiphon to anomēma mou). Für mich ist das wichtig, weil dieses Tilgen der Schuld zentral zur biblischen Vorstellung vom Gericht gehört. Im Kontext von Offenbarung 21,4 ist es also mehr als ein sanftes Tränenabwischen – es ist eine kultisch-juristische Handlung Gottes, die anzeigt: Alles, was Leid verursacht hat, ist nicht mehr – nicht reduziert, nicht befriedet, sondern getilgt.

Die darauffolgenden Begriffe – θάνατος (thanatos – Tod), πένθος (penthos – Trauer), κραυγή (kraugē – Geschrei), πόνος (ponos – Schmerz) – sind nicht zufällig gewählt. Sie bilden eine Viererreihe, die für die gesamte Erfahrungswelt des gefallenen Menschen steht. Johannes schreibt nicht nur, dass sie nicht mehr überwiegen oder weniger werden – er schreibt wörtlich: οὐκ ἔσται ἔτι – (ouk estai eti) – sie „werden nicht mehr sein“. Das ist die stärkste Form der Negation im Griechischen – sie bedeutet: absolut keine Existenz mehr. Kein Schatten, keine Erinnerung. Als Adventist glaube ich, dass sich hier die Verheißung aus Jesaja 65,17 erfüllt: „An das Frühere wird man nicht mehr denken, und es wird keinem mehr in den Sinn kommen.“

Diese Aufzählung erinnert, wie Mark W. Wilson und Clinton Arnold anmerken, an antike liturgische Formeln, in denen durch Negation eine neue Realität eingeführt wurde (Zondervan Illustrated Bible Backgrounds Commentary). Was sie damit meinen: Gott beschreibt die neue Welt nicht durch das, was sie ist, sondern durch das, was fehlt. Für die ersten Leser, die unter Verfolgung litten, war das keine Theologie auf dem Papier, sondern Überlebensnahrung. Keine Trauer, kein Schrei, kein Schmerz – das ist nicht fromm, das ist revolutionär.

John Yeatts betont, dass nicht ein Engel oder System die Tränen abwischt, sondern Gott selbst (Revelation). Das ist entscheidend: Im Griechischen steht αὐτός – (autos) – „er selbst“. Gott ist es, der berührt, nicht beauftragt. Für Yeatts ist das kein Nebensatz, sondern das Zentrum der Verheißung: Gott bleibt nicht auf dem Thron der Distanz, sondern tritt in die Erfahrung des Menschen ein. Und genau darin liegt die Sprengkraft dieses Verses. Es ist nicht einfach ein neuer Ort, es ist eine neue Beziehungsebene. Oder wie Gordon D. Fee schreibt: „It’s not the absence of something, but the presence of Someone.“ (Revelation). Was Fee damit sagt, ist theologisch tief: Die Abwesenheit von Leid ist nicht bloß Zustand – sie ist Ausdruck der Nähe Gottes.

Doch wann geschieht das? Und was bedeutet es für das Heute?

John F. Walvoord interpretiert Offenbarung 21,4 streng futuristisch: Die Verheißung beginnt nach dem Millennium, wenn das letzte Gericht vorbei ist und das himmlische Jerusalem herabkommt (Revelation of Jesus Christ). Für ihn ist der Vers nicht aktuell wirksam, sondern ausschließlich zukünftiger Trost. Das entspricht auch der adventistischen Position: Wir leben in der Erwartung dieser Neuschöpfung, nicht in ihrer gegenwärtigen Realität.

Gleichzeitig gibt es Ausleger wie Gordon Fee oder Daniel Akin, die stärker auf die Gegenwartskraft dieser Verheißung hinweisen. Akin schreibt: „God will eliminate every reason to cry.“ (Exalting Jesus in Revelation) – und er meint damit, dass die Herrschaft Christi bereits jetzt im Leben des Gläubigen erfahrbar sei. Diese Lesart legt nahe, dass die Vision von Offenbarung 21,4 eine geistliche Wirkung entfalten kann – als Hoffnung, nicht als Realität.

Auch ich halte diese Spannung aus: Der Trost ist jetzt schon zugesagt, aber noch nicht voll verwirklicht. Wir leben „zwischen den Versen“, wie Fee sagt – zwischen der Verheißung und ihrer Erfüllung. Aber ich halte fest: Offenbarung 21,4 beschreibt kein innerweltliches Trostgefühl, sondern eine absolute Neuschöpfung, die erst nach der endgültigen Beseitigung des Bösen eintritt.

Das zeigt sich besonders deutlich an dem letzten Satz: „Denn das Erste ist vergangen.“ Das griechische Wort ἀπῆλθαν (apēlthan) ist Aorist – also eine Vergangenheitsform, die einen abgeschlossenen Zustand beschreibt. Es ist nicht im Prozess des Vergehens – es ist vergangen. Für mich heißt das: Die alte Welt mit ihrer Sündenstruktur, ihren Todesmechanismen, ihren Trennungserfahrungen ist nicht weiterentwickelt – sie ist beendet. Dieses Verständnis ist auch theologisch anschlussfähig an die adventistische Betonung des Zweiten Todes (vgl. Offenbarung 20,14), der nicht nur biologisches Sterben, sondern die endgültige Auflösung allen gottfernen Seins bedeutet.

Ranko Stefanovic bringt es in seinem Kommentar präzise auf den Punkt: „Die alten Dinge sind nicht mehr nur entfernt – sie existieren nicht mehr. Gott schafft keine verbesserte Version – er schafft neu.“ (Revelation of Jesus Christ, S. 565). Er verweist auch auf die Verbindung zu 3. Mose 26,11–12, wo Gott verspricht, „mitten unter seinem Volk zu wohnen“. Für Stefanovic ist die Szene in Offenbarung 21 die eschatologische Erfüllung dieser Verheißungnicht symbolisch, sondern real.

Was mich innerlich ringen lässt, ist die Frage nach dem Jetzt. Denn die Welt ist nicht heil. Die Tränen sind noch da. Und manchmal ist es schwer zu glauben, dass jemand sie sieht. Noch schwerer, dass jemand sie abwischen will. Aber vielleicht ist das der Punkt. Vielleicht will dieser Vers nicht beweisen – sondern erinnern. Erinnern an einen Gott, der sich nicht mit Zwischenlösungen zufrieden gibt. Einen Gott, der nicht nur redet, sondern handelt. Der nicht nur tröstet, sondern schafft.

Und wenn das wahr ist – was würde es dann für dich bedeuten, diesem Gott zu glauben, der sagt, dass das Erste vergangen ist – und nicht zurückkehrt?

Zentrale Punkte der Ausarbeitung

  1. Gott wird nicht nur trösten – er wird neu erschaffen.
    • Offenbarung 21,4 ist keine sanfte Vertröstung, sondern eine kraftvolle Ankündigung: Alles, was Leid verursacht hat – Tod, Schmerz, Trauer – wird nicht reformiert, sondern beendet.
    • Der Text spricht nicht von einem symbolischen Trost, sondern von einer realen, eschatologischen Neuschöpfung nach dem endgültigen Gericht. Als Adventist ist mir wichtig: Das ist keine fromme Hoffnung, sondern eine feste Zusage.
  2. Gott selbst wird handeln – nicht durch Dritte.
    • Der griechische Urtext betont: autos – „er selbst“. Gott delegiert das Trösten nicht, sondern wird selbst die Tränen abwischen.
    • Das ist mehr als Mitgefühl – es ist persönliche Nähe und heilende Präsenz. Für mich liegt darin ein tiefes Bild von Gottes Charakter: Er bleibt nicht abstrakt oder distanziert, sondern wird konkret und liebevoll erfahrbar.
  3. Das Alte vergeht – endgültig und unwiderruflich.
    • Die Aussage „das Erste ist vergangen“ (apēlthan) ist im Aorist – das heißt: nicht im Prozess des Verschwindens, sondern bereits abgeschlossen.
    • Aus adventistischer Perspektive bedeutet das: Die alte Weltordnung mit Sünde und Tod hat keinen Platz mehr. Das ist für mich zentral, weil es zeigt: Erlösung ist kein Flickwerk, sondern vollständige Erneuerung.
  4. Dieser Text ist Teil eines großen heilsgeschichtlichen Bogens.
    • Offenbarung 21,4 ist nicht isoliert zu lesen, sondern eingebettet in eine Bewegung, die sich durch die ganze Bibel zieht – von Jesaja 25,8 über 1. Korinther 15,26 bis zu Offenbarung 20.
    • Das gibt der Aussage Tiefe und Verlässlichkeit. Sie ist nicht bloße Zukunftsmusik, sondern das logische Ende dessen, was Gott begonnen hat.
  5. Trost ist heute spürbar – aber noch nicht vollendet.
    • Auch wenn die Verwirklichung der Verheißung noch aussteht, ist ihre Wirkung schon jetzt erfahrbar: in Hoffnung, Vertrauen und in der Gewissheit, dass Gott unsere Tränen sieht.
    • Diese Spannung – zwischen Jetzt und Noch-nicht – ist kein theologisches Problem, sondern ein geistlicher Lernraum. Für mich bedeutet das: Ich darf glauben und hoffen – gleichzeitig.

Warum ist das wichtig für mich?

  • Es verändert mein Gottesbild.
    • Gott ist nicht nur Herrscher, sondern Vater. Nicht nur Richter, sondern Tröster. Und nicht fern, sondern selbst derjenige, der mein Leid berührt.
  • Es verändert meinen Blick auf das Leid.
    • Schmerz, Tod und Tränen sind real – aber nicht das letzte Wort. Ich darf sie ernst nehmen, ohne ihnen das letzte Gewicht zu geben.
  • Es stärkt meine Hoffnung.
    • Die Welt ist gebrochen – aber nicht verloren. Ich glaube an einen Gott, der nicht passiv zusieht, sondern aktiv erneuert.
  • Es verankert mein Glauben im biblischen Gesamtzeugnis.
    • Ich stehe nicht allein mit meiner Hoffnung. Sie ist Teil einer großen, durchgängigen Geschichte, in der Gott treu ist – von Anfang bis Ende.

Der Mehrwert dieser Erkenntnis

  • Ich kann aufhören, die Welt mit eigenen Mitteln zu retten, weil ich weiß, dass Gott sie neu machen wird – vollständig.
  • Ich kann ehrlicher mit meinem Schmerz umgehen, weil Gott ihn nicht übergeht, sondern einmal selbst berühren wird.
  • Ich kann Hoffnung weitergeben, die nicht naiv ist, sondern auf einem klaren, verheißenen Ziel ruht.
  • Ich kann meinen Glauben mit Tiefgang leben, weil er eingebettet ist in eine Bewegung Gottes, die nicht auf halbem Weg stehen bleibt.

Kurz gesagt: Wenn Gott selbst die Tränen abwischt – dann ist keine Träne umsonst. Und keine Hoffnung vergeblich.