Trainiere deine Willensstärke → Hebräer 12,1–2

Hebräer 12,1–2 → „Da wir nun so viele Zeugen des Glaubens um uns haben, lasst uns alles ablegen, was uns in dem Wettkampf behindert, den wir begonnen haben – auch die Sünde, die uns immer wieder fesseln will. Mit Ausdauer wollen wir auch noch das letzte Stück bis zum Ziel durchhalten. Dabei wollen wir nicht nach links oder rechts schauen, sondern allein auf Jesus. Er hat uns den Glauben geschenkt und wird ihn bewahren, bis wir am Ziel sind. Weil große Freude auf ihn wartete, erduldete Jesus den Tod am Kreuz und trug die Schande, die damit verbunden war. Jetzt hat er als Sieger den Ehrenplatz an der rechten Seite Gottes eingenommen.“

Heute spreche ich über Willensstärke – im Zusammenhang mit Hebräer 12,1–2. Vielleicht denkst du bei dem Wort gleich an Heute: Ein realistischer 7-Tage-Plan für Ausdauer im Glauben. An eiserne Disziplin, an Leute, die um fünf Uhr morgens aufstehen, joggen gehen und kalt duschen, während du noch versuchst, deine Augen aufzubekommen. Ich kenne diesen Druck. Manche spüren Ärger oder Traurigkeit, wenn sie solche Leistungsbilder sehen, weil dahinter die Frage steckt: Bin ich gut genug? Die Bibel setzt den Akzent anders: Willensstärke ist keine Selbstoptimierung, sondern Ausdauer, getragen von Klarheit, Glaube und einem fixierten Blick. Für mich heißt das: ein Schritt-für-Schritt-Leben im Vertrauen. Und vielleicht ist es eine gute Übung, sich ehrlich zu fragen: Was löst „Willensstärke“ in mir aus – Druck oder Orientierung?

Der Hebräerbrief benutzt dafür ein Bild, das jeder versteht: ein Wettlauf. Nicht der 100-Meter-Sprint, sondern ein Marathon. „Lasst uns laufen mit Ausdauer den Lauf, der vor uns liegt.“ Das Wort im Urtext ist ἀγών – agōn. Davon kommt unser Wort „Agonie“ – es geht also um Ernst, nicht um eine Fitness-Metapher. Dazu gehört auch, alles loszuwerden, was uns bremst: ὄγκος – onkos, das Gewicht, die Last. Und die „Sünde, die uns umstrickt“ – εὐπερίστατος ἁμαρτία – euperistatos hamartia. Das klingt nach einem Seil um die Beine. Spannend ist: Hier geht es nicht nur um Fehlverhalten, sondern auch um den Unglauben, das Abdriften vom Vertrauen. Gefährlich ist nicht nur offener Widerstand, sondern auch das leise Weggleiten. Wenn du das auf dein Leben überträgst, denk weniger in großen Schlagworten, mehr in Beobachtungen: Woran merkst du, dass dir Vertrauen schwerfällt? Vielleicht am endlosen Scrollen am Handy, an Gedanken, die dich nachts wachhalten. Hinter diesen Mustern stecken Gefühle wie Müdigkeit oder Frust – und Bedürfnisse nach Sicherheit, Zugehörigkeit, Sinn. Ballast ist nicht gleich #Defekt, sondern oft ein Ausdruck unerfüllter Bedürfnisse. Drei kleine Übungen helfen: Lege dein Handy 30 Minuten vor dem Schlafengehen in die Küche – konzentrier dich auf das was in dir gerade Arbeitet. Faste eine App für sieben Tage – suche nach anderen Kraftquellen zB. Gebet, Bibellesen, lerne die Stille aushalten – sie genießen. Oder sprich mit einer Person deines Vertrauens: „Ich brauche Begleitung bei …“.

Ich höre oft den Satz: „Ich hänge fest. Ich will ja glauben, aber irgendwie komme ich nicht voran.“ Genau das spricht der Text an. Ballast ablegen klingt leicht, ist aber schwer, weil wir manchmal an Dingen hängen, die uns Kraft rauben. Beziehungen, Gewohnheiten, Gedanken – sie fühlen sich vertraut an. Willensstärke heißt nicht, noch härter zu werden, sondern ehrlich hinzusehen und loszulassen. Ein guter Anfang kann klein sein: Für die nächsten sieben Tage abends zehn Minuten aufschreiben – was hat mir Kraft gegeben, was hat sie genommen? Das schafft Klarheit. Und es nimmt Spannungen ernst: zwischen Loyalität zu anderen und Fürsorge für dich selbst.

Dann der entscheidende Punkt: „indem wir hinschauen auf Jesus.“ ἀφορῶντες – aphorōntes heißt: wegsehen von allem anderen, den Blick fixieren. Willensstärke im Glauben ist keine blinde Selbstmotivation, sondern Ausrichtung. Jesus wird „Anfänger und Vollender des Glaubens“ genannt – ἀρχηγός – archēgos und τελειωτής – teleiōtēs. Er ruft den Glauben in uns hervor und ist zugleich Vorbild. Geschenk und Beispiel gehören zusammen. Damit dieser Blick nicht zum Zwang wird, ist ein Mikroschritt hilfreich: Morgens zwei Minuten still werden, Atem spüren, einen Satz betrachten – Andacht lesen. Erst Gefühle wahrnehmen, dann ausrichten. Der Blick auf Jesus ist wie ein Fixstern, an dem du deinen Kurs kalibrierst.

Warum hat Jesus das Kreuz ertragen? „Um der Freude willen, die vor ihm lag.“ Das Wort ἀντί – anti kann „statt“ oder „wegen“ bedeuten. Im Zusammenhang zeigt sich: Jesus hielt durch, weil er die kommende Freude sah – seine Erhöhung, unsere Erlösung. Er hielt das Leid aus, weil die Freude größer war. Das ist Einladung, nicht Druck. Gefühle wie Angst oder Traurigkeit dürfen da sein. Die Freude macht sie nicht klein, sondern gibt ihnen ein Ziel. Vielleicht hilft dir die Reihenfolge: erst benennen, was schwer ist, dann den Blick bewusst heben.

Und noch etwas: Der Text sagt nicht „Du allein“. Er sagt: „Lasst uns laufen.“ Plural. Glaubensstärke wächst nicht im Alleingang, sondern in Gemeinschaft. Das Bedürfnis nach Zugehörigkeit ist kein Mangel, sondern Teil des Weges. Autonomie und Gemeinschaft spannen ein Feld auf, in dem wir beides brauchen. Eine konkrete Einladung: Schreib heute einen Namen auf – wer läuft an deiner Seite?

Vielleicht fragst du dich jetzt: Heißt das, Gott schickt mir Leid, um mich zu trainieren? Der Brief spricht von παιδεία – paideia, göttlicher Erziehung. Das heißt nicht, dass Gott Leid schickt. Wichtig hierbei ist, Er lässt uns nicht allein, wir sind mit Jesus unterwegs. Er begleitet uns durch das was geschieht, und formt uns dadurch. Das ist unbequem, weil es unsere Vorstellung vom sofort helfenden Gott hinterfragt. Aber es ist auch tröstlich: Nichts, was du erlebst, bleibt unbedeutend. Dabei ist wichtig: Klage hat Raum. Schreib deine Trauer oder Wut auf, bete sie – das ist Teil der Beziehung.

Das Ziel? Heiligkeit. Nicht moralische Perfektion, sondern Integrität – ein Leben, das Gottes Charakter spiegelt. Hebräer 12,14 sagt: „Strebt nach Frieden mit jedermann und nach Heiligung.“ Heiligkeit ist Kohärenz zwischen dem, was wir glauben, und wie wir leben. Kein Zwang, sondern Freude. Wertekonflikte wie Perfektionismus versus Gnade dürfen benannt werden. Ganz praktisch: Wo du im Konflikt stehst, bitte um ein Gespräch und sprich es in vier Schritten an:

1 Beobachtung – was passiert gerade in mir – in meinen Gedanken, in meiner Seele?

2 Gefühl – was lösen meine Gedanken in mir aus? Was sagen meine Gefühle über meine Werte, Glaube, Hoffnung aus?

3 Bedürfnis – Was sagen die Gedanken die in mir toben über das was ich brauche aus? Wichtig! Was brauche ich eigentlich? Was brauche ich jetzt – nicht irgendwann, irgendwo, sondern jetzt?

4 Bitte – Beginn damit, mit deiner Seele über dein Bedürfnis zu sprechen. Was würdest du von dir selbst, von anderen oder von Gott erbitten? Sei realistisch. Und sei vorsichtig… es geht um eine Bitte nicht um eine „ich will” oder „du solltest” Vorderung/Erwartung…

Alles zusammen ergibt ein Bild: ablegen, laufen, den Blick halten, durchhalten. Nicht weil du so stark bist, sondern weil Jesus schon gelaufen ist. Er hat nicht nur angefangen, er hat vollendet. Sein Blut besiegelt den Bund, der trägt. Dein Lauf geht nicht ins Leere. Und doch bleibt deine Selbstwirksamkeit wichtig: Du gehst die Schritte. Vielleicht ein winziger Schritt – aber er zählt.

Vielleicht sitzt du da und denkst: „Das klingt gut, aber ich bin müde.“ Der Text sagt: „Lasst uns laufen mit Ausdauer.“ Nicht schnell, nicht perfekt. Mit Ausdauer. Willensstärke im Glauben heißt: den nächsten Schritt gehen – klein, realistisch, in deinem Tempo. Dazu gehört auch, dich auszuruhen. Das ist auch Glaubensstärke. Sabbat ist genau das: ein wöchentlicher Atemzug, den Gott schenkt. Kein Leistungsprogramm, sondern Gnade im Rhythmus.

Fragen zur Vertiefung oder für Gruppengespräche:

  1. Wo merkst du in deinem Leben, dass du „Ballast“ mit dir trägst? Die Frage soll helfen, konkrete Beobachtungen zu machen, ohne moralischen Druck, und die eigenen Bedürfnisse hinter diesem Ballast zu erkennen.
  2. Wie kannst du in dieser Woche bewusst kleine Schritte gehen, die dich im Glauben stärken? Die Frage lädt ein, Gewaltfrei-Praktisches ins eigene Leben zu übersetzen, ohne etwas vorzugeben.
  3. Was könnte es für dich heißen, die „Freude vor Augen“ zu haben – mitten in deinen aktuellen Herausforderungen? Die Frage öffnet einen geistlichen Raum für Hoffnung, ohne einfache Antworten zu liefern.

Parallele Bibeltexte als Slogans mit Anwendung:

Philipper 3,13–14 – „Ich jage dem Ziel nach.“ → Ausdauer heißt, nicht alles sofort zu können, sondern bewusst Schritt für Schritt das Ziel im Blick zu behalten.

1. Korinther 9,24 – „Lauft so, dass ihr den Preis erlangt.“ → Dein Lauf ist nicht sinnlos, er hat Richtung und Wert.

Jakobus 1,2–3 – „Prüfungen bewirken Standhaftigkeit.“ → Deine Schwierigkeiten sind kein Beweis gegen Gott, sondern können zu innerer Reife führen.

Jesaja 40,31 – „Die auf den HERRN hoffen, gewinnen neue Kraft.“ → Hoffnung in Gott schenkt dir einen anderen Rhythmus, der dich trägt, wenn deine Kraft versiegt.

Theologische Ausarbeitung Hier findest du die Ausarbeitung, die auf den 7 Schritten nach Chevalier basieren. Diese habe ich mir im Theologie Studium angeeignet. Ich gehe jeden Bibeltext zuerst methodisch durch – Einführung, Kontext, Textkritik, Übersetzung, historisch-geographischer Rahmen, literarische Struktur und Semantik – und daraus entstehen die Beiträge (wo sinnvoll mit einer ruhigen theologisch-praktischen Einordnung). Ich arbeite mit den Ressourcen, die ich zur Hand habe – vor allem meiner Digitalen-Bibliothek (eine Bibelsoftware mit Kommentaren, Grammatiken und Werkzeugen). Ich verstehe mich nicht als Experte, sondern als Lernender: Ich teile hier, was ich auf dem Weg entdecke – nicht von oben herab, sondern damit du mitprüfen, mitdenken und es in deinem Alltag weiterführen kannst.