Fettgedrucktes für schnell Leser…
Einleitender Impuls:
Manchmal bin ich erschöpft, ohne dass ich sagen könnte, warum. Alles läuft, aber innerlich wird’s eng. Dann lese ich: „Die Gesinnung des Fleisches ist Tod, die Gesinnung des Geistes aber Leben und Friede.“ Und ich merke: Vielleicht geht’s gar nicht darum, was ich gerade tue – sondern woher ich lebe.
Der Text klingt hart. Kein „Versuch es mal anders“, sondern: So ist es. Zwei Richtungen, zwei Räume, zwei Wirklichkeiten. Paulus beschreibt keine Stimmung, sondern eine geistliche Wirklichkeit. Fleisch – das ist nicht dein Körper, sondern ein Leben, das aus sich selbst leben will. Oder einfacher gesagt: Fleisch heißt, ich muss alles selbst schaffen. Geist heißt, ich empfange – und lebe von dem, was Gott gibt.
Geist – das ist nicht ein Hochgefühl, sondern Gottes Gegenwart in dir. Und die Frage ist nicht: „Wie fühlst du dich?“ Sondern: „Wem gehörst du gerade innerlich an?“
Ich glaube, viele spüren den Tod nicht als Drama, sondern als langsames Entwurzeltsein. Eine Müdigkeit, die nicht mit Schlaf weggeht. Eine Unruhe, die selbst im Urlaub bleibt. Und dann dieser Satz: „Leben und Friede“ – nicht als Ziel, sondern als Zeichen. Nicht perfekt. Aber spürbar. Wo der Geist Raum hat, beginnt etwas zu atmen.
Vielleicht ist heute der Moment, dich innerlich neu auszurichten – nicht hektisch, sondern klar. Nicht weil du musst, sondern weil du darfst.
Fragen zur Vertiefung oder für Gruppengespräche:
- Was macht dich gerade müde – wirklich müde? Diese Frage hilft dir zu unterscheiden: Ist es nur der Alltag, der dich fordert – oder lebst du gerade aus einer Quelle, die dich nicht mehr trägt? Sie lädt ein, ehrlich hinzuschauen – ohne sich selbst zu überfordern.
- Woran würdest du im Lauf deiner Woche erkennen, dass du geistlich angebunden bist? Diese Frage will keine To-Do-Liste erzeugen – sondern lädt dazu ein, kleine, konkrete Zeichen geistlicher Lebendigkeit im Alltag bewusst wahrzunehmen. Was atmet – und was funktioniert bloß?
- Wie würde dein Alltag aussehen, wenn Friede kein Gefühl, sondern ein Ort wäre? Diese Frage dreht die Perspektive: Vielleicht musst du den Frieden nicht herstellen – sondern nur Raum schaffen, dass er dich findet.
Parallele Bibeltexte als Slogans mit Anwendung:
Johannes 15,5 – „Ohne mich könnt ihr nichts tun.“ → Dieser Text erinnert: Geistliches Leben entsteht nicht aus Aktivität, sondern aus Verbindung.
Römer 5,1 – „Da wir gerecht geworden sind durch den Glauben, haben wir Frieden mit Gott.“ → Friede beginnt dort, wo Rechtfertigung nicht Theorie bleibt, sondern Identität wird.
Galater 5,25 – „Wenn wir durch den Geist leben, so lasst uns auch durch den Geist wandeln.“ → Leben im Geist zeigt sich nicht in Gefühlen – sondern darin, woraus du deine Schritte nährst.
Hesekiel 36,27 – „Ich werde meinen Geist in euch legen und machen, dass ihr meinen Geboten folgt.“ → Gott verlangt nicht, was er nicht auch wirkt – aber er wirkt es in Herzen, die geöffnet bleiben.
Manchmal lohnt es sich, sich 20 Minuten zu nehmen, um einen Vers nicht nur zu lesen – sondern ihm zu erlauben, etwas in dir zu verschieben.
Ausarbeitung zum Impuls
Lass uns einen Moment innehalten, alles andere loslassen – und gemeinsam mit einem kurzen Gebet in die Vertiefung starten.
Lieber Vater, danke, dass du uns nicht in die Irre führst. Danke für deinen Geist, der Leben schenkt – und nicht nur irgendein Leben, sondern echtes, tiefes Leben, das von deinem Frieden getragen ist. Du siehst, wie oft unsere Gedanken abschweifen, wie wir versuchen, alles zu kontrollieren und doch nur leer drehen. Und trotzdem kommst du – leise, freundlich, wahrhaftig – und richtest unseren Sinn neu aus. Römer 8,6 sagt: „der Sinn des Geistes ist Leben und Frieden“. Ich will das lernen, Papa. Hilf mir, mehr auf deinen Geist zu hören als auf meine eigenen Schleifen. Ich möchte nicht nur vom Frieden reden – ich will ihn mit dir leben. Danke, dass du geduldig bist. Danke, dass du da bist.
Im Namen Jesu,
Amen.
Dann lasst uns tiefer einsteigen – in einen Text, der nicht nur über Leben spricht, sondern Leben schenkt.
Persönliche Identifikation mit dem Text und der Ausarbeitung:
In diesem Ersten Abschnitt geht es nicht darum, den Text zu erklären – sondern ihm zuzuhören. Es ist eigentlich der Letze schritt der Ausarbeitung gewesen, der den Ich nach allen anderen Schritten gegangen bin, die du danach lesen kannst… Ich versuche den Text zu sehen, zu hören zu fühlen und stelle mir die leisen, ehrlichen „W“-Fragen: Was spricht mich an? Was bleibt unausgesprochen? Warum bewegt mich das gerade jetzt? Ich frage mich, wie dieser Vers meinen Alltag berühren kann – nicht theoretisch, sondern greifbar. Und ich spüre nach, was das mit meinem Glauben macht – ob es trägt, fordert, tröstet oder alles zugleich. Am Ende suche ich nicht die perfekte Antwort, sondern eine aufrichtige Reaktion: Was nehme ich mit – ganz persönlich, im Herzen, im Leben, im Blick auf Gott.
Also, bereit?
Ich spreche über Römer 8, besonders Vers 6. Und ich merke: Dieser Text ist kein Ratgeber. Er ist ein Spiegel. Und manchmal ist es schwer, hineinzuschauen.
Da steht: „Die Gesinnung des Fleisches ist Tod, die Gesinnung des Geistes aber Leben und Friede.“ Keine Aufforderung. Keine Warnung. Nur eine Feststellung. Als gäbe es zwei Räume – ohne Zwischenbereich.
„Gesinnung“ klingt sperrig. Gemeint ist: die Art, wie ich innerlich unterwegs bin. Mein Kompass. Mein Blick auf mich selbst, auf andere – und auf Gott. Oder einfacher: Was in dir das Steuer in der Hand hält. Nicht immer sichtbar, aber entscheidend.
Wenn ich mir das klar vor Augen halte, sehe ich diese zwei Räume. Nicht als Drohung – sondern als Realität. Der eine atmet Gottes Gegenwart. Der andere lebt getrennt. Und manchmal stehe ich dazwischen. Aber der Text lässt dazwischen nichts übrig. Vielleicht ist das, was uns wie „Dazwischen“ vorkommt, in Wahrheit schon eine Entscheidung.
Der Geist ist kein Konzept. Ich stelle ihn mir vor wie einen Raum – ein stiller Innenhof, voll Licht – in dem du stehen darfst, selbst wenn du’s nicht fühlst. Ein inneres Klima. Nicht laut, nicht dramatisch. Aber spürbar anders, wenn du drin bist.
Ich frage mich: Kann man im Geist leben – und trotzdem manchmal falsch handeln? Der Text sagt: Ja. Und ich weiß nicht, ob das eine Entlastung ist – oder eine Entlarvung.
Manchmal wache ich auf und spüre nichts davon. Kein Leben in Fülle (Johannes 10,10b). Kein felsenfester Friede. Kein „In der Ruhe liegt die Kraft“. Und doch steht da: „Die Gesinnung des Geistes ist Leben und Friede.“ Es steht nicht: „… wenn du es spürst.“ Und trotzdem sehe ich, wie sich Dinge verändern. Nachdem ich bete. Wenn ich innerlich still werde. Wenn ich Gottes Stimme höre – leise, aber klar. Biblisch fundiert. Leben fördernd.
Vielleicht ist der Friede längst da – bevor du’s überhaupt merkst.
Dann kann ich nicht mehr sagen: Ich schaffe es nicht. Weil es nicht um meine Kraft geht. Weil Leben nicht aus Disziplin kommt – sondern aus Zugehörigkeit. Im Geist. Weil Gott mich begleitet.
Ich muss nicht kämpfen, um hineinzukommen. Der Weg wurde durch Jesus freigeräumt. Ich darf gehen. Glauben. Und ja – ich kann mich auch entfernen. Ich kann den Raum verlassen. Aber solange ich zulasse, dass der Geist bleibt, bleibt er. Weil er treu ist – nicht weil ich es bin (2. Timotheus 2,13).
Und manchmal ist dieser Raum nur ein Gebet lang entfernt. Oder ein Atemzug nah.
Ich verstehe jetzt: Es geht nicht um eine Stimmung. Nicht um religiöse Gefühle. Es geht um einen Raum. Eine geistliche Realität. Eine Zugehörigkeit.
Ich wünsche mir, dass ich das nie vergesse.
Wenn du willst, lies die ganze Ausarbeitung zu Römer 8,6. Vielleicht findest du dich wieder. Oder wirst leise unterbrochen. Hier geht’s zur theologischen Auslegung.
Der Text:
Zunächst werfen wir einen Blick auf den Text in verschiedenen Bibelübersetzungen. Dadurch gewinnen wir ein tieferes Verständnis und können die unterschiedlichen Nuancen des Textes in den jeweiligen Übersetzungen oder Übertragungen besser erfassen. Dazu vergleichen wir die Elberfelder 2006 (ELB 2006), Schlachter 2000 (SLT), Luther 2017 (LU17), Basis Bibel (BB) und die Hoffnung für alle 2015 (Hfa).
Römer 8,6
ELB 2006: Denn die Gesinnung des Fleisches ist Tod, die Gesinnung des Geistes aber Leben und Frieden,
SLT: Denn das Trachten des Fleisches ist Tod, das Trachten des Geistes aber Leben und Frieden,
LU17: Denn fleischlich gesinnt sein ist der Tod, doch geistlich gesinnt sein ist Leben und Friede.
BB: Nach weltlichen Dingen zu streben bringt den Tod. Aber nach dem zu streben, was der Geist will, bringt Leben und Frieden.
HfA: Wozu uns die alte, sündige Natur treibt, das bringt den Tod. Folgen wir aber dem, was Gottes Geist will, so bringt das Frieden und Leben.
Der Kontext:
In diesem Abschnitt geht es darum, die grundlegenden Fragen – das „Wer“, „Wo“, „Was“, „Wann“ und „Warum“ – zu klären. Das Ziel ist es, ein besseres Bild von der Welt und den Umständen zu zeichnen, in denen dieser Vers verfasst wurde. So bekommen wir ein tieferes Verständnis für die Botschaft, bevor wir uns den Details widmen.
Kurzgesagt… In Römer 8 steckt Paulus mitten in einem großen Gedankenstrom über Freiheit, Leben und den Geist Gottes. Es ist so etwas wie der Höhepunkt einer langen Argumentation – und Römer 8,6 ist ein Knotenpunkt: Zwei Denkweisen, zwei Lebenswege, zwei Konsequenzen.
Previously on Paulus’ Brief an die Römer: Der Apostel schreibt an eine Gemeinde, die er selbst nicht gegründet hat, die aber in einer der wichtigsten Städte der damaligen Welt sitzt – Rom. Christen dort kommen aus unterschiedlichen Hintergründen: einige jüdisch geprägt, andere heidnisch-sozialisiert, und das sorgt für Spannungen im Gottesbild, im Lebensstil und im Umgang mit dem Gesetz. Paulus will hier nicht einfach mal ein paar Grüße dalassen – er erklärt seinen ganzen Glauben, fast wie ein theologisches Manifest. In den Kapiteln davor (besonders in Kapitel 7) zeichnet er ein ziemlich düsteres Bild vom Menschsein: ein innerer Kampf zwischen dem, was man eigentlich will, und dem, was man tatsächlich tut. Die Macht der Sünde sei so stark, dass selbst das Gesetz Gottes nichts daran ändern kann – es zeigt nur umso mehr, wie verstrickt der Mensch ist.
Und dann, zack, Kapitel 8: ein Befreiungsschlag. Paulus bringt eine neue Perspektive ins Spiel – den Geist Gottes. Es ist, als würde ein Fenster aufgehen nach einem stickigen Raum. Wo vorher Ohnmacht war, ist jetzt Leitung. Wo vorher Anklage war, ist jetzt keine Verdammnis mehr. Alles hängt daran, unter welcher „Gesinnung“ man lebt – oder besser gesagt: welcher Einfluss in deinem Denken das Sagen hat. Geist oder Fleisch? Tod oder Leben?
Der religiöse Hintergrund dazu ist nicht simpel. „Fleisch“ meint hier nicht den Körper an sich, sondern die alte, eigenwillige Art zu leben – die Menschheit in ihrem Eigensinn, getrennt von Gott, oft religiös bemüht, aber innerlich leer. Und „Geist“ ist nicht bloß Inspiration oder Gefühl, sondern das Wirken Gottes selbst, das neue Leben ermöglicht. Paulus schreibt das nicht theoretisch, sondern seelsorgerlich: Die Christen in Rom sollen verstehen, dass das Evangelium nicht nur ein „Ja“ Gottes zu ihnen ist, sondern auch eine neue Wirklichkeit, in der sie jetzt stehen. Es geht um Identität, um Zugehörigkeit, um Hoffnung in einer Welt, die eher vom Imperium als vom Himmel regiert wird.
Mitten in dieser geistlichen Spannung – zwischen Anklage und Annahme, zwischen Gesetz und Gnade, zwischen Tod und Leben – klingt Römer 8,6 wie ein Kompass: Was du denkst, wie du ausgerichtet bist, das prägt dein Leben. Und es gibt einen Weg, der nicht in die Enge, sondern in den Frieden führt.
Jetzt wird’s konkret: Wir schauen uns die Schlüsselbegriffe dieses Verses an – was genau meint Paulus mit „Gesinnung“, „Fleisch“, „Geist“, „Tod“ und „Frieden“?
Die Schlüsselwörter:
In diesem Abschnitt wollen wir uns genauer mit den Schlüsselwörtern aus dem Text befassen. Diese Worte tragen tiefere Bedeutungen, die oft in der Übersetzung verloren gehen oder nicht auf den ersten Blick ersichtlich sind. Wir werden die wichtigsten Begriffe aus dem ursprünglichen Text herausnehmen und ihre Bedeutung näher betrachten. Dabei schauen wir nicht nur auf die wörtliche Übersetzung, sondern auch darauf, was sie für das Leben und den Glauben bedeuten. Das hilft uns, die Tiefe und Kraft dieses Verses besser zu verstehen und ihn auf eine neue Weise zu erleben.
Römer 8,6 – Ursprünglicher Text (Nestle-Aland 28):
τὸ γὰρ φρόνημα τῆς σαρκὸς θάνατος, τὸ δὲ φρόνημα τοῦ πνεύματος ζωὴ καὶ εἰρήνη.
Übersetzung Römer 8,6 (Elberfelder 2006):
Denn die Gesinnung des Fleisches ist Tod, die Gesinnung des Geistes aber Leben und Frieden.
Semantisch-pragmatische Kommentierung der Schlüsselwörter
- φρόνημα (phronēma) – „Gesinnung / Denkweise“: Dieses Wort taucht im NT nur bei Paulus auf (Röm 8,6.7.27), ist aber im hellenistischen Griechisch gängig. Es bezeichnet nicht bloß einen spontanen Gedanken, sondern eine stabile Ausrichtung des Denkens – eine geistige Grundhaltung oder ein inneres Klima. Im politischen Sprachgebrauch stand es für Parteilichkeit oder Zugehörigkeit („zu jemandes Seite stehen“). Paulus benutzt es hier zur Charakterisierung von Existenzweisen: Wer im „φρόνημα τῆς σαρκὸς“ lebt, ist geistlich falsch eingenordet – die Denkweise selbst führt in die Irre. Es geht also nicht nur darum, „wie man denkt“, sondern „woraufhin“ man innerlich ausgerichtet ist. Diese innere Grundspannung hat direkte Auswirkungen auf Leben oder Tod.
- σάρξ (sarx) – „Fleisch“: Eines der ambivalentesten Worte bei Paulus. Wörtlich kann es „Fleisch“ im Sinne von Körper bedeuten, aber hier meint es die menschliche Natur in ihrer Gottferne – das Ich ohne den Geist. Es steht für den Menschen in seiner Selbstbezogenheit, oft auch religiös bemüht, aber dennoch sündhaft orientiert. „Fleisch“ ist keine neutral-biologische Kategorie, sondern ein theologisch aufgeladener Begriff für eine Existenz, die von Gott losgelöst ist – eine anthropologische Krisendiagnose.
- θάνατος (thanatos) – „Tod“: Mehr als das Sterben des Körpers. θάνατος ist bei Paulus oft die Folge des Getrenntseins von Gott (vgl. Röm 5,12ff). Es ist eine existenzielle Realität, ein Zustand geistlicher Entfremdung. In Röm 8,6 ist nicht die biologische Endlichkeit gemeint, sondern eine lebendige Gottesferne, die wie innerer Tod wirkt. Das Fleisch führt dorthin – nicht weil es böse ist, sondern weil es ohne Gottes Geist keine wahre Orientierung findet.
- πνεῦμα (pneuma) – „Geist“: Der Begriff steht hier nicht für das „menschliche Innere“, sondern eindeutig für den Heiligen Geist Gottes, der im Gläubigen wirkt. Pneuma ist die göttliche Lebenskraft, die vom Tod befreit und zur echten Beziehung mit Gott befähigt. In der jüdisch-hellenistischen Welt galt pneuma als göttlicher Atem, schöpferischer Hauch, Lebensquelle – und genau das ist hier gemeint: der Geist, der von Christus kommt, schafft eine neue Wirklichkeit in uns.
- ζωή (zōē) – „Leben“: Das zentrale Wort für das Ziel göttlichen Handelns. Leben ist nicht nur biologisches Dasein, sondern geistliches Leben im Sinn der Beziehung zu Gott. Zōē ist in Röm 8,6 das Gegenbild zu θάνατος – nicht als moralische Belohnung, sondern als Ausdruck der Wirksamkeit des Geistes, der den Menschen neu belebt. Wer „im Geist denkt“, lebt schon jetzt in der Sphäre des kommenden Lebens.
- εἰρήνη (eirēnē) – „Friede“: Mehr als die Abwesenheit von Streit. Eirēnē bedeutet Ganzsein, Versöhntsein mit Gott, Schalom im alttestamentlichen Sinn: Beziehung, Ruhe, Sicherheit, Segen. Es ist der seelische Zustand, den der Geist in uns bewirkt, wenn wir aus der Feindschaft herausgelöst sind (vgl. Röm 5,1). Der Friede ist hier also Frucht und Folge des Geisteslebens, nicht bloß emotionales Wohlbefinden.
Die nächste Phase widmet sich dem theologischen Kommentar – dort zeigen sich dann die Spannungen, Brüche und Hoffnungen, die diese Begriffe im gesamten Kontext entfalten.
Ein Kommentar zum Text:
Lies dir Römer 8,1–17 einmal langsam durch – nicht wie ein theologisches Gutachten, sondern wie ein geistliches Zeugnis. Und dann bleib bei Vers 6 stehen. Da steht nicht: „Bemühe dich, geistlich gesinnt zu sein“. Da steht: „Die Gesinnung des Fleisches ist Tod, die Gesinnung des Geistes aber Leben und Friede.“ Zwei Wirklichkeiten – keine Zwischenräume.
Der Vers beginnt mit γὰρ (gar) – „denn“. Ein logischer Anschluss. Das heißt: Vers 6 erklärt, was in Vers 5 steht. Dort wird gesagt, dass Menschen nach dem Fleisch oder nach dem Geist leben – und zwar mit einer bestimmten „Gesinnung“. Im Griechischen steht dafür φρόνημα (phronēma) – ein Wort, das im Neuen Testament fast nur in diesem Abschnitt vorkommt. Es meint nicht bloß Denken, sondern eine geistige Verfasstheit – ein innerer Standort, nicht nur eine Meinung. Frank Thielman beschreibt es als eine bewusste Zugehörigkeit: „Wer fleischlich gesinnt ist, stellt sich auf die Seite eines Systems, das Gottes Herrschaft ablehnt“ (Thielman, Romans). Osborne spricht von einer Denkweise, die das ganze Leben prägt – ein Weltbezug, nicht bloß ein Gedanke (Osborne, Romans). Es geht um die geistliche Zugehörigkeit eines Menschen – nicht nur um seine Überzeugungen.
Zwei Systeme stehen sich gegenüber: Fleisch – σάρξ (sarx) – und Geist – πνεῦμα (pneuma). Dabei meint „Fleisch“ nicht den menschlichen Körper, sondern eine Existenzform, in der der Mensch sich selbst genügt und Gott ausklammert. James D. G. Dunn nennt das „eine kosmische Sphäre der Gottferne“ (Dunn, Romans 1–8). Es ist ein autonomer Lebensmodus – selbstbestimmt, selbstzentriert, aber ohne Anbindung an die Quelle des Lebens. Umgekehrt ist der Geist nicht bloß eine „fromme Ader“, sondern der Ort, an dem Gottes neue Welt in einem Menschen Gestalt gewinnt. Für Michael Bird ist πνεῦμα der „Wirklichkeitsraum des neuen Zeitalters“ – der Beweis, dass man zu Christus gehört (Bird, Romans).
Was der Mensch ist, ergibt sich nicht aus seinem moralischen Verhalten, sondern aus der Sphäre, in der er lebt. Deshalb bringt φρόνημα τῆς σαρκὸς – die Gesinnung des Fleisches – nicht einfach irgendwann Tod, sondern ist Tod (θάνατος – thanatos). Der griechische Satz ist nicht hypothetisch: „Die Gesinnung des Fleisches ist Tod.“ Keine Steigerung, keine Entwicklung, sondern Realität. Für Robert Mounce ist dieser Tod „nicht primär biologisch, sondern spirituell – das Leben hat seine Quelle verloren“ (Mounce, Romans). Und Osborne betont, dass dieser Zustand „nicht bloß die Zukunft meint, sondern das gegenwärtige Getrenntsein von Gott“ (Osborne, Romans).
Damit ist nicht einfach gemeint: Wenn du fleischlich denkst, dann wirst du unglücklich. Es geht nicht um seelisches Wohlbefinden. Es geht um die Unfähigkeit, an Gottes Leben teilzuhaben. Das ist Tod im biblischen Sinn – nicht primär Strafe, sondern Entfremdung. Als adventistischer Theologe sehe ich hier den Kern unserer Anthropologie: Der Mensch lebt nicht aus sich selbst. Der Mensch ist geschaffen zur Verbindung. Wenn diese Verbindung fehlt, ist er nicht neutral – sondern leer. Getrennt von Gott zu leben, ist nicht einfach „weniger gut“, sondern Ausdruck einer Welt, die unter der Macht der Sünde steht (vgl. Römer 5,12).
Die Alternative? φρόνημα τοῦ πνεύματος – die Gesinnung des Geistes – ist ζωή (zōē) und εἰρήνη (eirēnē) – Leben und Friede. Auch das ist kein Prozess, sondern ein Status: Leben – nicht weil man besonders geistlich denkt, sondern weil man mit dem Geist lebt. Dunn betont, dass Paulus hier keine ethische Paränese (also keine moralische Ermahnung), sondern eine ontologische Aussage trifft – es geht um Sein, nicht um Sollen (Dunn, Romans 1–8). Und Fesko stellt klar: „Wer geistlich gesinnt ist, lebt bereits in der eschatologischen Wirklichkeit der neuen Schöpfung“ (Fesko, Romans). Es geht hier nicht um Idealzustände, sondern um das, was durch Christus bereits Realität geworden ist (vgl. 2. Korinther 5,17).
Diese Wirklichkeit hat zwei Folgen: Leben – und Frieden. Beide sind im Griechischen Nominative (ζωή… καὶ εἰρήνη), was ihre Betonung verstärkt. Zōē bedeutet im Johannesevangelium das Leben, das nur aus Gott kommt (vgl. Johannes 1,4), Eirēnē meint nicht innere Ruhe, sondern die wiederhergestellte Beziehung zu Gott (vgl. Römer 5,1). Origenes beschreibt diesen Frieden als „Verdrängung der Feindschaft durch Liebe – ein Zustand, den der Geist Gottes in uns wirkt“ (Bray/Oden, Romans). Der Mensch wird nicht friedlich, er wird befriedet.
Gerade deshalb darf dieser Text nicht moralistisch gelesen werden. Römer 8,6 sagt nicht: Sei geistlich, dann wirst du leben. Sondern: Wer im Geist lebt, lebt – weil Gottes Geist in ihm lebt. Das verändert den Menschen nicht von außen nach innen, sondern von innen nach oben. Der Kommentartext berührt hier ein zentrales Thema adventistischer Theologie: Gerechtigkeit durch Glauben ist keine äußere Deklaration, sondern eine innere Neuausrichtung des Menschen durch den Heiligen Geist. In unseren 28 Glaubenspunkten heißt es, dass der Geist Gottes den Gläubigen zu einem Leben in Gerechtigkeit befähigt – nicht als Leistung, sondern als Frucht der Gemeinschaft mit Christus (vgl. Punkt 10: Erfahrung der Erlösung).
Und doch: Die Spannung bleibt. Ist diese Gesinnung etwas, das ich „annehmen“ muss – oder etwas, das mir geschieht? Pelagius, der im Kommentar von Bray/Oden zitiert wird, meint: „Je nachdem, welche Natur dominiert, verliert die andere an Kraft“ – als ob der Mensch sich jederzeit für die richtige Seite entscheiden könne. Aber genau das scheint Paulus zu vermeiden. Er schreibt nicht: Entscheide dich. Er schreibt: So ist es. Es geht hier nicht um Ethik, sondern um Ontologie. Um Sein. Um Herrschaftsverhältnisse. Für Paulus ist der Mensch entweder unter der Macht des Fleisches – oder unter dem Geist.
Und dennoch spricht er in Vers 12–14 davon, dass wir „nicht dem Fleisch verpflichtet sind“. Das heißt: Es gibt eine Mitwirkung, eine Haltung, eine Offenheit. Aber keine Autonomie. Als Theologe, der die Soteriologie – also die Lehre vom Heil – konsequent von Christus her denkt, bleibe ich hier stehen. Ich glaube zwar an das autonome Ich, das sich entscheiden kann, aber besonders an den Gott, der den Menschen ruft, heilt und führt. Der Geist ist Gottes Gabe – und Raum. Er wird empfangen – und er schafft eine neue Wirklichkeit.
Fesko erinnert zu Recht an Hesekiel 36, wo Gott verspricht: „Ich werde meinen Geist in euch legen…“ (vgl. Hesekiel 36,26–27). Das wird in Joel 3 wiederholt – und in Apostelgeschichte 2 erfüllt. Als Adventist glaube ich, dass dieses geistgewirkte Leben bereits Zeichen der kommenden Welt ist – ein Vorgeschmack auf das, was durch die Wiederkunft Christi vollendet wird. Deshalb lesen wir Römer 8,6 nicht nur als Diagnose, sondern als Hoffnung: Leben im Geist ist die Gegenwart des Himmels im Jetzt.
Ich ringe an dieser Stelle. Nicht weil der Text zu schwer wäre – sondern weil er zu klar ist. Paulus bietet kein Zwischending. Kein „Teilweise geistlich“. Kein „Im Prozess“. Und doch kennen wir genau das. Wir fühlen beides. Ist das ein Widerspruch zum Text – oder dessen Tiefendimension? Vielleicht ist das die Spannung, in der Gnade wächst: Ich bin schon befreit – aber ich lebe noch in einem Leib, der schwach ist (vgl. Römer 8,10). Ich bin Kind Gottes – aber ich warte noch auf die Erlösung meines Körpers (vgl. Römer 8,23).
Vielleicht muss man deshalb den Vers so stehen lassen, wie er da steht. Ohne Glättung. Ohne Relativierung. Einfach als das, was er ist: eine Spiegelung geistlicher Zugehörigkeit. Wer lebt, lebt im Geist. Wer im Fleisch lebt, stirbt. Dazwischen ist kein neutraler Raum.
Aber wo genau beginnt dieser Friede, von dem Paulus spricht – und wie erkenne ich, ob er echt ist, oder nur das Resultat einer gut eingerichteten Frömmigkeit?
Zentrale Punkte der Ausarbeitung
- Geistliche Zugehörigkeit ist keine Entscheidung, sondern eine Wirklichkeit.
- Römer 8,6 spricht nicht in Appellen, sondern in Feststellungen: Die Gesinnung des Fleisches ist Tod. Die Gesinnung des Geistes ist Leben und Friede.
- Paulus beschreibt hier keine ethische Steigerung, sondern einen geistlichen Standort. Es geht nicht darum, was ich tue – sondern, wo ich stehe.
- „Fleisch“ und „Geist“ sind nicht Eigenschaften, sondern Sphären.
- σάρξ („Fleisch“) ist nicht mein Körper, sondern eine Existenzform ohne Gott. πνεῦμα („Geist“) ist nicht ein Gefühl, sondern der Wirklichkeitsraum der neuen Schöpfung.
- Der Text trennt hier nicht moralisch zwischen guten und schlechten Menschen – sondern geistlich zwischen Tod und Leben.
- Das Denken des Menschen zeigt, wohin er gehört.
- φρόνημα („Gesinnung“) meint keine Meinung, sondern eine Verfasstheit.
- Wer fleischlich gesinnt ist, denkt aus einer Welt ohne Gott heraus. Wer geistlich gesinnt ist, lebt bereits in Gottes neuer Wirklichkeit – nicht perfekt, aber verbunden.
- Leben und Friede sind keine Belohnung, sondern Früchte des Geistes.
- Leben – ζωή – ist die Verbindung mit Gott, jetzt und ewig. Friede – εἰρήνη – ist nicht Ruhe, sondern wiederhergestellte Beziehung.
- Diese Dinge geschehen nicht durch Anstrengung, sondern durch Zugehörigkeit – sie sind Resultat, nicht Ziel.
- Der Mensch lebt geistlich – oder gar nicht.
- Es gibt keine neutrale Zone zwischen Tod und Leben, zwischen Fleisch und Geist.
- Paulus bietet keine Zwischenlösung an. Wer im Geist lebt, lebt. Wer im Fleisch lebt, lebt getrennt – auch wenn alles „gut läuft“.
Warum ist das wichtig für mich?
- Weil es meine Vorstellungen vom Glauben herausfordert.
- Glaube ist nicht in erster Linie moralisch oder emotional – sondern ontologisch: Es geht um das, was ist.
- Weil es mir hilft, meine innere Unruhe einzuordnen.
- Wenn ich hin- und hergerissen bin zwischen Vertrauen und Kontrolle, dann liegt das vielleicht daran, dass ich versuche, im Geist zu leben – aber aus dem Fleisch heraus zu denken.
- Weil es Hoffnung schenkt, wo ich meine Schwäche spüre.
- Der Text sagt nicht: „Sei besser.“ Er sagt: „Lebe im Geist – und dort bist du sicher.“
- Weil es meine Theologie erdet.
- Ich kann Christus nicht nur als Vorbild denken – ich muss ihn als Quelle meines Lebens empfangen. Ohne ihn: Tod. Mit ihm: Leben.
Der Mehrwert dieser Erkenntnis
- Ich kann meine Frömmigkeit loslassen, wenn sie aus dem Fleisch kommt – und lernen, aus dem Geist zu leben.
- Ich kann Veränderung erwarten, nicht weil ich es schaffe, sondern weil Gottes Geist es in mir wirkt.
- Ich kann die Spannung aushalten, dass ich schon zum Geist gehöre – auch wenn mein Körper und meine Gedanken manchmal noch anders ticken.
- Ich kann Vertrauen üben, dass Gottes Friede nicht ein Gefühl, sondern eine Realität ist – auch mitten im Chaos.
Kurz gesagt: Römer 8,6 zeigt mir nicht, wie ich besser lebe – sondern, wo das Leben wirklich beginnt.
