Einleitender Impuls:
Kennst du das Gefühl, wenn du plötzlich merkst, dass du komplett vom Kurs abgekommen bist? Vielleicht wolltest du nur kurz durch Social Media scrollen und findest dich zwei Stunden später bei einem Video über, sagen wir mal, seltene Pilzarten wieder. Oder du hattest einen klaren Plan für den Tag und landest irgendwo zwischen „Wo bin ich?“ und „Wie ist das passiert?“. Genau dieses „Verlaufen“ passiert uns nicht nur online, sondern auch in unserem Alltag – in Beziehungen, Entscheidungen und manchmal sogar im Glauben.
Jesus erzählt in Matthäus 18,12 von einem Hirten, der ein Schaf verliert. Statt zu sagen: „Na ja, eins weniger, ich habe ja noch 99“, macht er das, was jeder vernünftige Hirte vermutlich nicht tun würde: Er lässt die 99 zurück und sucht das eine. Verrückt? Vielleicht. Aber genau das zeigt, wie Gott rechnet. Er sieht dich, wenn du verloren bist – und er bleibt nicht auf Distanz. Er macht sich auf den Weg, ohne zu zögern, weil du für ihn nicht nur irgendeins bist. Du bist das Schaf.
Also, was heißt das für uns? Vielleicht ist heute der Moment, innezuhalten und dich zu fragen: Wo in meinem Leben bin ich ein bisschen abgedriftet? Oder: Gibt es jemanden, den ich suchen und wieder in die Gemeinschaft bringen sollte? Lass dich von dieser Geschichte motivieren, mutige Schritte zu gehen – für dich selbst oder für andere. Und wenn du dich selbst dabei ertappst, dass du komplett vom Weg abgekommen bist, dann lass die Schuldgefühle weg. Stattdessen könntest du innehalten und sagen: „Danke, Vater, dass du mich gefunden hast.“ Das Gleiche gilt für Menschen, die vielleicht abgedriftet sind. Wie oft sind wir schnell dabei, Vorwürfe zu machen, statt sie mit Liebe zurückzubringen. Schuldzuweisungen lösen selten etwas – aber Dankbarkeit für Gottes Liebe und die Bereitschaft, sie weiterzugeben, können der erste Schritt sein, verlorene Wege in neue Anfänge zu verwandeln.
Fragen zur Vertiefung oder für Gruppengespräche:
- Wann hast du dich das letzte Mal gefühlt, als wärst du „abgedriftet“ – und wie hat Gott dich wieder gefunden?
- Gibt es Menschen in deinem Leben, die sich von dir oder der Gemeinschaft entfernt haben? Was könntest du tun, um Brücken zu bauen?
- Wie verändert es dein Denken, wenn du verstehst, dass Gott dir nachgeht, auch wenn du dich selbst für unwichtig hältst?
Parallele Bibeltexte als Slogans:
Lukas 15:7 — „Freude im Himmel über jeden Sünder, der umkehrt“
Hesekiel 34:11 — „Ich werde meine Schafe suchen und mich um sie kümmern“
Johannes 10:11 — „Der gute Hirte gibt sein Leben für die Schafe“
Psalm 23:1 — „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts fehlen“
Wenn du wissen willst, warum Gottes Liebe nicht logisch, sondern bedingungslos ist, und wie sie dein Leben in den Momenten verändert, in denen du es am meisten brauchst, dann nimm dir 20 Minuten Zeit und lies weiter. Entdecke, wie diese Botschaft nicht nur tröstet, sondern auch neue Perspektiven für deinen Alltag schafft – und lass dich inspirieren!
Die Informationen für den Impuls hole ich mir meistens aus BibleHub.com damit auch du es nachschlagen kannst.
Schön, dass wir uns die Zeit nehmen, um gemeinsam auf die Worte Jesu zu hören. Bevor wir tief eintauchen, lass uns kurz innehalten und uns im Gebet sammeln:
Lieber Vater, danke, dass Du uns so siehst, wie wir sind – manchmal ein bisschen verloren, manchmal mitten im Chaos, aber immer geliebt. Du erinnerst uns daran, dass niemand für Dich zu klein oder zu unwichtig ist. Öffne unsere Herzen, während wir über Deine Worte nachdenken, und hilf uns, das zu erkennen, was Du uns heute zeigen möchtest.
In Jesu Namen beten wir,
Amen.
Der Text:
Zunächst werfen wir einen Blick auf den Text in verschiedenen Bibelübersetzungen. Dadurch gewinnen wir ein tieferes Verständnis und können die unterschiedlichen Nuancen des Textes in den jeweiligen Übersetzungen oder Übertragungen besser erfassen. Dazu vergleichen wir die Elberfelder 2006 (ELB 2006), Schlachter 2000 (SLT), Luther 2017 (LU17), Basis Bibel (BB) und die Hoffnung für alle 2015 (Hfa).
Matthäus 18,12
ELB 2006 Was meint ihr? Wenn ein Mensch hundert Schafe hätte und eins von ihnen sich verirrte, lässt er nicht die neunundneunzig auf den Bergen und geht hin und sucht das irrende?
SLT Was meint ihr? Wenn ein Mensch hundert Schafe hat, und es verirrt sich eines von ihnen, lässt er nicht die neunundneunzig auf den Bergen, geht hin und sucht das verirrte?
LU17 Was meint ihr? Wenn ein Mensch hundert Schafe hätte und eins unter ihnen sich verirrte: lässt er nicht die neunundneunzig auf den Bergen, geht hin und sucht das verirrte?
BB Was meint ihr: Ein Mann besitzt hundert Schafe, aber eines davon verläuft sich. Wird er dann nicht die neunundneunzig Schafe im Bergland zurücklassen? Wird er nicht losgehen, um das verirrte Schaf zu suchen?
HfA Was meint ihr: Wenn ein Mann hundert Schafe hat und sich eins davon verläuft, was wird er tun? Lässt er nicht die neunundneunzig auf ihrer Weide in den Bergen zurück, um das verirrte Schaf zu suchen?
Der Kontext:
In diesem Abschnitt geht es darum, die grundlegenden Fragen – das „Wer“, „Wo“, „Was“, „Wann“ und „Warum“ – zu klären. Das Ziel ist es, ein besseres Bild von der Welt und den Umständen zu zeichnen, in denen dieser Vers verfasst wurde. So bekommen wir ein tieferes Verständnis für die Botschaft, bevor wir uns den Details widmen.
Kurzgesagt… Jesus erzählt im Matthäusevangelium eine Geschichte, die uns aufhorchen lässt. Es geht um ein verlorenes Schaf, einen Hirten und die verrückte Idee, dass ein einzelnes Schaf mehr wert sein könnte als der Rest der ganzen Herde. Klingt paradox? Genau das ist der Punkt.
Previously on… Wir befinden uns mitten in einem Gespräch zwischen Jesus und seinen Jüngern. Die Jungs hatten gerade eine Frage auf dem Herzen, die vielleicht ein bisschen kindisch klingt: „Wer ist der Größte im Himmelreich?“ Classic. Jesus, wie immer ein Meister darin, Erwartungen zu durchbrechen, stellt ein Kind in die Mitte und erklärt, dass wahre Größe in der Demut liegt. Und nicht nur das – er macht klar, dass die Schwächsten, die Kleinen, die scheinbar Unbedeutenden, im Reich Gottes einen Ehrenplatz haben. Dieses Setting führt uns direkt in das Gleichnis vom verlorenen Schaf. Es ist eine Geschichte, die aufzeigt, wie radikal anders Gottes Perspektive auf Wert und Bedeutung ist.
Der geistig-religiöse Kontext? Die Jünger lebten in einer Kultur, in der Status, Ehre und Position eine große Rolle spielten. Wer am meisten Einfluss hatte, wer vorne mitspielte, der hatte gewonnen – zumindest in den Augen der Menschen. Aber hier kommt Jesus mit einer Botschaft, die den damaligen Denkweisen komplett entgegenlief: Bei Gott zählen nicht die Erfolgreichen, sondern die, die sich ihrer Schwäche bewusst sind. Und das verlorene Schaf? Es ist ein Sinnbild für all jene, die sich abgehängt fühlen, die irgendwo gestrandet sind oder sich innerlich verloren haben. Der Hirte, der sie sucht, zeigt ein Herz, das überfließt vor Barmherzigkeit und Liebe – selbst dann, wenn die Suche alles andere in den Schatten stellt.
Das Spannende? Diese Geschichte fordert heraus. Sie stellt die Frage, ob wir bereit sind, uns auf Gottes Sichtweise einzulassen, eine Perspektive, die den Wert eines Einzelnen über die Sicherheit der Masse stellt. Und ja, das hatte damals sicher auch für Stirnrunzeln gesorgt. Denn mal ehrlich, wer lässt freiwillig 99 Schafe stehen, um einem hinterherzujagen, das sich verirrt hat? Aber genau darum geht’s: Gottes Liebe ist nicht logisch. Sie ist überfließend, überraschend und absolut persönlich.
Und jetzt, wo wir den Kontext kennen, lass uns ins Detail gehen. Die Schlüsselwörter. Schaf, Hirte, Suche. Was bedeutet das alles wirklich? Lass uns gemeinsam herausfinden, wie tief diese Geschichte geht. Bereit?
Die Schlüsselwörter:
In diesem Abschnitt wollen wir uns genauer mit den Schlüsselwörtern aus dem Text befassen. Diese Worte tragen tiefere Bedeutungen, die oft in der Übersetzung verloren gehen oder nicht auf den ersten Blick ersichtlich sind. Wir werden die wichtigsten Begriffe aus dem ursprünglichen Text herausnehmen und ihre Bedeutung näher betrachten. Dabei schauen wir nicht nur auf die wörtliche Übersetzung, sondern auch darauf, was sie für das Leben und den Glauben bedeuten. Das hilft uns, die Tiefe und Kraft dieses Verses besser zu verstehen und ihn auf eine neue Weise zu erleben.
Matthäus 18,12 Ursprünglicher Text (Nestle-Aland, 28. Auflage):
Τί ὑμῖν δοκεῖ; ἐὰν γένηταί τινι ἀνθρώπῳ ἑκατὸν πρόβατα καὶ πλανηθῇ ἓν ἐξ αὐτῶν, οὐχὶ ἀφήσει τὰ ἐνενήκοντα ἐννέα ἐπὶ τὰ ὄρη καὶ πορευθεὶς ζητεῖ τὸ πλανώμενον;
Übersetzung Matthäus 18,12 (Elberfelder 2006):
„Was meint ihr? Wenn ein Mensch hundert Schafe hätte und eins von ihnen sich verirrte, lässt er nicht die neunundneunzig auf den Bergen und geht hin und sucht das irrende?“
Semantisch-pragmatische Kommentierung der Schlüsselwörter
- δοκεῖ (dokei) „Was meint ihr?“: Dieses Wort packt dich sofort. Es fordert nicht nur deine Aufmerksamkeit, sondern deine Meinung – eine rhetorische Einladung, aktiv über die folgende Geschichte nachzudenken. „Dokei“ steht hier im Präsens und signalisiert, dass es um ein lebendiges, aktuelles Nachdenken geht. Jesus fragt nicht aus Neugier, sondern um die Jünger zum Nachdenken zu bringen. Was meinst du? Genau das ist der Punkt.
- γένηταί (genētai) „Wenn ein Mensch hätte…“: Das Verb „ginomai“ hat Tiefe. Es spricht von Werden, Entstehen und sogar von einem Besitz, der fast beiläufig erscheint, aber gewaltig ist. Hier deutet es auf eine hypothetische Situation hin – aber eine, die universelle Wahrheit in sich trägt. Es geht nicht nur um ein Hirtenproblem, sondern um das Wesen von Verantwortung.
- ἀνθρώπῳ (anthrōpō) „Ein Mensch“: Ein einfaches Wort, oder? Aber dieses „Mensch“ ist mehr als ein Substantiv. Es ist die Verallgemeinerung schlechthin – jeder Mensch, vielleicht auch du. Jesus spricht hier zu Menschen über Menschen und bindet damit alle Hörer in die Geschichte ein. Niemand kann sich drücken.
- ἑκατὸν (hekaton) „Hundert“: Hundert ist eine volle Zahl, symbolisch für Fülle, Ganzheit und Vollständigkeit. Es sind nicht nur viele Schafe – es ist die gesamte Herde. Die Zahl „100“ impliziert, dass jedes Schaf Teil des großen Ganzen ist. Verlierst du eins, verlierst du nicht „nur“ ein Prozent. Du verlierst ein Stück der Vollständigkeit.
- πρόβατα (probata) „Schafe“: Schafe stehen hier für mehr als nur Tiere. Sie sind Symbol für Zerbrechlichkeit, Abhängigkeit und das Bedürfnis nach Führung. Das griechische „probaton“ verweist auf ein Tier, das leicht verirrbar ist – fast wie ein wandernder Gedanke, der immer wieder zurückgeholt werden muss.
- πλανηθῇ (planēthē) „sich verirren“: Dieses Wort ist ein echter Gamechanger. „Planēthē“ bedeutet nicht nur sich verirren, sondern auch betrogen, verwirrt oder getäuscht werden. Es beschreibt einen Zustand des Verlorenseins, der selten aus Absicht geschieht. Es wirft die Frage auf: Warum verirren wir uns eigentlich? Und wer hat die Schuld daran?
- ἓν (hen) „Eins“: Das „Eins“ ist der Star der Geschichte. Es hebt die Bedeutung des Einzelnen hervor und drückt gleichzeitig aus, wie Gott rechnet: nicht in Mengen, sondern in Herzen. Ein verlorenes Schaf hat denselben Wert wie die gesamte Herde – und das ist göttliche Mathematik.
- ἀφήσει (aphēsei) „Lässt er nicht…?“: Dieses Verb im Futur gibt der Geschichte Tempo. Es beschreibt eine aktive Entscheidung: die 99 zurückzulassen, um sich auf die Suche nach dem einen zu machen. Hier steckt das Herz des Hirten – ein Risiko einzugehen für die Liebe zum Einzelnen.
- ἐνενήκοντα (enenēkonta) und ἐννέα (ennea) „Neunundneunzig“: Diese Zahl betont die Masse und die Sicherheit. Doch die 99 sind hier fast nebensächlich. Sie stehen in krassem Kontrast zur Bedeutung des Einen und lassen uns fragen: Wäre ich bereit, das Bekannte und Bequeme zu verlassen, um jemanden zu retten?
- ὄρη (orē) „Berge“: Der Ort, wo die 99 zurückgelassen werden, ist nicht zufällig. Berge stehen in der Bibel oft für Orte der Begegnung mit Gott. Hier ist die Herde sicher – doch es zeigt auch die Spannung: Der Hirte verlässt den heiligen Ort, um dorthin zu gehen, wo Chaos herrscht.
- πορευθεὶς (poreutheis) „Geht hin“: Dieses Partizip zeigt die Entschlossenheit des Hirten. Es ist nicht nur ein Gehen, sondern ein bewusstes Aufbrechen – ein Weg, der mit Risiko und Aufwand verbunden ist. Es unterstreicht, wie weit Gottes Liebe geht.
- ζητεῖ (zētei) „Sucht“: Dieses Verb im Präsens zeigt die fortwährende Aktion. Die Suche ist nicht einmalig, sondern anhaltend, geduldig, beharrlich. Es beschreibt Gottes Herz: niemals aufzugeben, immer weiterzugehen.
- πλανώμενον (planōmenon) „Das Irrende“: Noch einmal taucht die Verirrung auf, diesmal als Beschreibung des Schafes. Es steht hier für all jene, die ohne Richtung durchs Leben treiben, getäuscht oder verirrt. Der Hirte macht es zu seiner Mission, sie zurückzubringen.
Und jetzt? Die Schlüsselwörter erzählen eine Geschichte von Verlust und Liebe, von Risiko und Rettung. Doch was bedeutet das praktisch – für uns, für dich? Lass uns diesen roten Faden weiterziehen und herausfinden, was das Gleichnis für unser Leben bedeutet.
Ein Kommentar zum Text:
Theologische Kommentierung zu Matthäus 18,12:
Was wir hier vor uns haben, ist nicht einfach nur eine nette kleine Geschichte über Schafe und Hirten – es ist eine Mini-Revolution in Gleichnisform. Jesus packt hier das Bild eines Hirten, etwas Vertrautes und Alltägliches für seine Zuhörer, und dreht es so, dass man am Ende mit mehr Fragen als Antworten dasteht. Aber das ist ja genau sein Stil: uns in die Tiefe zu ziehen, in der die wirklichen Antworten liegen.
Los geht’s mit der Frage: „Was meint ihr?“ (Τί ὑμῖν δοκεῖ; – ti hymin dokei). Dieser Einstieg ist keine rhetorische Floskel, sondern eine Einladung. Jesus sagt quasi: „Denk selbst nach. Lass mich nicht für dich denken.“ Das Verb „δοκέω“ (dokeō) bedeutet nicht nur „meinen“ oder „denken“, sondern auch „scheinen“ oder „sich etwas vorstellen“. Hier fordert Jesus dich auf, die Szene vor deinem inneren Auge zu sehen. Er will, dass du dich in die Geschichte hineinfühlst – nicht als Zuschauer, sondern als Teilnehmer.
Jetzt kommt der Hirte ins Spiel. Er hat hundert Schafe (ἑκατὸν πρόβατα – hekaton probata). Hundert klingt nach einer perfekten Herde, einer vollständigen Zahl. Doch die Perfektion wird sofort gebrochen: Eins geht verloren (πλανηθῇ – planēthē). Dieses Verb, „planaō“, beschreibt nicht nur ein Verlorensein, sondern auch ein Irreführen oder Täuschen. Es gibt also einen Hinweis darauf, dass das Schaf nicht einfach naiv vom Weg abgekommen ist – da könnten äußere Umstände oder sogar feindliche Einflüsse am Werk gewesen sein. Spannend, oder? Es ist nicht immer klar, ob wir uns selbst verirren oder ob wir auf Abwege geführt werden. Jesus bleibt hier bewusst offen, aber das Ziel ist klar: Der Hirte geht suchen.
Und jetzt die Frage, die alle aufhorchen lässt: Lässt er nicht die neunundneunzig zurück? Ja, genau – das tut er. Hier wird es spannend, denn nach menschlicher Logik ist das ein riskanter Move. Neunundneunzig Schafe auf den Bergen (ἐπὶ τὰ ὄρη – epi ta orē), ohne direkten Schutz? Das klingt nicht wie ein kluger Plan. Aber hier liegt der Kern der göttlichen Perspektive: Bei Gott ist jedes Einzelne unendlich wertvoll. Das „Eins“ (ἓν – hen) ist nicht nur eine Zahl, sondern ein Symbol für das Individuum, für dich und mich. Es zeigt, wie Gottes Liebe funktioniert – sie ist nicht effizient, sie ist verschwenderisch. Sie rechnet nicht wie ein Wirtschaftsberater, sondern wie ein liebender Vater.
Der Hirte geht suchen (ζητεῖ – zētei). Das Präsens des Verbs zeigt eine kontinuierliche Handlung. Er gibt nicht auf. Es ist kein einmaliger Versuch nach dem Motto: „Ach, ich hab’s probiert.“ Diese Suche ist intensiv, geduldig, zielgerichtet. Und jetzt stell dir das mal vor: Gott sucht dich genauso. Er ist der Hirte, der alles andere stehen und liegen lässt, um dich zurückzuholen. Das ist radikal. Es ist unbequem. Und es ist wunderschön.
Die Berge, auf denen die restlichen Schafe zurückgelassen werden, sind übrigens nicht zufällig gewählt. In der Bibel sind Berge oft Orte der Nähe zu Gott, des Schutzes und der Perspektive. Die neunundneunzig sind sicher – nicht, weil sie weniger wichtig wären, sondern weil der Fokus jetzt auf dem Verlorenen liegt. Hier steckt eine leise Ermutigung für uns alle: Wenn du gerade nicht „das verlorene Schaf“ bist, sei nicht neidisch. Sei dankbar, dass du in Sicherheit bist, während Gott andere sucht.
Doch hier kommt eine mögliche Spannung: Könnte man das Gleichnis so verstehen, dass Gott die Gemeinschaft für das Individuum riskiert? Manche könnten sich daran stoßen. Aber genau das ist der Punkt: Die Liebe Gottes ist nicht aufteilbar. Sie geht nicht zulasten der einen Gruppe, um die andere zu retten. Sie ist unendlich. Und ja, das widerspricht unserer menschlichen Logik. Aber Gottes Reich funktioniert eben nicht nach unseren Maßstäben.
Am Ende bleibt die Frage offen: Was passiert, wenn das Schaf gefunden wird? Wie reagieren die neunundneunzig? Das Gleichnis hält sich hier bewusst zurück, lässt aber Raum für Reflexion. Vielleicht ist genau das die Herausforderung für uns: nicht nur über Gottes Liebe zu staunen, sondern uns zu fragen, ob wir bereit sind, Teil dieser Suche zu sein. Würden wir losziehen? Würden wir jemanden zurückholen, der sich verirrt hat? Oder sind wir zu sehr damit beschäftigt, die Sicherheit der eigenen Herde zu bewahren?
Jetzt hast du die theologischen Werkzeuge, um den nächsten Schritt zu machen: Wie kann diese Geschichte in deinem Leben praktisch werden? Lass uns in der SPACE-Anwendung schauen, wie du Gottes Liebe ganz konkret in deinen Alltag bringen kannst. Bereit? Let’s go!
Die SPACE-Anwendung*
Die SPACE-Anwendung ist eine Methode, um biblische Texte praktisch auf das tägliche Leben anzuwenden. Sie besteht aus fünf Schritten, die jeweils durch die Anfangsbuchstaben von „SPACE“ repräsentiert werden:
S – Sünde (Sin)
Okay, lass uns mal ehrlich sein: Wenn wir uns selbst in diesem Text sehen, sind wir ziemlich oft das Schaf. Verloren, zerstreut, irgendwie abgedriftet. Der Text deutet eine Verfehlung an, die gar nicht so spektakulär klingt, aber extrem tiefgreifend ist: das Verlassen der Herde. Dieses „Planēthē“ (sich verirren) passiert nicht immer bewusst, sondern kann einfach durch Unachtsamkeit geschehen – zu beschäftigt, zu abgelenkt, zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt. Die Sünde, die hier mitschwingt, ist die Trennung von der Gemeinschaft, sei es mit Gott oder mit anderen Menschen. Und wenn wir ehrlich sind, wirkt sich das ziemlich mies aus: Isolation, Orientierungslosigkeit, ein Gefühl von „allein gegen die Welt“. Es wäre gut, wenn wir uns fragen: Wo in meinem Leben bin ich vielleicht schon ein Stück von der Herde abgedriftet? Und was hält mich davon ab, mich wieder führen zu lassen?
P – Verheißung (Promise)
Und hier kommt der Trost: Gott sucht uns. Immer. Ohne Pause. Das ist keine halbgare Hoffnung, sondern eine echte Zusage. Jesus zeigt uns in diesem Gleichnis, dass der Hirte nicht zögert. Selbst wenn du dich in die entferntesten Winkel verirrt hast, gibt es keinen Ort, den Gott nicht erreichen kann. Diese Verheißung findest du auch in Hesekiel 34,11-12: „Siehe, ich will selbst nach meinen Schafen suchen und mich ihrer annehmen.“ Das Bild ist immer dasselbe: Gottes Liebe bleibt nicht auf Distanz. Sie ist aktiv, sie geht dir nach, selbst wenn du dich selbst aufgegeben hast. Die Frage ist: Traust du dieser Verheißung? Und kannst du dich darauf einlassen, dass Gott vielleicht schon längst nach dir sucht?
A – Aktion (Action)
Was bedeutet das für uns praktisch? Der Text ruft uns nicht dazu auf, perfekt zu sein oder nie wieder Fehler zu machen. Stattdessen lädt er uns ein, ehrlich zu reflektieren, wo wir gerade stehen. Es wäre gut, wenn du dir Zeit nimmst, darüber nachzudenken, wo in deinem Leben du dich von der „Herde“ entfernt hast – von Gottes Nähe, von Gemeinschaft mit anderen, von deinem eigentlichen Ziel. Vielleicht geht es darum, alte Muster zu durchbrechen oder bewusst nach einer „Rückkehr“ zu suchen.
Aber es geht noch tiefer: Der Hirte sucht, das heißt, er handelt. Und wenn wir diesen Hirten nachahmen wollen, dann sollten wir uns fragen, wer in unserem Umfeld „verloren“ ist. Gibt es Menschen, die in deinem Leben abgedriftet sind und die einfach jemanden brauchen, der sich auf den Weg macht, um sie zu suchen? Es geht nicht darum, sie zu retten – das macht Gott. Aber es wäre gut, wenn wir offen sind, um Brücken zu bauen, anstatt Mauern. Der Weg des Hirten ist ein Weg der Hingabe, und das könnte auch unser Weg sein.
C – Appell (Command)
Wenn es hier eine Aufforderung gibt, dann diese: „Sei wie der Hirte.“ Der Text sagt uns indirekt, dass wir Gottes Liebe nicht nur empfangen, sondern auch weitergeben sollten. Das bedeutet, aktiv auf die zuzugehen, die verloren sind – ob geistlich, emotional oder sozial. Es wäre gut, wenn wir lernen, unseren Komfort zu verlassen, um andere zu suchen. Genau wie der Hirte die neunundneunzig zurücklässt, könnten wir Prioritäten hinterfragen: Was ist mir wichtiger – meine Bequemlichkeit oder der Mensch, der gerade Orientierung braucht?
E – Beispiel (Example)
Das Gleichnis selbst gibt uns ein kraftvolles Beispiel, aber lass uns noch zwei weitere biblische Situationen anschauen. In Lukas 15,8-10 erzählt Jesus von der Frau, die ihre verlorene Münze sucht. Sie gibt nicht auf, bis sie sie findet, und feiert dann überschwänglich. Ein anderes Beispiel ist die Begegnung von Jesus mit Zachäus in Lukas 19,1-10. Zachäus war sozusagen das verlorene Schaf – isoliert, von den Menschen verachtet, aber Jesus ging ihm nach und holte ihn zurück. Beide Geschichten zeigen, wie Gott den Einzelnen sucht, und sie fordern uns heraus, dieselbe Haltung einzunehmen.
Jetzt haben wir gesehen, wie lebendig dieser Text ist. Doch wie können wir ihn ganz persönlich machen? Was bedeutet es für dich, entweder das verlorene Schaf oder der suchende Hirte zu sein? Lass uns diesen Gedanken weiterziehen und tiefer in die persönliche Identifikation eintauchen – bereit?
Persönliche Identifikation mit dem Text:
In diesem Schritt stelle ich mir sogenannte „W“ Fragen: „Was möchte der Text mir sagen?“ in der suche nach der Hauptbotschaft. Dann überlege ich, „Was sagt der Text nicht?“ um Missverständnisse zu vermeiden. Ich reflektiere, „Warum ist dieser Text für mich wichtig?“ um seine Relevanz für mein Leben zu erkennen. Anschließend frage ich mich, „Wie kann ich den Text in meinem Alltag umsetzen/anwenden?“ um praktische Anwendungsmöglichkeiten zu finden. Weiterhin denke ich darüber nach, „Wie wirkt sich der Text auf meinen Glauben aus?“ um zu sehen, wie er meinen Glauben stärkt oder herausfordert. Schließlich frage ich, „Welche Schlussfolgerungen kann ich für mich aus dem Gesagten ziehen?“ um konkrete Handlungen und Einstellungen abzuleiten.
Weißt du, was mich an diesem Text so krass herausfordert? Es ist nicht nur die Tatsache, dass der Hirte alles stehen und liegen lässt, um einem einzigen Schaf nachzugehen. Es ist die Frage, ob ich mir selbst oder anderen diese Art von radikaler Aufmerksamkeit schenken könnte. Und ehrlich gesagt, da wird’s schnell ungemütlich. Ich meine, wir leben doch in einer Welt, in der Effizienz und Ergebnisorientierung hoch im Kurs stehen. Ein verlorenes Schaf? Tja, Pech gehabt, oder? Hauptsache, der Rest läuft. Und genau das ist der Moment, in dem dieser Text anfängt, mich aus meiner Komfortzone zu zerren.
Da ist dieser Hirte, der die Sicherheit der neunundneunzig riskiert, um einem einzigen nachzugehen, das sich verirrt hat. Und hier frage ich mich: Habe ich diese Art von Mut? Oder bin ich doch viel zu oft in meiner eigenen Welt gefangen, in der ich die Mehrheit absichere, während ich den Einzelnen aus den Augen verliere? Es wäre gut, wenn ich öfter mal innehalte und mich frage: „Wo renne ich der Masse hinterher, obwohl ich mich auf das Einzelne konzentrieren sollte?“
Und dann das Schaf. Oh Mann, wie oft bin ich selbst dieses Schaf. Nicht absichtlich, nicht rebellisch, einfach… weggetrieben. Die To-do-Liste wird länger, die Tage stressiger, und zack, habe ich den Kontakt verloren – zu Gott, zu Menschen, manchmal sogar zu mir selbst. Es fühlt sich dann an wie ein ewiges Umherirren, immer mit dem Versuch, irgendwo anzukommen, aber nie wirklich da zu sein. Aber weißt du, was mich in diesem Text tröstet? Das Schaf muss nicht zurücklaufen. Der Hirte kommt. Und das bedeutet für mich, dass es okay ist, schwach zu sein. Es wäre gut, wenn ich mir das öfter eingestehe, statt zu versuchen, immer alles alleine hinzukriegen.
Und jetzt mal ehrlich: Wie oft sind wir nicht nur für uns selbst hart, sondern auch für andere? Da gibt’s jemanden, der offensichtlich abgedriftet ist – vielleicht ein Freund, der sich zurückzieht, eine Kollegin, die Fehler macht, oder ein Familienmitglied, das scheinbar alles falsch anpackt. Und was machen wir? Statt hinzusehen, statt zu suchen, statt Verständnis zu zeigen, sind wir oft schnell mit Schuldzuweisungen dabei: „Tja, hättest du mal…“ Aber das bringt niemanden zurück. Nie. Der Text zeigt so deutlich, dass es die Liebe und die Suche des Hirten sind, die das Schaf nach Hause bringen – nicht ein erhobener Zeigefinger. Es wäre gut, wenn wir uns daran erinnern: Vorwürfe sind selten (eigentlich nie) der Weg zur Veränderung. Liebe ist es.
Und jetzt kommt der unangenehme Teil: Was ist mit den neunundneunzig? Ehrlich gesagt, fühle ich mich oft mehr wie eines von ihnen. Sicher in der Herde, unauffällig, „brav“. Und manchmal nagt da die Frage: Warum kriegt das „verlorene Schaf“ so viel Aufmerksamkeit? Wo bleibt mein Applaus für all die Dinge, die ich nicht verbockt habe? Und genau hier entlarvt der Text meinen eigenen Stolz. Er zeigt mir, dass Gottes Liebe nicht nach menschlicher Logik funktioniert. Es wäre gut, wenn ich diese Liebe nicht nur akzeptiere, sondern auch anderen zugestehe – gerade denen, die nach meiner eigenen Logik „selber schuld“ sind.
Vielleicht ist das der Schlüssel – sowohl für uns als auch für andere. Wenn wir aus Dankbarkeit für die Liebe, die wir selbst erfahren haben, handeln, dann verändert das alles. Es wird weniger um „wer hat schuld?“ gehen und mehr darum, wie wir jemanden zurückholen können. Und wenn wir selbst verloren waren, dann dürfen wir diese Dankbarkeit aussprechen, statt uns in Schuldgefühlen zu verlieren. Das ist eine Freiheit, die der Hirte schenkt – für mich, für dich, für uns alle.
Was mich auch begeistert: Der Hirte geht nicht nur suchen, er findet. Das ist keine vage Hoffnung, das ist eine Zusage. Und ich frage mich: Was wäre, wenn ich mit derselben Überzeugung in meine Beziehungen gehe? Wenn ich nicht nur suche, sondern erwarte, zu finden – Lösungen, Versöhnung, Nähe? Es wäre gut, wenn ich mit mehr Vertrauen und weniger Zynismus durchs Leben gehe.
Am Ende fordert mich der Text dazu auf, Liebe aktiv werden zu lassen. Und ey, das ist nicht immer easy. Es kostet Zeit, Energie, und manchmal fühlt es sich an, als würde man nichts zurückbekommen. Aber was dieser Hirte zeigt, ist radikal: Es lohnt sich. Denn in Gottes Augen ist kein Mensch, keine Beziehung und kein Moment unwichtig. Und weißt du was? Es wäre gut, wenn wir genau das öfter mal glauben würden – und danach handeln. Einfach innehalten, die eigenen Schuldgefühle loslassen und sagen: „Danke, Vater, dass du mich gefunden hast.“ Und genau so auch anderen begegnen: nicht mit Vorwürfen, sondern mit einer Liebe, die den Weg zurück zeigt. Bist du dabei?
*Die SPACE-Analyse im Detail:
Sünde (Sin): In diesem Schritt überlegst du, ob der Bibeltext eine spezifische Sünde aufzeigt, vor der du dich hüten solltest. Es geht darum, persönliche Fehler oder falsche Verhaltensweisen zu erkennen, die der Text anspricht. Sprich, Sünde, wird hier als Verfehlung gegenüber den „Lebens fördernden Standards“ definiert.
Verheißung (Promise): Hier suchst du nach Verheißungen in dem Text. Das können Zusagen Gottes sein, die dir Mut, Hoffnung oder Trost geben. Diese Verheißungen sind Erinnerungen an Gottes Charakter und seine treue Fürsorge.
Aktion (Action): Dieser Teil betrachtet, welche Handlungen oder Verhaltensänderungen der Text vorschlägt. Es geht um konkrete Schritte, die du unternehmen kannst, um deinen Glauben in die Tat umzusetzen.
Appell (Command): Hier identifizierst du, ob es in dem Text ein direktes Gebot oder eine Aufforderung gibt, die Gott an seine Leser richtet. Dieser Schritt hilft dir, Gottes Willen für dein Leben besser zu verstehen.
Beispiel (Example): Schließlich suchst du nach Beispielen im Text, die du nachahmen (oder manchmal auch vermeiden) solltest. Das können Handlungen oder Charaktereigenschaften von Personen in der Bibel sein, die als Vorbild dienen.
Diese Methode hilft dabei, die Bibel nicht nur als historisches oder spirituelles Dokument zu lesen, sondern sie auch praktisch und persönlich anzuwenden. Sie dient dazu, das Wort Gottes lebendig und relevant im Alltag zu machen.
