Fettgedrucktes für schnell Leser…
Einleitender Impuls:
Vielleicht hast du diesen Vers schon oft gehört – mit dem Gefühl: Jetzt muss ich raus. Reden. Verkünden. Gott bezeugen. Und ja, vielleicht ist da ein Ruf. Aber bevor du gehst, hör bitte kurz zu. Nicht mit dem Kopf. Mit dem Herzen. Bevor du sprichst, darfst du hören. Und zwar das, was Gott dir sagt. Nicht, was du für andere sagen sollst. Sondern was er dir sagt: „Ich sehe dich. Ich kenne deinen Weg. Und ich gebe dir deine Würde zurück.“
Ich erinnere mich an diesen einen Moment. Eine junge Frau, am Bahnhof, draußen im Novemberlicht. Rau, müde, voller Schweigen. Sie streckte mir ihre Hand hin – und ich merkte: Sie bittet nicht nur um Geld. Sie bittet darum, gesehen zu werden. Also nahm ich ihre Hand und sagte ihr: „Ich will dir etwas zurückgeben. Deine Würde. Du bist wunderbar gemacht – auch wenn du’s gerade nicht mehr glaubst.“ Und während ich das sagte, merkte ich, wie sehr ich selbst diese Worte hören musste. Nicht als Pastor. Nicht als Sprecher. Sondern als Mensch. Denn Gnade funktioniert nicht wie ein Werkzeugkasten, aus dem man bei Bedarf etwas rausholt. Sie beginnt immer mit Empfang. Mit Hören. Mit Annehmen. Und erst dann – wenn der Moment reif ist – wird sie zur Stimme.
Ich sage dir das, weil ich glaube, dass wir oft gar nicht merken, wo und wie wir unsere Würde verlieren. Manchmal in Gesprächen, in denen wir klein gemacht wurden. In Momenten, wo wir zu lange still waren, obwohl unser Herz geschrien hat. In all den vergessenen Tagen, an denen wir funktionieren mussten, statt zu leben. Und irgendwann verlernt man es: zu glauben, dass man noch etwas sagen darf. Dass man noch gehört wird. Dass man überhaupt noch gemeint ist.
Und vielleicht musst du heute gar nichts sagen. Vielleicht darfst du einfach nur hören. Die Worte, die für dich bestimmt sind. Die dich wieder aufrichten. Die dich nicht benutzen, sondern lieben. Und vielleicht wird morgen ein Tag sein, an dem du sprichst. Vielleicht auch erst übermorgen. Oder irgendwann. Aber heute? Spreche ich dir diese Würde zu. Als Kind Gottes. Geliebt. Gehalten. Gemeint.
Fragen zur Vertiefung oder für Gruppengespräche:
- Wo in deinem Leben hast du zuletzt gespürt, dass dir etwas von deiner Würde genommen wurde – bewusst oder leise? Diese Frage zielt auf die unbemerkten Orte der inneren Verletzung, wo wir uns selbst nicht mehr als „gemeint“ erleben – sie lädt ein zur ehrlichen Selbstbegegnung.
- Was würde sich in deinem Alltag verändern, wenn du dich selbst als Empfänger*in von Gnade verstehst – nicht als ständiger „Hersteller“ geistlicher Leistung? Ziel ist, die Reflexion aus dem Kopf in den Körper und in konkrete Lebensmuster zu holen – mit Blick auf Arbeit, Beziehungen, Selbstbild.
- Was bedeutet es für dich ganz persönlich, „gehört“ zu haben – und wie spürst du, wann es Zeit ist, auch zu sprechen? Hier geht es um geistliche Eigenverantwortung ohne Überforderung: Wo bin ich angesprochen, aber nicht gedrängt? Wo darf ich Antwort werden – in meinem Tempo?
Parallele Bibeltexte als Slogans mit Anwendung:
Johannes 10,27 – „Meine Schafe hören meine Stimme.“ → Du musst nicht schreien, um gehört zu werden. Gott spricht leise – aber er spricht dich an.
Jesaja 43,1 – „Ich habe dich bei deinem Namen gerufen.“ → Deine Würde beginnt nicht mit Leistung, sondern mit Angesprochen-Sein.
2. Korinther 4,7 – „Wir haben diesen Schatz in irdenen Gefäßen.“ → Du bist kein Hersteller der Gnade – du bist ein Gefäß, das empfangen und weitergeben darf.
Matthäus 10,20 – „Denn nicht ihr seid es, die dann reden.“ → Wenn die Zeit kommt zu sprechen, wird Gottes Geist dir Worte geben. Nicht aus Zwang – aus Tiefe.
Wenn du tiefer eintauchen willst und Zeit hast für 20 Minuten ehrliches Nachdenken über Glaube, Würde und leises Hören – dann lies weiter. Kein Muss. Aber vielleicht ein Raum für dich.
Ausarbeitung zum Impuls
Lass uns kurz raus aus dem Alltagsrauschen. Wenn du magst, schließ die Augen für einen Moment – und öffne dein Herz für das, was gleich kommt. Wir starten mit einem einfachen Gebet.
Liebevoller Vater, manchmal hören wir so vieles – aber glauben so wenig.
Du weißt, wie oft Worte an uns abperlen wie Regen auf glattem Stein.
Aber heute möchte ich nicht nur hören.
Ich möchte treffen lassen.
Du hast durch Paulus geschrieben, dass der Glaube aus dem Hören kommt.
Und ich merke, wie sehr ich manchmal nur halbhöre.
Wie ich die Worte kenne, aber nicht reinlasse.
Danke, dass Du trotzdem redest.
Dass Du nicht aufgibst, wenn wir abschalten.
Dass Deine Stimme durch das Dickicht dringt –
durch Zweifel, durch Müdigkeit, durch die Stille nach einem zu lauten Tag.
Rede Du, nicht laut, aber klar.
Nicht perfekt, aber echt.
Und gib mir das Vertrauen, dass Du genau jetzt etwas sagen willst,
das mich nicht nur informiert, sondern innerlich aufweckt.
Im Namen Jesu, Amen.
Und jetzt tauchen wir ein – mitten rein in diesen Text, der mehr ist als Worte.
Persönliche Identifikation mit dem Text und der Ausarbeitung:
In diesem Ersten Abschnitt geht es nicht darum, den Text zu erklären – sondern ihm zuzuhören. Es ist eigentlich der Letze schritt der Ausarbeitung gewesen, der den Ich nach allen anderen Schritten gegangen bin, die du danach lesen kannst… Ich stelle mir die leisen, ehrlichen „W“-Fragen: Was spricht mich an? Was bleibt unausgesprochen? Warum bewegt mich das gerade jetzt? Ich frage mich, wie dieser Vers meinen Alltag berühren kann – nicht theoretisch, sondern greifbar. Und ich spüre nach, was das mit meinem Glauben macht – ob es trägt, fordert, tröstet oder alles zugleich. Am Ende suche ich nicht die perfekte Antwort, sondern eine aufrichtige Reaktion: Was nehme ich mit – ganz persönlich, im Herzen, im Leben, im Blick auf Gott.
Also, bereit?
Ich weiß nicht, ob du dir je bewusst gemacht hast, was es eigentlich bedeutet, zu hören. Wirklich zu hören. Nicht dieses Alltags-Hören, bei dem Worte einfach durchrauschen, während der Kopf längst bei etwas anderem ist. Sondern ein Hören, das dich innerlich aufrüttelt. Das dir keine Ruhe lässt. Vielleicht weil es zu nah kommt. Zu klar trifft. Oder weil es sich einfach nicht wegschieben lässt. Genau darum geht es in Römer 10,14–21 – nicht in erster Linie um Evangelisation, Missionsstrategien oder Predigttechniken. Es geht um die tiefe, geistliche Bewegung, die zwischen „gesandt“ und „glaubend“ liegt. Es geht um das Hören. Und um das, was danach passiert – oder nicht.
Und das betrifft dich. Nicht irgendwann. Jetzt. Denn wenn der Text eines nicht sagt, dann das: „Mach dir keine Sorgen, Gott wird das schon irgendwie regeln.“ Paulus sagt: Sie haben gehört. Alle. Die Botschaft war da. Klar. Laut genug. Das Evangelium war nicht verborgen. Es wurde gesprochen. Gesehen. Verkündigt. Gelebt. Und trotzdem – so viele haben nicht reagiert. Nicht, weil sie es nicht verstanden hätten. Sondern weil sie nicht wirklich gehört haben. Oder vielleicht sogar: Weil sie gehört haben – aber nicht hören wollten. Und an der Stelle wird es unangenehm nah.
Ich habe das in meinem eigenen Leben gespürt. Und manchmal nicht nur gespürt, sondern durchlebt. Ich erinnere mich an einen Moment, der für mich zum Gleichnis geworden ist. Es war am Bahnhof. Ich war unterwegs, mit dem Kopf woanders, der Alltag lief wie so oft einfach durch mich hindurch. Und dann kam sie: eine junge Frau, obdachlos, zerschlissen vom Leben. Ihre Frage war schlicht: ob ich ihr helfen könne. Ich sagte, wie so oft: „Tut mir leid, ich habe gerade nichts.“ Ich glaubte das sogar. Und doch – in dem Moment war es, als würde Gott sagen: Halt. Da ist mehr. Und dann habe ich etwas gemacht, was ich sonst nie tue. Ich bat sie, mir ihre Hand zu geben. Ich hielt sie fest. Und ich sah sie an. Und ich sagte ihr: „Ich will dir deine Würde zurückgeben.“
Das war kein programmatischer Akt. Kein vorbereitetes Projekt. Es war ein Reflex meines Herzens. Weil ich wusste: Diese Frau braucht nicht zuerst Geld. Sie braucht jemand, der sie sieht. Der sie erinnert, wer sie ist. Und ganz ehrlich: Ich brauchte das auch. Ich musste daran erinnert werden, was es heißt, Hörer des Wortes zu sein. Nicht Theoretiker. Nicht Programmmacher. Einfach Mensch, der etwas empfangen hat – und es weitergibt.
Vielleicht denkst du jetzt: Das klingt schön, aber was hat das mit mir zu tun? Ich glaube, eine Menge. Denn die Versuchung, mit halbem Ohr durchs Leben zu gehen, ist universell. Gerade dann, wenn man schon viel gehört hat. Wenn man vielleicht sogar selber predigt, lehrt, leitet. Es kann sein, dass man mittendrin ist – und trotzdem innerlich abstumpft. Und dann? Dann läuft die Botschaft weiter, aber sie erreicht dich nicht mehr. Nicht, weil sie sich verändert hat. Sondern weil du aufgehört hast, offen zu sein. Und das ist kein theologisches Problem. Es ist ein menschliches.
Der Text sagt nicht: Wer viel weiß, wird glauben. Er sagt: Glaube kommt durch das Hören. Und Hören ist nicht passiv. Es ist ein Akt der inneren Beteiligung. Es ist der Moment, in dem du zulässt, dass dich etwas trifft. Dass etwas in dich eindringt, dich bewegt, vielleicht sogar verstört. Und genau das fehlt oft in einem Glaubensleben, das zu ordentlich geworden ist. Zu aufgeräumt. Zu abgeschlossen. Ich kenne das. Und ich merke: Das Evangelium ruft mich immer wieder neu raus aus dieser Bequemlichkeit.
Was der Text auch nicht sagt – und das finde ich ebenso wichtig: Er sagt nicht, dass jeder, der nicht glaubt, einfach nur ein harter Fall ist. Er macht deutlich: Die Botschaft ist da. Aber das Hören – das kann scheitern. Nicht aus Unfähigkeit. Sondern aus Entscheidung. Und das ist hart. Das kratzt an unserer Vorstellung von einem sanften, geduldigen Gott, der ewig wartet. Aber vielleicht müssen wir das hören. Weil sonst alles zu beliebig wird. Weil wir sonst vergessen, dass das Evangelium kein gemütliches Hintergrundrauschen ist – sondern eine Einladung mit Konsequenz.
Und da frage ich mich: Was höre ich gerade nicht? Welche Botschaft Gottes läuft an mir vorbei, weil ich sie nicht in mein Leben reinlasse? Was übersetze ich innerlich zu schnell in „Kenn ich schon“? Vielleicht musst du dich das auch fragen. Vielleicht ist jetzt der Moment, an dem du dich nicht mit dem zufrieden gibst, was du bisher verstanden hast. Sondern in dem du anfängst, wirklich zu hören. Noch mal. Tiefer. Ehrlicher. Mit Risiko.
Und vielleicht ist das der Punkt, an dem sich Glaube erneuert. Nicht in neuen Konzepten. Nicht in großen Gefühlen. Sondern im ganz schlichten, schmerzhaft schönen Akt des Zuhörens. Wenn Gott spricht – was bleibt unausgesprochen? Wenn du hörst – was tust du dann?
Ich glaube, dass diese Fragen nicht dazu da sind, dich zu überfordern. Sondern um dich an deine eigene Würde zu erinnern. An die Würde, die Gott dir zugesprochen hat. Und die du weitergeben darfst. In Worten. In Gesten. In Blicken. In dem, wie du sprichst – und wie du hörst.
Vielleicht ist das alles gar nicht kompliziert. Vielleicht ist es einfach nur ernst. Und nah. Und jetzt.
Wir sind bereit. Lass uns tiefer einsteigen.
Der Text:
Zunächst werfen wir einen Blick auf den Text in verschiedenen Bibelübersetzungen. Dadurch gewinnen wir ein tieferes Verständnis und können die unterschiedlichen Nuancen des Textes in den jeweiligen Übersetzungen oder Übertragungen besser erfassen. Dazu vergleichen wir die Elberfelder 2006 (ELB 2006), Schlachter 2000 (SLT), Luther 2017 (LU17), Basis Bibel (BB) und die Hoffnung für alle 2015 (Hfa).
Römer 10,14
ELB 2006: Wie sollen sie nun den anrufen, an den sie nicht geglaubt haben? Wie aber sollen sie an den glauben, von dem sie nicht gehört haben? Wie aber sollen sie hören ohne einen Prediger?
SLT: Wie sollen sie aber den anrufen, an den sie nicht geglaubt haben? Wie sollen sie aber an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie aber hören ohne einen Verkündiger?
LU17: Wie sollen sie aber den anrufen, an den sie nicht glauben? Wie sollen sie aber an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie aber hören ohne Prediger?
BB: Aber wie kann man jemanden anrufen, an den man nicht glaubt? Oder wie kann man an jemandem glauben, von dem man nichts gehört hat? Und wie kann man von jemandem hören, wenn es keine Verkündigung von ihm gibt?
HfA: Wie aber sollen die Menschen zu Gott rufen, wenn sie nicht an ihn glauben? Wie sollen sie zum Glauben an ihn finden, wenn sie nie von ihm gehört haben? Und wie können sie von ihm hören, wenn ihnen niemand Gottes Botschaft verkündet?
Der Kontext:
In diesem Abschnitt geht es darum, die grundlegenden Fragen – das „Wer“, „Wo“, „Was“, „Wann“ und „Warum“ – zu klären. Das Ziel ist es, ein besseres Bild von der Welt und den Umständen zu zeichnen, in denen dieser Vers verfasst wurde. So bekommen wir ein tieferes Verständnis für die Botschaft, bevor wir uns den Details widmen.
Kurzgesagt… Paulus schreibt an eine junge, wachsende Gemeinde in Rom – bunt gemischt, kulturell aufgeladen, geistlich herausgefordert. In Römer 10 versucht er zu klären, wie Glaube eigentlich entsteht – und warum Israel, obwohl es alles gehört hat, nicht geantwortet hat.
Previously on Paulus & Rom: Die römische Gemeinde war kein einfacher Haufen. Da gab’s jüdische Gläubige, die sich mit der Tora auskannten, und heidnische Christen, die neu im Glauben waren – aber inzwischen den Ton angaben, weil die jüdischen Christen nach einem Erlass des Kaisers Claudius einige Jahre aus der Stadt verbannt worden waren. Jetzt sind sie zurück – und plötzlich stehen zwei Frömmigkeitskulturen nebeneinander. Paulus kennt das Spannungsfeld gut. Er selbst ist Jude, Pharisäer, aber gleichzeitig Botschafter für die Heiden. Und er schreibt den Römerbrief nicht nur, um sich vorzustellen – sondern auch, um Brücken zu bauen.
Die Stimmung im Text ist gespannt, aber nicht feindlich. Paulus ringt. Nicht nur mit theologischen Begriffen, sondern mit seinem eigenen Volk. Er spricht von Israels Eifer, davon, dass sie Gott eigentlich suchen – und doch an dem vorbeilaufen, was Gott längst getan hat. Kapitel 10 ist ein Teil dieses Ringens. Es ist kein Vortrag von oben herab, sondern eher ein Zwiegespräch mit offenen Enden. So wie jemand, der nicht weiß, ob er Hoffnung oder Frust zuerst ausdrücken soll.
Und mittendrin diese Fragenkette in Vers 14: Wie sollen Menschen Gott anrufen, wenn sie nie von ihm gehört haben? Und wie sollen sie glauben, wenn niemand ihnen etwas gesagt hat? Paulus denkt da nicht abstrakt – er denkt an echte Menschen. An Synagogen und Marktplätze. An Prediger, die laufen. An Hörer, die weghören. Und an eine Botschaft, die trotz allem weiterläuft.
Die große Frage, die über dem Text schwebt, ist eigentlich keine theologische, sondern eine ganz menschliche: Wenn Gott sich zeigt – warum sehen ihn so viele nicht? Und wie kommt der Glaube dorthin, wo er noch fehlt? Paulus antwortet nicht mit Systemtheorie, sondern mit einem einfachen Gedanken: Ohne Hören kein Glaube. Ohne Prediger kein Hören. Ohne Sendung keine Botschaft.
Wir stehen also an einem Wendepunkt im Brief. Paulus hat gezeigt, dass Gottes Rettung offen ist für alle – Juden wie Nichtjuden. Jetzt macht er deutlich, dass diese Offenheit nicht abstrakt ist, sondern durch konkrete Worte und Menschen läuft. Verkündigung ist kein Luxus, sondern lebensnotwendig. Und Israels Ablehnung? Kein Zufall. Kein Missverständnis. Es ist ein tragisches Nein zur ausgestreckten Hand.
Im nächsten Schritt schauen wir uns die Schlüsselbegriffe genauer an – die Worte, die in diesem Vers mehr sagen, als es auf den ersten Blick scheint.
Die Schlüsselwörter:
In diesem Abschnitt wollen wir uns genauer mit den Schlüsselwörtern aus dem Text befassen. Diese Worte tragen tiefere Bedeutungen, die oft in der Übersetzung verloren gehen oder nicht auf den ersten Blick ersichtlich sind. Wir werden die wichtigsten Begriffe aus dem ursprünglichen Text herausnehmen und ihre Bedeutung näher betrachten. Dabei schauen wir nicht nur auf die wörtliche Übersetzung, sondern auch darauf, was sie für das Leben und den Glauben bedeuten. Das hilft uns, die Tiefe und Kraft dieses Verses besser zu verstehen und ihn auf eine neue Weise zu erleben.
Römer 10,14 – Ursprünglicher Text (Nestle-Aland 28):
Πῶς οὖν ἐπικαλέσωνται εἰς ὃν οὐκ ἐπίστευσαν; πῶς δὲ πιστεύσωσιν οὗ οὐκ ἤκουσαν; πῶς δὲ ἀκούσωσιν χωρὶς κηρύσσοντος;
Übersetzung Römer 10,14 (Elberfelder 2006):
Wie sollen sie nun den anrufen, an den sie nicht geglaubt haben? Wie aber sollen sie an den glauben, von dem sie nicht gehört haben? Wie aber sollen sie hören ohne einen Prediger?
Semantisch-pragmatische Kommentierung der Schlüsselwörter
- ἐπικαλέσωνται – „anrufen“: Kommt von epikaleō, einem Wort mit doppelter Tiefenschicht. Einerseits meint es das laute Rufen nach Hilfe – wie ein Schrei aus der Tiefe. Andererseits steckt darin das „Sich-Berufen“ – etwa wie im alttestamentlichen Kontext, wenn jemand „den Namen des Herrn anruft“, um sich ihm ganz zu unterstellen (vgl. Joel 3,5 LXX). Der aoristische Konjunktiv zeigt: Es geht um eine mögliche, noch ausstehende Handlung. Es ist ein Ruf, der nur dann geschieht, wenn vorher Vertrauen gewachsen ist. Anrufen ist hier kein Reflex, sondern eine Beziehungsgeste – ein Akt des Vertrauens.
- πιστεύσωσιν / ἐπίστευσαν – „glauben“: Zwei Formen des gleichen Verbs pisteuō, das im Neuen Testament nie nur „meinen“ oder „für wahr halten“ bedeutet. Es beschreibt ein tiefes Vertrauen, ein Sich-Verlassen – auf eine Person, nicht nur eine Information. In der Zeitform des Aorists liegt keine Dauer, sondern ein Ereignis: Glauben als entschiedene Wende – nicht schleichend, sondern klar. Der Übergang von nicht geglaubt (ἐπίστευσαν – Indikativ, Vergangenheit) zu glauben sollen (πιστεύσωσιν – Konjunktiv, Möglichkeit) ist rhetorisch geladen: Paulus zeigt, dass es nicht nur um Vergangenheit geht – sondern um eine noch offene Zukunft.
- ἀκούσωσιν / ἤκουσαν – „hören“: Wieder dieselbe Wurzel, zweimal unterschiedlich verwendet. ἀκούω ist mehr als akustische Wahrnehmung. Es kann ein synagogaler Begriff sein: hören im Sinne von „lernen“, „gehorchen“, „sich öffnen“. In der jüdischen Tradition ist „hören“ oft das erste Wort der Gottesbeziehung (vgl. Schema Israel – Dtn 6,4). In V.14 ist hören nicht bloß Vorbedingung, sondern geistliche Schwelle: ohne echtes Hören kein Glaube, ohne Verkündigung kein Hören. Die Frage ist dabei nicht, ob der Schall ankam – sondern ob das Herz offen war.
- κηρύσσοντος – „Prediger“: Ein Partizip von kēryssō, wörtlich: der „Verkündende“. Gemeint ist nicht einfach ein Redner, sondern ein Herold – einer, der autorisiert ist, im Namen eines Höheren zu sprechen. Die Präsensform bringt Dynamik ins Bild: Der Verkündiger ist nicht jemand, der einmal geredet hat – sondern der gerade unterwegs ist. Die Verwendung im Genitiv zeigt: seine Rolle ist nicht beliebig, sondern grammatisch wie geistlich „getragen“. Er ist nötig – aber nicht unabhängig. Sein Dienst ist Mittel zum Zweck: Hören ermöglichen.
- χωρὶς – „ohne“: Die kleine Präposition chōris entfaltet große Dramatik. Sie beschreibt das Getrenntsein, das Fehlen eines entscheidenden Elements. Es ist kein bloßes „nicht da“, sondern ein „abgeschnitten von“. Ohne Prediger ist das Hören nicht nur unwahrscheinlich – es ist unmöglich. Paulus benutzt das Wort, um die Abhängigkeit des Glaubensprozesses sichtbar zu machen: Zwischen Gott und Mensch steht kein Tempel mehr, sondern eine Botschaft. Und ohne diese Botschaft bleibt der Raum still.
- εἰς ὃν – „an den“ / „in den hinein“: Die Präposition eis trägt Bewegung in sich. Nicht statisch „bei“ – sondern „in Richtung auf“, „hinein in“. Sie zeigt, dass der Glaube kein rein innerer Zustand ist, sondern etwas Dynamisches. Der, an den geglaubt wird, wird zur Mitte des Lebens. Glauben ist nicht Distanzbeziehung – sondern Zuwendung in Bewegung.
- οὐκ – „nicht“: Klingt schlicht, ist aber rhetorisch wirksam. Paulus häuft die Negation auf: „nicht geglaubt“, „nicht gehört“, „kein Verkündiger“. Es ist eine sprachliche Verengung – wie eine Spirale, die sich schließt. Am Ende steht nicht einfach Unkenntnis, sondern das Fehlen einer Möglichkeit zur Rettung. Und die Frage ist: Wer öffnet diese Spirale wieder?
Die semantische Linie dieses Verses entfaltet sich wie ein rückwärts gerichteter Suchscheinwerfer: vom Ruf zur Rettung bis zum Ausgangspunkt – der Sendung. Jeder Begriff hängt am anderen, wie Glieder einer Rettungskette. Wenn wir nun weitergehen, werfen wir einen theologischen Blick auf diesen Aufbau – und fragen nicht nur: Was heißt das? Sondern: Was trägt es in sich?
Ein Kommentar zum Text:
Sie haben gehört. Alle. Das ist der Punkt, den Paulus mit Nachdruck macht. Es geht in Römer 10,14–21 nicht mehr um die Frage, ob Gottes Botschaft ankam. Sie ist angekommen. Die Verse sind keine Abhandlung über Evangelisation. Sie sind ein Ringen um Verantwortung – gegenüber einem Gott, der redet. Und einem Menschen, der entscheiden kann, zu hören – oder nicht.
„Wie sollen sie anrufen, wenn sie nicht glauben? Wie sollen sie glauben, wenn sie nichts gehört haben? Wie sollen sie hören ohne einen, der predigt?“ Diese rhetorische Kette (Vers 14) wirkt auf den ersten Blick wie ein klarer Rückwärtsgang: logisch, elegant, fast zwingend. Aber sie ist mehr als das. Sie ist eine fragile Bewegungsbeschreibung. Jedes Verb in dieser Kette – anrufen, glauben, hören, predigen, gesandt werden – steht unter Spannung. Kein Glied ist sicher mit dem nächsten verbunden. Longenecker spricht von einer „logisch notwendigen Abfolge in der Heilsgeschichte“ (Richard N. Longenecker, Der Römerbrief) – aber eben keiner automatisch vollzogenen.
Der griechische Begriff für „anrufen“ – epikaleō – bezeichnet in der Septuaginta oft das kultische Rufen des Namens JHWH. Es steht für Vertrauen, aber auch für Abhängigkeit, sogar für öffentliche Zugehörigkeit. In Joel 3,5 (LXX): „Wer den Namen des Herrn anruft, wird gerettet werden.“ Paulus greift genau dieses Zitat auf – und bezieht es ohne Ankündigung auf Jesus Christus (vgl. Römer 10,13). Das ist nicht harmlos. Es ist eine bewusste Umdeutung. Für jüdische Ohren war das ein Schnitt. Aber es war kein Bruch mit der Schrift, sondern ein Akt theologischer Identifikation. In Apostelgeschichte 2,21 tut Petrus das Gleiche. Auch dort wird Joel 3,5 auf Jesus bezogen. Die Gemeinde „derer, die den Namen des Herrn anrufen“ (1. Korinther 1,2) ist eine Jesusgemeinschaft. Glauben bedeutet nicht vage Frömmigkeit – sondern das Aussprechen des Namens über dem eigenen Leben.
Was auffällt: Diese Anrufung steht am Ende der Kette. Der Anfang? Sendung. Ohne Sendung kein kēryssō – kein Verkündigen. Ohne Verkündigung kein akouō – kein Hören. Und ohne Hören kein pisteuō – kein Glauben. Es ist keine geistliche Gleichung. Es ist eine Dynamik. Glaube ist kein inneres Gefühl. Er beginnt mit dem Hören eines anderen. Keiner glaubt sich selbst ins Reich Gottes. Schreiner bringt es auf den Punkt: „Der Glaube entsteht nicht einfach durch das Leben in der Welt – sondern durch das Hören des Christuswortes“ (Thomas R. Schreiner, Der Römerbrief).
Was genau ist dieses Wort? In Vers 17 schreibt Paulus: „So kommt der Glaube aus dem Hören, das Hören aber durch das Wort Christi.“ Der Ausdruck im Griechischen: rhēma Christou. Das Wort rhēma bezeichnet kein Prinzip oder Lehrsystem, sondern das konkret ausgesprochene Wort – gesprochen, hörbar, vernehmbar. Nicht innerlich aufgestiegen, sondern empfangen. In Jesaja 55,11 heißt es: „Mein Wort wird nicht leer zu mir zurückkehren.“ Auch dort: rhēma. Gottes Wort will gehört werden – nicht gedacht, nicht vermutet, sondern ausgesprochen, gehört, geglaubt. Longenecker betont: Es handelt sich um einen objektiven Genitiv – also: das Wort über Christus (Richard N. Longenecker, Der Römerbrief). Keine mystische Christusbegegnung im Inneren, sondern eine klare, benennbare, historische Botschaft – Evangelium.
Trotzdem: „Aber nicht alle haben dem Evangelium gehorcht.“ Paulus zitiert Jesaja 53,1 – den leidenden Gottesknecht, den niemand hören wollte. Für Dunn ist das der Punkt: „Israel hat nicht aus Unwissenheit abgelehnt, sondern trotz Hören. Genau das ist das Problem“ (James D. G. Dunn, Römer 9–16). Paulus stellt klar: Sie haben gehört. Das ist keine Ausrede. Und keine Lücke in der Kette. Die Reaktion auf das Gehörte ist nicht determiniert. Aber sie ist verantwortbar.
Die rhetorische Frage in Vers 18 – „Haben sie etwa nicht gehört?“ – beantwortet Paulus mit Psalm 19,4: „Ihre Stimme ist hinausgegangen in alle Erde.“ Ursprünglich bezieht sich das auf die Schöpfung, die Gottes Größe verkündet. Paulus nimmt dieses Bild – und überträgt es. Nicht allegorisch, sondern typologisch. Schreiner nennt es eine „bewusst eingesetzte metaphorische Anwendung“ (Thomas R. Schreiner, Der Römerbrief). Longenecker spricht von einer „typologischen Erfüllung“ (Richard N. Longenecker, Der Römerbrief). Die Schöpfung predigt – das Evangelium auch. Beide sind universal. Beide hörbar. Aber: Das eine kann man übersehen, das andere überhören.
Dann die nächste Schicht: Deuteronomium 32,21. „Ich will sie zur Eifersucht reizen durch ein Nicht-Volk.“ Gemeint: die Heiden. Das Evangelium geht zu ihnen, weil Israel es abgelehnt hat. Keener sieht darin keine Bestrafung, sondern eine Tragik: „Die Heiden hören – ohne zu suchen. Israel sucht – und überhört“ (Craig S. Keener, Der Römerbrief). In Römer 11,11–14 wird Paulus das ausführen: Dass durch Israels Ablehnung der Zugang für die Völker geöffnet wurde – nicht als Ersatz, sondern als Weckruf. Es ist eine schmerzhafte Dialektik. Eine, die wir vorsichtig lesen sollten.
Dann Jesaja 65,1–2: „Ich ließ mich finden von denen, die mich nicht suchten… den ganzen Tag strecke ich meine Hände aus nach einem widerspenstigen Volk.“ Das klingt nach Einladung. Gorman schreibt: „Die Hand Gottes ist ausgestreckt – das ist keine Drohgebärde, sondern Einladung“ (Michael J. Gorman, Der Römerbrief). Ja. Aber wer Jesaja 65 weiterliest, merkt: Die ausgestreckte Hand wird nicht ewig ausgestreckt bleiben. In Vers 7 beginnt die Konsequenz. Gott wirbt. Aber er bleibt nicht ewig in der Position des Werbenden.
Das bringt uns zu einem Punkt, an dem der Text nicht weiter erklärt – sondern stehen bleibt. Verstockung. Römer 11,7: „Die übrigen wurden verstockt.“ Ist das Gottes Tun? Oder Israels Tun? Oder beides? Der Text sagt es nicht direkt. Vielleicht will Paulus es nicht erklären. Vielleicht sollen wir es aushalten. Das ist nicht Unklarheit. Das ist Schrift.
Für mich als Adventist steckt hier mehr als ein exegetischer Befund drin. Die Drei-Engel-Botschaft (Offenbarung 14,6–7) ruft weltweit. Auch sie ist ein rhēma – eine ausgesprochene Botschaft. Kein Symbol, keine Stimmung, kein Inneres Licht. Sondern eine Stimme. Und sie braucht eine, die sie trägt. Wie sollen sie hören, wenn niemand predigt? Das ist kein Strukturproblem. Es ist ein Gehorsamsproblem.
Was Paulus hier entfaltet, ist keine Missionsstrategie. Es ist eine Diagnose. Eine Erinnerung. Dass Gott gesprochen hat. Dass Menschen gesandt wurden. Dass die Botschaft hörbar war. Und dass die Verantwortung bleibt. Keiner wird sagen können: Ich wusste von nichts.
Dieser Text ruft nach einer SPACE-Anwendung. Wo hören wir nicht mehr? Wo hören andere – durch uns? Oder nicht durch uns? Und: Was tun wir mit dem Wort, das gesprochen wurde?
Wie oft hat Gott seine Hand schon ausgestreckt – und wie oft haben wir nur weggesehen?
Die SPACE-Anwendung*
Die SPACE-Anwendung ist eine Methode, um biblische Texte praktisch auf das tägliche Leben anzuwenden. Sie besteht aus fünf Schritten, die jeweils durch die Anfangsbuchstaben von „SPACE“ repräsentiert werden:
Sünde (Sin)
Es gibt Sünden, die man kaum erkennt, weil sie leise sind. Kein lauter Widerspruch, kein offenes Nein – nur dieses eine: nichts tun. Nicht hören. Nicht antworten. Nicht reagieren. Es ist vielleicht die alltäglichste Form des Widerstands gegen Gott. Die Gleichgültigkeit im Angesicht seiner Stimme. Und genau das spricht Paulus an. Nicht die Abwesenden. Sondern die, die da waren. Die gehört haben. Die alles wussten – und doch nichts draus machten.
Vielleicht denkst du jetzt: „Wieder so ein Text, der von Israel redet – hat doch mit mir nichts zu tun.“ Aber was, wenn das hier nicht über „die anderen“ spricht, sondern über mich? Ich, der zu oft mit halbem Ohr zuhört. Ich, der glaubt, es schon zu kennen. Ich, der denkt: „Das trifft bestimmt jemand anderen.“ Und genau da wird es persönlich. Weil Gott nicht fragt, ob du alles verstanden hast – sondern ob du gehört hast. Und ob du geantwortet hast.
Verheißung (Promise)
Du kennst das bestimmt: Diese leisen Zweifel, ob das Evangelium wirklich noch dich meint. Ob Gott dich wirklich ruft – und nicht nur die, die scheinbar alles im Griff haben. Römer 10 antwortet mit einem Satz, der so schlicht wie kraftvoll ist: „Wer den Namen des Herrn anruft, wird gerettet werden.“ Kein Vorwissen, kein Punktesystem, kein Check-in am Sabbat. Nur ein Ruf. Und dieser Ruf darf von jedem kommen.
Ich weiß, das klingt fast zu einfach. Aber es ist genau das: Gott macht sich hörbar – damit du ihn hören kannst. Und damit du weißt: Es ist nicht zu spät. Nicht für dich, nicht für andere. Denn das Evangelium hat Reichweite. Es trifft – auch wenn du dich gerade selbst nicht erreichst. Auch wenn du dich geistlich taub fühlst. Glaube beginnt nicht bei dir – sondern bei ihm.
Aktion (Action)
Klar, du weißt das schon: Hören ist wichtig. Glauben kommt aus dem Hören. Ja, ja. Aber mal ehrlich: Wie oft hörst du wirklich? Nicht Predigten durchscrollen. Nicht geistliche Impulse nebenbei. Sondern echt. Offen. Still. Ohne Ablenkung. Wenn du das letzte Mal wirklich zugehört hast – was hast du gehört?
Vielleicht beginnt Hören nicht mit äußeren Bedingungen – sondern mit innerer Absicht. Ich will hören. Ich will lernen, Gottes Stimme zwischen all den anderen Stimmen zu unterscheiden. Und ich will mich nicht rausreden, wenn ich sie höre. Das ist unbequem. Manchmal kostet es was. Aber es ist der Anfang von Glaube. Und wenn ich aufhöre, mich vor dem Hören zu drücken, fängt etwas Neues an. Vielleicht nicht sofort sichtbar – aber innerlich spürbar.
Und da ist noch etwas. Diese eine unbequeme Konsequenz: Wer hört, wird gesandt. Nicht jeder wird Prediger – aber jeder, der gehört hat, trägt das Gehörte weiter. Und wenn du denkst, du bist nicht begabt genug, nicht mutig genug, nicht würdig genug – dann bist du in bester Gesellschaft. Paulus war ein Verfolger. Petrus ein Feigling. Und trotzdem – sie wurden gesandt. Weil sie gehört hatten.
Appell (Command)
Höre. Nicht nur die Texte, nicht nur die Predigten. Höre das, was Gott dir sagt. Nicht in Schlagzeilen, nicht in Lautstärke – sondern in Klarheit. Höre mit offenem Herzen. Und dann tu das Eine: Ruf ihn an. Nicht aus Angst. Sondern weil du weißt: Wenn du rufst, antwortet er. Und wenn du gehört hast – dann rede weiter. Zu anderen. Nicht perfekt. Aber echt. Denn irgendwo wartet jemand – und hört dich.
Beispiel (Example)
Wie könnte ich nicht über Petrus sprechen? Der Mann, der das Evangelium in die Welt geschrien hat – und vorher selber fast taub war. Der Jesus verleugnet hat, obwohl er alles gehört hatte. Und der dann – nach Pfingsten – laut wird für das, was er gehört hat. Petrus steht für das Hören, das in Bewegung setzt. Für das Hören, das nicht bei sich bleibt.
Und das Gegenstück? Israel, wie Paulus es beschreibt. Nicht aus Hass oder Bosheit – sondern aus einer tiefen geistlichen Taubheit. Sie haben alles gehört – und nichts getan. Es ist keine Verurteilung. Aber eine Tragik. Weil die Tür offen war. Weil die Stimme laut war. Und weil niemand antwortete. Und wenn ich ehrlich bin, spüre ich manchmal: Diese Geschichte könnte auch meine sein.
Jetzt wird’s persönlich. Nicht weil ich es will – sondern weil ich merke, dass ich gemeint bin. Nicht mit Druck, sondern mit Wahrheit. Ich frage mich: Höre ich noch? Oder bin ich längst abgestumpft – geistlich freundlich, aber innerlich taub? Und wenn ich höre: Will ich auch antworten? Will ich rufen? Und will ich, dass andere durch mich hören?
Was bleibt, ist nicht ein fertiges Ergebnis – sondern ein offenes Ohr. Und die stille Frage:
Bin ich bereit, wieder zu hören – und dann zu sprechen?
Persönliche Identifikation mit dem Text und der Ausarbeitung:
In diesem letzten Schritt habe ich das erstellt was du am Anfang gelesen hast… es ging nicht mehr darum, den Text zu erklären – sondern ihm zuzuhören. Ich stelle mir die leisen, ehrlichen „W“-Fragen: Was spricht mich an? Was bleibt unausgesprochen? Warum bewegt mich das gerade jetzt? Ich frage mich, wie dieser Vers meinen Alltag berühren kann – nicht theoretisch, sondern greifbar. Und ich spüre nach, was das mit meinem Glauben macht – ob es trägt, fordert, tröstet oder alles zugleich. Am Ende suche ich nicht die perfekte Antwort, sondern eine aufrichtige Reaktion: Was nehme ich mit – ganz persönlich, im Herzen, im Leben, im Blick auf Gott.
Zu dem, können dir vielleicht auch diese Fragen helfen:
1. Wo in deinem Leben hast du zuletzt bewusst etwas gehört – das du eigentlich nicht hören wolltest?
Ich meine nicht akustisch, sondern innerlich. Vielleicht war es ein Impuls, ein Vers, ein Gespräch, ein Moment im Gebet, in dem du gespürt hast: Das trifft mich. Es ist wahr. Aber es stört meine Ordnung.
→ Ich will verstehen, wie du mit innerem Widerstand umgehst. Ob du stehenbleibst, weghörst oder langsam weitergehst. Und ich möchte zeigen, dass Hören oft nicht laut geschieht – sondern im Ringen.
2. Gibt es eine konkrete Situation, in der du dich gesandt gefühlt hast – aber innerlich gezögert hast zu gehen?
Nicht weil du Gott nicht vertraut hast – sondern weil du dir selbst nicht zugetraut hast, dass du der Richtige bist.
→ Diese Frage zielt auf die Verbindung von Hören und Handeln. Ich möchte verstehen, wo du Spannung zwischen Berufung und Selbstbild erlebst. Das hilft, den Text nicht als Ideal, sondern als Weg zu zeigen.
3. Wo merkst du, dass du geistlich manchmal taub wirst – und was hilft dir, wieder zu hören?
Nicht theoretisch. Sondern praktisch. In den Ablenkungen, Routinen, Erschöpfungen – wo wird Gottes Stimme leiser in deinem Alltag? Und was bringt sie wieder zum Klingen?
→ Ich suche hier keine Technik, sondern Ehrlichkeit. Ich will verstehen, was für dich geistliches Wiederhören bedeutet – nicht als Disziplin, sondern als Beziehung.
Zentrale Punkte der Ausarbeitung
- Hören ist keine passive Haltung – sondern eine geistliche Entscheidung.
- Römer 10,14–21 zeigt keine zufällige Kette von Ereignissen, sondern eine Bewegung des Glaubens: Von der Sendung zur Verkündigung, vom Hören zum Glauben, vom Glauben zum Rufen.
- Und genau da liegt die Spannung: Hören ist möglich – aber nicht garantiert. Es kann geschehen. Es kann auch ausbleiben. Und das liegt nicht an Gott.
- Gottes Wort ist schon da – aber unsere Antwort ist offen.
- Der Text macht deutlich: Es liegt nicht daran, dass Gott sich nicht offenbart hätte. Das Evangelium ist gesprochen, verkündet, angekommen. Aber was fehlt, ist oft die Antwort.
- Das ist unbequem. Aber ehrlich. Die Einladung Gottes steht – aber sie ist keine Einbahnstraße. Und sie ruft nach Entscheidung.
- Glaube beginnt nicht bei mir – sondern bei dem, was ich höre.
- Es geht nicht darum, Glaube zu produzieren oder ein spirituelles Hochgefühl zu erzeugen. Glaube entsteht durch das Hören – nicht durch Anstrengung.
- Das bedeutet: Ich muss nicht „mehr glauben“ können – ich darf still werden und hören. Und in diesem Hören geschieht etwas.
- Verkündigung ist kein Sonderauftrag für Berufene – sondern ein Sendungsruf an jeden, der gehört hat.
- Der Text stellt nicht nur Fragen an die „anderen“, sondern an mich. Wenn ich gehört habe – was mache ich mit dem, was ich gehört habe?
- Es geht nicht darum, Prediger zu sein. Es geht darum, Teil der Kette zu sein. Gesandter. Zeuge. Sprachrohr.
- Würde wird nicht hergestellt – sondern zugesprochen.
- In der persönlichen Geschichte wird deutlich: Wir müssen nicht Gnade produzieren. Wir dürfen sie weitergeben.
- Und das beginnt in dem Moment, wo ich den anderen sehe – und ihm nicht zuerst eine Lösung, sondern seine Würde zurückgebe.
Warum ist das wichtig für mich?
- Es verändert meine Vorstellung von Glauben.
- Ich darf aufhören zu denken, dass Glaube etwas ist, das ich in mir selbst hervorbringen muss. Glaube beginnt, wenn ich höre – und dann antworte.
- Es stellt meine Passivität in Frage – liebevoll, aber unmissverständlich.
- Wenn das Evangelium wirklich schon „da“ ist – was mache ich dann damit? Nicht was machen „die anderen“ damit. Was mache ich?
- Es zeigt mir, dass Gott schon längst geredet hat – und dass ich vielleicht schon viel mehr gehört habe, als ich wahrhaben will.
- Und das fordert mich heraus: Was überhöre ich? Was ignoriere ich? Wo war Gottes Stimme schon da – und ich bin weitergegangen?
- Es gibt mir eine neue Perspektive für meinen Alltag.
- Wenn ich wirklich glaube, dass Glaube aus dem Hören kommt, dann werde ich sensibler für die Stimmen, denen ich Raum gebe. Für das, was ich an mich ranlasse. Für das, was ich selbst ausspreche.
- Es lässt mich Verantwortung sehen – aber nicht aus Pflicht, sondern aus Würde.
- Wenn ich einem Menschen begegne, dann kann ich ein Sprachrohr für das sein, was Gott sagt. Nicht weil ich groß bin. Sondern weil ich gehört habe.
Der Mehrwert dieser Erkenntnis
- Ich kann aufhören, mir ständig selbst zu beweisen, dass mein Glaube „groß genug“ ist. Ich darf lernen zu hören – und zu vertrauen, dass daraus etwas wächst.
- Ich kann achtsamer mit dem umgehen, was ich aufnehme, was ich höre, was ich weitergebe. Nicht alles ist Evangelium – aber das Evangelium ist genug.
- Ich erkenne, dass jede Begegnung ein Ort sein kann, wo etwas ausgesprochen wird, das Würde zurückgibt. Hoffnung weckt. Leben ermöglicht.
- Ich verstehe, dass ich kein „Hersteller“ bin – sondern ein Verteiler von Gnade, die ich selbst empfangen habe.
Kurz gesagt: Wenn das Evangelium gehört wurde – dann ist es nicht mehr neutral. Es ruft. Es bewegt. Es will Antwort. Und vielleicht ist heute der Tag, an dem wir nicht mehr weiterlaufen – sondern stehen bleiben. Und hören.
*Die SPACE-Analyse im Detail:
Sünde (Sin): In diesem Schritt überlegst du, ob der Bibeltext eine spezifische Sünde aufzeigt, vor der du dich hüten solltest. Es geht darum, persönliche Fehler oder falsche Verhaltensweisen zu erkennen, die der Text anspricht. Sprich, Sünde, wird hier als Verfehlung gegenüber den „Lebens fördernden Standards“ definiert.
Verheißung (Promise): Hier suchst du nach Verheißungen in dem Text. Das können Zusagen Gottes sein, die dir Mut, Hoffnung oder Trost geben. Diese Verheißungen sind Erinnerungen an Gottes Charakter und seine treue Fürsorge.
Aktion (Action): Dieser Teil betrachtet, welche Handlungen oder Verhaltensänderungen der Text vorschlägt. Es geht um konkrete Schritte, die du unternehmen kannst, um deinen Glauben in die Tat umzusetzen.
Appell (Command): Hier identifizierst du, ob es in dem Text ein direktes Gebot oder eine Aufforderung gibt, die Gott an seine Leser richtet. Dieser Schritt hilft dir, Gottes Willen für dein Leben besser zu verstehen.
Beispiel (Example): Schließlich suchst du nach Beispielen im Text, die du nachahmen (oder manchmal auch vermeiden) solltest. Das können Handlungen oder Charaktereigenschaften von Personen in der Bibel sein, die als Vorbild dienen.
Diese Methode hilft dabei, die Bibel nicht nur als historisches oder spirituelles Dokument zu lesen, sondern sie auch praktisch und persönlich anzuwenden. Sie dient dazu, das Wort Gottes lebendig und relevant im Alltag zu machen.
