Markus 4:39 Ein schlafender Gott im Sturm? Chaos im Kopf und keine Rettung in Sicht? Doch! Jesus — „Und er wachte auf, bedrohte den Wind und sprach zu dem See: Schweig, verstumme! Und der Wind legte sich, und es entstand eine große Stille.“

Einleitender Impuls:

Stell dir vor, die Welt um dich herum bricht zusammen, und ausgerechnet jetzt scheint Gott zu schlafen. Genau das erleben die Jünger hier: Mitten im Sturm, verzweifelt und in Todesangst, während Jesus tief und fest auf seinem Kissen schlummert. Sie wecken ihn auf und schreien förmlich: „Kümmert es dich nicht, dass wir untergehen?“ Aber Jesus steht einfach auf, spricht ein Machtwort – und Ruhe kehrt ein. Nicht irgendeine Ruhe, sondern ein Friede, der die wildesten Wellen glättet. Die Message? Auch wenn Gott scheinbar still ist, bedeutet das nicht, dass er weg ist. Manchmal bringt er genau dann seine tiefste Ruhe in unsere Stürme.

Aber dieser Text ist mehr als nur ein Wunder: Er ist eine Einladung, loszulassen, was uns festhält – die Ängste, die Zweifel, die inneren Stürme. Wenn die Wellen des Lebens toben, liegt die Frage nicht nur darin, ob Gott uns hört, sondern auch, ob wir ihm zutrauen, dass er bei uns ist, selbst wenn wir ihn gerade nicht „sehen“. Jesus zeigt uns, dass wahrer Friede nicht von außen kommt, sondern von einem tiefen Vertrauen, das uns selbst dann hält, wenn alles um uns herum wankt.

Und genau hier liegt der Kern: Was wäre, wenn wir heute damit beginnen, bewusst einen Moment der Ruhe inmitten unserer Stürme zu finden? Vielleicht ist es ein kurzes Gebet, ein tiefes Atmen oder einfach das Erinnern daran, dass Gott nicht durch die Lautstärke unserer Sorgen aus der Ruhe zu bringen ist. Lass dir heute gesagt sein: Der Gott, der den Wellen gebietet, ist da, auch wenn es still ist. Richte deinen Blick auf ihn und lass ihn in dein Chaos sprechen – das könnte genau das sein, was dich trägt, wenn alles andere wankt.

Fragen zur Vertiefung oder für Gruppengespräche:

  1. Wie gehe ich mit Situationen um, in denen ich das Gefühl habe, dass Gott schweigt?
  2. Welche „Stürme“ in meinem Leben bringen mich dazu, den Glauben oder das Vertrauen zu verlieren?
  3. Was bedeutet es für mich persönlich, dass Jesus die Kontrolle über Chaos und Unruhe hat?

Parallele Bibeltexte als Slogans:

Psalm 46:10 — „Seid still und erkennt, dass ich Gott bin“

Jesaja 43:2 — „Wenn du durchs Wasser gehst, bin ich bei dir“

Philipper 4:6-7 — „Lasst den Frieden Gottes eure Herzen bewahren“

Johannes 14:27 — „Mein Frieden gebe ich euch“

Wenn dich das Thema berührt und du tiefer eintauchen möchtest, wie dieser Text in den Alltag übersetzt werden kann, findest du im Anschluss die Schritte die ich für diesen Impuls gegangen bin. Die Informationen hole ich mir meistens aus BibleHub.com damit auch du es nachschlagen kannst.


Schön, dass wir diesen Moment der Ruhe nutzen können, bevor wir tiefer in den Vers aus Markus 4:39 eintauchen. Lass uns die Betrachtung mit einem Gebet beginnen:

Lieber Vater, wir kommen zu Dir mit offenen Herzen und dem Wunsch, tiefer in Dein Wort einzutauchen. Wir lesen heute von dem Moment, als Jesus im Sturm aufstand und sprach: „Schweig, sei still!“ – und die Wellen gehorchten. Danke, dass wir immer wieder erleben dürfen, wie Dein Friede auch in unsere stürmischen Zeiten Einzug hält und unsere inneren Wellen beruhigt. Schenke uns einen klaren Blick und ein offenes Herz, um zu erkennen, was dieser Moment für uns bedeutet – dass wir Dich in den Stürmen des Lebens hören und spüren.

In Jesu Namen beten wir,

Amen.

Der Text:

Zunächst werfen wir einen Blick auf den Text in verschiedenen Bibelübersetzungen. Dadurch gewinnen wir ein tieferes Verständnis und können die unterschiedlichen Nuancen des Textes in den jeweiligen Übersetzungen oder Übertragungen besser erfassen. Dazu vergleichen wir die Elberfelder 2006 (ELB 2006), Schlachter 2000 (SLT), Luther 2017 (LU17), Basis Bibel (BB) und die Hoffnung für alle 2015 (Hfa).

Markus 4,39

ELB 2006 Und er wachte auf, bedrohte den Wind und sprach zu dem See: Schweig, verstumme! Und der Wind legte sich, und es entstand eine große Stille.

SLT Und er stand auf, befahl dem Wind und sprach zum See: Schweig, werde still! Da legte sich der Wind, und es entstand eine große Stille.

LU17 Und er stand auf und bedrohte den Wind und sprach zu dem Meer: Schweig! Verstumme! Und der Wind legte sich und es ward eine große Stille.

BB Jesus stand auf, bedrohte den Wind und sagte zum See: »Werde ruhig! Sei still!« Da legte sich der Wind, und es wurde ganz still.

HfA Jesus stand auf, gebot dem Wind Einhalt und befahl dem See: »Sei still! Schweig!« Sofort legte sich der Sturm, und es wurde ganz still.

Der Kontext:

In diesem Abschnitt geht es darum, die grundlegenden Fragen – das „Wer“, „Wo“, „Was“, „Wann“ und „Warum“ – zu klären. Das Ziel ist es, ein besseres Bild von der Welt und den Umständen zu zeichnen, in denen dieser Vers verfasst wurde. So bekommen wir ein tieferes Verständnis für die Botschaft, bevor wir uns den Details widmen.

Kurzgesagt… Markus 4:39 zeigt uns Jesus in einer echten Krisensituation – mitten im Sturm auf einem kleinen Fischerboot mit seinen Jüngern. Die Lage ist ernst: Wellen schlagen über das Boot, Panik bricht aus, und ausgerechnet jetzt schläft Jesus. Die Jünger, völlig verzweifelt, wecken ihn auf. Und dann passiert das Unerwartete: Jesus erhebt sich, gebietet dem Sturm Ruhe und es wird still. Diese Szene entfaltet sich als Moment der Herausforderung und des tiefen Vertrauens, sowohl für die Jünger als auch für Jesus.

Jetzt etwas detaillierter: Wir befinden uns am Ufer des Sees Genezareth. Jesus hat den ganzen Tag lang gepredigt und die Menschen am See über das Reich Gottes belehrt, teils in Parabeln, um komplexe Themen greifbarer zu machen. Seine Zuhörer waren eine bunte Mischung – Fischer, Bauern, einfache Leute und einige religiöse Gelehrte. Abends, erschöpft und vielleicht auch um Abstand zu gewinnen, schlägt Jesus vor, auf die andere Seite des Sees zu fahren. So landen er und seine Jünger auf einem kleinen Fischerboot, und es scheint erst einmal nach einer ruhigeren Zeit auszusehen.

Doch dann kippt die Szene komplett. Während Jesus hinten im Boot schläft, zieht plötzlich ein starker Sturm auf. Diese „plötzlichen“ Stürme sind typisch für den See Genezareth, da er unter dem Meeresspiegel liegt und von Bergen umgeben ist. Die Luft kann sich dort blitzschnell abkühlen und zu Windböen führen, die wie aus dem Nichts aufkommen und das Wasser aufpeitschen. Ein Detail, das in dieser Szene für zusätzlichen Nervenkitzel sorgt: Einige Jünger sind erfahrene Fischer und eigentlich an Stürme gewöhnt, aber hier sehen sie keine Chance – das Boot droht zu kentern.

Und Jesus? Er schläft. Hier kommt die Spannung des Textes ins Spiel: Während die Jünger um ihr Leben fürchten, ruht der, den sie als Lehrer und Wunderwirker kennen, scheinbar völlig unberührt vom Chaos um ihn herum. Sie wecken ihn schließlich mit dem Vorwurf: „Kümmert es dich nicht, dass wir untergehen?“ In dieser Frage spiegelt sich nicht nur ihre Angst, sondern auch Zweifel. Sie sind überrascht, dass Jesus – der Mann, der Kranke geheilt und Dämonen ausgetrieben hat – in ihrer Notlage passiv bleibt.

Und genau hier, in diesem Moment der Panik und des Unverständnisses, greift Jesus ein. Er spricht ruhig und bestimmt zum Sturm und gebietet den Wellen, still zu sein – und tatsächlich wird das Wasser glatt und ruhig. Die Jünger stehen fassungslos da; sie kennen ihn zwar als Lehrer und Heiler, doch das hier ist eine neue Dimension seiner Autorität. Wer kann schon Wind und Wellen befehlen? Das ist der Moment, in dem sie Jesus nicht nur als Mensch, sondern in seiner göttlichen Macht erleben. In ihrer Sprachlosigkeit und vielleicht auch wachsender Ehrfurcht fragen sie sich: „Wer ist dieser Mann, dass ihm Wind und Wellen gehorchen?“

Der geistig-religiöse Kontext dieses Ereignisses verweist auf das Bild eines Gottes, der Herr über die Natur ist. Die Jünger, die jüdische Männer waren, hatten mit Sicherheit Geschichten über Gottes Macht über das Meer gehört – etwa im Buch Hiob, wo Gott die Schöpfung zügelt, oder die Teilung des Roten Meeres in der Exodus-Erzählung. Dass Jesus hier diese Rolle einnimmt, stellt für sie die vertraute Vorstellung von „Lehrer“ und „Messias“ auf den Kopf und fordert sie heraus, ihn in einem viel größeren, göttlicheren Licht zu sehen. Hier beginnt ein neues Verständnis für die Jünger: Sie sehen nicht nur, dass Jesus retten kann, sondern dass er die Art von Frieden mitbringt, die alle menschlichen Grenzen sprengt – selbst wenn das Chaos um sie tobt.

Die Schlüsselwörter:

In diesem Abschnitt wollen wir uns genauer mit den Schlüsselwörtern aus dem Text befassen. Diese Worte tragen tiefere Bedeutungen, die oft in der Übersetzung verloren gehen oder nicht auf den ersten Blick ersichtlich sind. Wir werden die wichtigsten Begriffe aus dem ursprünglichen Text herausnehmen und ihre Bedeutung näher betrachten. Dabei schauen wir nicht nur auf die wörtliche Übersetzung, sondern auch darauf, was sie für das Leben und den Glauben bedeuten. Das hilft uns, die Tiefe und Kraft dieses Verses besser zu verstehen und ihn auf eine neue Weise zu erleben.

Markus 4,39 Ursprünglicher Text (Nestle-Aland Greek New Testament, 28. Edition)

καὶ διεγερθεὶς ἐπετίμησεν τῷ ἀνέμῳ καὶ εἶπεν τῇ θαλάσσῃ· σιώπα, πεφίμωσο. καὶ ἐκόπασεν ὁ ἄνεμος καὶ ἐγένετο γαλήνη μεγάλη.

Übersetzung von Markus 4,39 Elberfelder 2006:

„Und er wachte auf, bedrohte den Wind und sprach zu dem See: Schweig, verstumme! Und der Wind legte sich, und es entstand eine große Stille.“

Semantisch-pragmatische Kommentierung der Schlüsselwörter

  • διεγερθεὶς (diegertheis) „Und er wachte auf“: „διεγείρω“ bedeutet aufwachen, aufstehen, und wird oft in Situationen verwendet, in denen plötzliche Aufmerksamkeit oder Aktivität erforderlich ist. Das Wort deutet auf ein abruptes Erwachen hin, eine Art „Aufrütteln“, passend zur Dringlichkeit der Situation.
  • ἐπετίμησεν (epetimēsen) „bedrohte“: Von „ἐπιτιμάω“, was „tadeln“ oder „zurechtweisen“ bedeutet. Jesus „bedroht“ hier den Wind, was im griechischen Kontext ungewöhnlich klingt. Es ist dieselbe Sprache, die Jesus bei der Austreibung von Dämonen verwendet – es verleiht dem Moment eine dramatische, autoritäre Note, als würde er die Naturkräfte wie ungehorsame Kinder in die Schranken weisen.
  • ἀνέμῳ (anemō) „Wind“: Ein bekanntes Wort für „Wind“. In der griechischen Kultur konnte der Wind metaphorisch für Unruhe und das chaotische Wirken der Naturkräfte stehen. Hier wird er als eine unkontrollierte Macht dargestellt, die durch Jesu Befehl in Ordnung gebracht wird.
  • εἶπεν (eipen) „sprach“: Von „εἶπον“, was in diesem Fall das Gesagte autoritativ ausdrückt. Jesus spricht nicht nur beiläufig; das Wort suggeriert eine tiefe Autorität und einen bestimmten Tonfall – ein fast göttlicher Ausspruch an die Natur, den Wellen und dem Wind zu gehorchen.
  • σιώπα (siōpa) „Schweig“: „σιωπάω“ bedeutet wörtlich „schweigen“ oder „still sein“. Es ist ein starker Imperativ, der klare, absolute Stille fordert, fast wie das Verstummen aller Geräusche in einem Gerichtssaal. Diese Anweisung verleiht dem Wort eine gewisse Endgültigkeit, die keine Widerrede zulässt.
  • πεφίμωσο (pephimōso) „verstumme!“: „φιμόω“ heißt „zum Schweigen bringen“ und bedeutet wörtlich „einen Maulkorb anlegen“. Hier legt Jesus dem Meer quasi einen Maulkorb an – ein anschauliches Bild, das verdeutlicht, wie Jesus die chaotische Kraft der Natur dominiert und sie in absolute Ruhe versetzt.
  • ἐκόπασεν (ekopasen) „legte sich“: Das Wort „κοπάζω“ bedeutet „nachlassen“ oder „sich legen“. Es beschreibt das allmähliche Abklingen des Windes bis hin zu völliger Ruhe. Die plötzliche Windstille verleiht der Szene eine fast übernatürliche Spannung.
  • ἐγένετο (egeneto) „es entstand“: „γίνομαι“ bedeutet „werden“ oder „geschehen“. Es deutet hier auf den Übergang vom chaotischen Sturm zur Stille hin und beschreibt ein Wunder – das, was „entstand“, ist die Folge eines göttlichen Eingriffs in die Natur.
  • γαλήνη (galēnē) „Stille“: „γαλήνη“ beschreibt einen Zustand völliger Windstille, wie ein Meer, das glatt wie ein Spiegel ist. In der antiken Welt war „γαλήνη“ ein seltenes Phänomen, das große Bewunderung hervorrief. Hier hebt das Wort die Bedeutung des Ereignisses hervor: eine Ruhe, die nicht nur äußerlich, sondern auch eine tiefe, alles durchdringende Stille impliziert.
  • μεγάλη (megalē) „große“: „μέγας“ bedeutet „groß“ oder „gewaltig“. Die „große Stille“ ist nicht einfach die Abwesenheit von Wind, sondern eine ungewöhnliche, fast greifbare Ruhe. Das Wort betont die Intensität dieses Moments und die Ehrfurcht, die die Jünger vor der übernatürlichen Macht Jesu empfinden.

Ein Kommentar zum Text:

In Markus 4:38-39 begegnen wir einer faszinierenden Szene, die scheinbar banal beginnt, sich jedoch zu einem epischen Moment des Glaubens und der göttlichen Macht entwickelt – und vielleicht noch mehr. Da liegt Jesus, friedlich schlafend, während draußen die Welt unterzugehen scheint. Die Jünger sind am Ende ihrer Kräfte und werfen ihm vor, sich nicht um ihr Überleben zu kümmern. Der Augenblick ist geladen mit menschlicher Verzweiflung und göttlichem Eingreifen. Was hier passiert, geht weit über ein „Wunder“ hinaus. Es ist ein tiefer Einblick in die Beziehung zwischen Mensch, Natur und dem göttlichen Wirken – und auch ein Hinweis auf die dämonische Kraft, die in der Welt am Werk ist, eine Macht, die oft still im Hintergrund agiert, aber immer präsent bleibt.

Im Vers 38 begegnen wir einer Frage, die zutiefst menschlich ist: „Kümmert es dich nicht, dass wir untergehen?“ Das griechische Wort „μέλει“ (melei) für „kümmern“ drückt nicht nur die Sorge um das Hier und Jetzt aus; es berührt eine grundsätzliche Frage, die viele von uns haben: Spielt unser Leben überhaupt eine Rolle? Besonders interessant ist, dass Jesus auf diese Frage nicht mit Worten, sondern mit einer Handlung antwortet. Die Jünger wecken ihn aus seinem friedlichen Schlaf, und obwohl er nicht direkt auf ihre Anklage eingeht, lässt sein Handeln darauf schließen, dass er sehr wohl um sie besorgt ist – nur in einer Art und Weise, die sie nicht verstehen können. Die Schläfrigkeit Jesu könnte als Symbol für Gottes scheinbares Schweigen inmitten unserer Schwierigkeiten gesehen werden, eine Idee, die uns immer wieder in den Psalmen begegnet, wenn die Psalmisten Gott in Notlagen herbeirufen und dennoch nur Stille erfahren (Psalm 10:1; 13:2-3; 44:24-25).

In Vers 39 wechselt der Fokus jedoch von der menschlichen Angst zur göttlichen Autorität. Jesus erhebt sich und spricht zum Wind und zum Meer: „σιώπα, πεφίμωσο“ („Schweig, verstumme!“). Beide Begriffe sind interessant: „σιώπα“ (siōpa) bedeutet wortwörtlich „sei ruhig“ oder „schweige“, während „πεφίμωσο“ (pephimōso) im Sinne von „Maulkorb anlegen“ verwendet wird, was eine gewaltige Macht impliziert. Jesus spricht also nicht nur sanft zum Sturm, sondern legt ihm gewissermaßen Fesseln an, ein deutlicher Ausdruck seiner Herrschaft über die Natur. Hier begegnen wir dem Gott, der über alle Elemente herrscht, was im Alten Testament stark verwurzelt ist, etwa in Hiob 38:8-11, wo Gott das Meer wie ein untergeordnetes Wesen anspricht und ihm Schranken setzt.

Der Einbezug dämonischen Macht im Hintergrund der Naturgewalten eröffnet eine spannende Perspektive. Der Sturm wird oft als bloße Laune der Natur interpretiert, doch in Hiob zeigt sich, dass der Teufel durchaus Einfluss auf die Natur haben kann. In Hiob 1:19 sehen wir, wie ein gewaltiger Wind das Haus von Hiobs Kindern zerstört – ein Werk, das Satan gezielt ausführt, um Hiob zu prüfen. Es wäre demnach nicht unlogisch zu denken, dass der Sturm im Markus-Evangelium ebenfalls mehr als nur ein Naturphänomen ist. Jesus reagiert auf diesen Sturm nicht nur als „Meteorologe“, sondern als jemand, der mit autoritativem Befehl spricht, als ginge es um eine unsichtbare, destruktive Macht hinter den Elementen. Die Dämonenaustreibungen Jesu laufen nach einem ähnlichen Muster ab: Da wird nicht diskutiert oder verhandelt; da wird befohlen.

Es wäre nicht überraschend, dass der Feind gerade dann einen Sturm schickt, als Jesus auf dem Weg ist, das Evangelium zu verbreiten, Heilung zu bringen und das Reich Gottes zu verkündigen. Das ist ein klares Zeichen für den übergeordneten Kampf zwischen Licht und Dunkelheit. Satan hat seit jeher versucht, den Erlöser zu stoppen – sei es durch das Werk des Herodes, durch Versuchungen in der Wüste oder hier durch die Bedrohung der Jünger. Markus 4,39 zeigt uns damit nicht nur einen souveränen Gott, sondern einen Gott, der in die menschliche Realität eintritt und sich dem Chaos entgegenstellt, das durch das Böse verursacht wird.

Bemerkenswert ist auch die Reaktion der Jünger nach diesem Geschehen. In Vers 41, unmittelbar nach der Stillung des Sturms, fragen sie sich: „Wer ist dieser, dass auch Wind und Meer ihm gehorchen?“ Hier zeigt sich ein weiterer theologischer Tiefgang. Die Frage selbst ist eine Anspielung auf den Psalm 89:10 (89:9 nach der LXX-Zählung), in dem Gott als derjenige beschrieben wird, der das wütende Meer zügelt. Jesus zeigt also durch diese Handlung, dass er nicht nur ein menschlicher Lehrer ist, sondern in direkter Verbindung mit der göttlichen Macht steht. Für die jüdischen Jünger, die von Gottes Machterweisen im Alten Testament wissen, bricht an diesem Punkt eine völlig neue Vorstellung auf: Hier ist jemand, der Gottes Macht nicht nur predigt, sondern in seinem Wesen verkörpert. Eine echte Herausforderung, die mehr ist als nur eine Frage des Verstehens – es ist eine Frage des Glaubens und der Anerkennung, dass Gottes Reich bereits mitten unter ihnen ist.

Diese Szene spricht uns auch heute an: Das „Schweigen Gottes“ inmitten von Krisen oder Leid ist eine Realität, mit der viele Christen kämpfen. Doch Markus 4 erinnert uns daran, dass Gottes „Schweigen“ nicht unbedingt Abwesenheit ist. Der Schlaf Jesu deutet darauf hin, dass Ruhe und Vertrauen im Angesicht von Widrigkeiten möglich sind, weil er letztlich die Kontrolle behält. Auch wenn der Sturm tobt, ist er nahe. Und vielleicht müssen wir, wie die Jünger, lernen, in diesen Stürmen auf seine Macht zu vertrauen, selbst wenn es uns schwerfällt zu sehen, wie er handeln wird. Jesus zeigt, dass Gottes Eingreifen nicht immer unserer Vorstellung entspricht – doch wenn er handelt, bringt er Frieden, der weit über das hinausgeht, was die Welt uns bieten kann.

In diesem Augenblick wird aus der Frage „Kümmert es dich nicht?“ eine Herausforderung an unseren eigenen Glauben: Trauen wir Gott zu, dass er in den stillen Momenten tatsächlich bei uns ist, auch wenn wir ihn gerade nicht „sehen“? Jesus lässt uns hier durch seinen Umgang mit den Jüngern einen tiefen Einblick in die Dynamik des Vertrauens gewinnen. Es wäre gut, wenn wir begreifen, dass Jesus’ Autorität selbst über die Kräfte des Chaos geht – ob in der Natur oder in unserem eigenen Leben. Seine Worte „Schweig, verstumme“ hallen nicht nur über den See Genezareth, sondern über die stürmischen Zeiten unseres Lebens.

Die SPACE-Anwendung*

Die SPACE-Anwendung ist eine Methode, um biblische Texte praktisch auf das tägliche Leben anzuwenden. Sie besteht aus fünf Schritten, die jeweils durch die Anfangsbuchstaben von „SPACE“ repräsentiert werden:

S – Sünde (Sin)

In dieser Szene sehe ich weniger eine „große“ Sünde, sondern eher die typischen menschlichen Verfehlungen, die uns in schwierigen Situationen begegnen: das Misstrauen und die Angst, die uns oft zu überstürzten oder verzweifelten Reaktionen verleiten. Die Jünger, mitten im Sturm, erleben das, was wir alle kennen – das Gefühl, allein gelassen zu sein, das Vertrauen zu verlieren und vorschnell anzunehmen, dass Gott uns vielleicht vergessen hat. Dieses Misstrauen wirkt wie ein Kurzschluss unseres Vertrauens und zieht uns aus der Sicherheit, die wir sonst in Gott finden könnten. Das ist kein Vorwurf an die Jünger, sondern eine Einladung an uns, genau hinzusehen: Solche Momente sind oft wie ein Spiegel für unsere tiefsten Ängste und Zweifel. Es wäre gut, wenn wir lernen, diese Reaktionen wahrzunehmen und sie als eine Art „Neustart“ für unser Vertrauen zu nutzen – statt in den Sturm unserer Emotionen zu geraten.

P – Verheißung (Promise)

Eine kraftvolle Verheißung in diesem Text ist das stille Wirken Gottes. Obwohl Jesus schläft, ist er nicht abwesend – ganz im Gegenteil. Er hat die Situation unter Kontrolle, und am Ende beruhigt er nicht nur den Sturm, sondern zeigt, dass nichts, nicht einmal die wildesten Kräfte der Natur, außerhalb seiner Macht liegt. Hier ist die Verheißung, dass wir uns auch in den schlimmsten Momenten auf Gottes Frieden verlassen können. Seine Nähe bedeutet nicht immer sofortige Rettung oder ein Ende der Stürme, aber sie bedeutet, dass wir nicht verloren sind. Ein passender Paralleltext ist Jesaja 43:2: „Wenn du durchs Wasser gehst, bin ich bei dir; und wenn du durch Ströme gehst, sollen sie dich nicht überfluten.“ Gott ist da – das ist die tiefe, unverrückbare Verheißung, die uns auch in den Wellen des Lebens trägt.

A – Aktion (Action)

Dieser Text lädt dazu ein, in turbulenten Zeiten aktiv Ruhe zu suchen und bewusst das Vertrauen zu üben. Eine konkrete Handlung wäre, sich in stürmischen Momenten ganz praktisch einen „inneren Anker“ zu setzen: etwa durch ein tiefes Atmen oder ein kurzes Gebet, das Gott an meine Seite ruft. In den Worten von Jesus spüre ich eine Einladung, nicht kopflos auf die Wellen zu schauen, sondern gezielt den Fokus auf den zu richten, der bei mir ist. Es könnte hilfreich sein, wenn ich mir regelmäßig Momente der Stille und des Gebets schaffe, vielleicht auch außerhalb der Krisenzeiten, um das Vertrauen zu stärken, dass Gott präsent ist, auch wenn ich ihn nicht sofort spüre. Das wäre eine aktive Vorbereitung auf die Stürme des Lebens – eine Art „Sturmtraining“ für die Seele.

C – Appell (Command)

Der Appell hier ist subtil, aber stark: „Vertraue.“ Nicht blind oder naiv, sondern in der bewussten Entscheidung, den, der den Sturm stillen kann, als festen Anker anzunehmen. Es ist fast so, als würde Jesus sagen: „Lasst euch von den Wellen nicht aus der Ruhe bringen.“ Dieser Aufruf zur Gelassenheit und zum Vertrauen steht wie ein stilles Gebot im Hintergrund. Der Appell lautet also: Lass dich nicht von äußeren Umständen aus deiner inneren Ruhe vertreiben. Der wahre Friede liegt darin, zu erkennen, dass die Umstände Gott nicht begrenzen, auch wenn sie mich an meine Grenzen bringen.

E – Beispiel (Example)

Ein bekanntes Beispiel für Vertrauen im Sturm ist Petrus, der über das Wasser geht, solange er auf Jesus schaut (Matthäus 14:29-30). In dem Moment, wo er auf die Wellen schaut und die Panik übernimmt, beginnt er zu sinken – ein sehr anschauliches Bild für die Notwendigkeit, den Fokus nicht zu verlieren. Ein weniger bekanntes, aber ebenso starkes Beispiel ist wieder einmal Hagar in der Wüste (Genesis 21:14-19). Sie war in einer hoffnungslosen Situation, und doch begegnete ihr Gott und schenkte ihr eine Quelle in der Wüste. Beide Beispiele zeigen, dass der Friede und die Hilfe Gottes oft erst dann spürbar werden, wenn wir erkennen, dass er uns wirklich sieht und begleitet.

Persönliche Identifikation mit dem Text:

In diesem Schritt stelle ich mir sogenannte „W“ Fragen: „Was möchte der Text mir sagen?“ in der suche nach der Hauptbotschaft. Dann überlege ich, „Was sagt der Text nicht?“ um Missverständnisse zu vermeiden. Ich reflektiere, „Warum ist dieser Text für mich wichtig?“ um seine Relevanz für mein Leben zu erkennen. Anschließend frage ich mich, „Wie kann ich den Text in meinem Alltag umsetzen/anwenden?“ um praktische Anwendungsmöglichkeiten zu finden. Weiterhin denke ich darüber nach, „Wie wirkt sich der Text auf meinen Glauben aus?“ um zu sehen, wie er meinen Glauben stärkt oder herausfordert. Schließlich frage ich, „Welche Schlussfolgerungen kann ich für mich aus dem Gesagten ziehen?“ um konkrete Handlungen und Einstellungen abzuleiten.

Da stehe ich also im Sturm. Nicht unbedingt auf einem Fischerboot, vielleicht eher im Sturm meiner Gedanken, meiner Zweifel oder der Herausforderungen, die das Leben so oft unvermittelt über mich hereinbrechen lässt. Ich spüre förmlich die Dringlichkeit und die Verzweiflung der Jünger, die sich fragen, warum Jesus ausgerechnet jetzt schläft. Warum Gott gerade dann „still“ scheint, wenn die Wellen am höchsten schlagen. Und doch steckt in diesem Text etwas ungemein Beruhigendes, fast Tröstliches: Der, der schläft, ist nicht irgendein Passagier, sondern der, dem das Chaos gehorcht. Da ist einer, der Ruhe hat, weil er weiß, dass er die Kontrolle hat. Eine Botschaft, die mir sagt: Auch wenn Gott in meinem Leben schweigt, bedeutet das nicht, dass er abwesend ist.

Diese Szene berührt etwas Tiefes in mir, das Bedürfnis nach Sicherheit, nach einem Halt, der unabhängig von den äußeren Umständen ist. Manchmal, wenn die Wellen hochschlagen, drängt sich die Frage auf: „Kümmert es dich nicht?“ Ein ehrlicher, fast kindlicher Ruf nach Aufmerksamkeit. Rosenberg würde vielleicht sagen, dass dahinter mein Bedürfnis nach Verbindung, Vertrauen und Sicherheit steht. Diese menschliche Reaktion der Jünger zeigt mir, dass es nicht „falsch“ ist, zu fragen. Die Frage selbst zeigt mir, dass mein Herz mit Gott ringen darf, dass mein Glaube nicht immer abgeklärt sein muss, sondern dass mein Unverständnis Raum haben darf. Was mir der Text hier nicht sagt, ist, dass ich immer verstehen muss, warum Gott gerade nichts tut – aber er sagt mir, dass Gott auf mein Rufen antwortet, manchmal auf eine Weise, die ich nicht erwartet habe.

Hier wirkt dieser Text wie eine Erinnerung daran, dass meine Ruhe nicht aus den Umständen, sondern aus der Beziehung zu Gott kommt. Die Stürme werden sich nie gänzlich verhindern lassen – das wissen wir alle. Vielleicht ist das Leben genau so, vielleicht gehört das Chaos dazu, um mich wachsen zu lassen, wie Henry Cloud es beschreibt, wenn er über gesunde Grenzen spricht: Manchmal ist es das Zulassen von Herausforderungen, das mich innerlich stark macht. Vielleicht ist der Sturm sogar eine Art „Schule“, in der ich lerne, mein Vertrauen zu vertiefen und meine eigenen Grenzen zu verschieben. Wenn ich das Chaos nicht kontrollieren kann, könnte es gut sein, dass ich etwas anderes lerne – nämlich, mich selbst im Sturm zu finden und mein Herz auf den auszurichten, der mich trägt.

In einem praktischen Sinn fordert dieser Text mich heraus, eine Haltung der Ruhe zu entwickeln, die nicht auf äußerer Ruhe basiert. Es wäre gut, wenn ich mir angewöhne, in stürmischen Zeiten kurz innezuhalten, eine Art „inneres Kissen“ zu finden, auf dem ich wie Jesus eine innere Ruhe bewahren kann. Der Schlüssel könnte darin liegen, dass ich mir selbst sage: „Es ist okay, dass ich nicht alles verstehe.“ Die Macht Jesu über den Sturm erinnert mich daran, dass ich vielleicht nicht jedes Detail lösen muss, sondern dass es Momente gibt, in denen ich meine Sorgen schlicht loslassen und Vertrauen fassen darf, dass Gott da ist. Wie James Clear mit seiner 1%-Regel: Kleine Schritte der Zuversicht und Gelassenheit könnten ein großes Meer der inneren Ruhe schaffen.

Gleichzeitig zeigt mir dieser Text auch, dass echte Ruhe mit einer bewussten Entscheidung einhergeht. Wenn ich, wie Jesus, dem Sturm entgegentrete, dann nicht, weil ich ihn wegwünsche, sondern weil ich weiß, dass ich mich auf etwas Größeres verlassen kann. Viktor Frankl sagte einmal, dass das Streben nach Sinn – nicht das Vermeiden von Schmerz – das ist, was uns aufrecht hält. Der Sturm könnte also auch ein Teil meines Sinnweges sein, ein Weg, der mich tiefer zu Gott führt und mir hilft, das Leben mit mehr Ehrlichkeit und Mut anzunehmen.

Es ist leicht, in Zeiten der Ruhe zu glauben. Doch was für ein Glaube ist das, der nur in der Sicherheit lebt? Dieser Text lädt mich ein, den Glauben nicht als eine „Problemvermeidungsstrategie“ zu sehen, sondern als etwas, das mich durch die Wellen trägt. Gott schweigt nicht, um mir abwesend zu erscheinen; er schweigt, weil er mich zur Tiefe des Vertrauens führen will. So könnte ich diesen Text im Alltag leben, indem ich in Momenten des Sturms an diese Szene denke und mich daran erinnere, dass ich vielleicht nicht sehe, wie es enden wird, aber dass der, der bei mir ist, fähig ist, Frieden in das Chaos zu bringen.

Am Ende ist die Botschaft dieses Textes nicht, dass der Sturm immer sofort still sein wird, sondern dass ich einen Halt habe, der auch durch die heftigsten Wellen Bestand hat. Diese Geschichte erinnert mich daran, dass Vertrauen nicht bedeutet, dass alle Fragen gelöst sind, sondern dass ich lerne, an das zu glauben, was größer ist als mein Verstand. Es ist ein Text, der mir Mut macht, das Leben mit all seinen Höhen und Tiefen anzunehmen und meine Sorgen und Zweifel immer wieder loszulassen, in dem Wissen, dass mein „Schlaf“ sicher ist – nicht, weil ich alles verstehe, sondern weil ich weiß, wer die Wellen beruhigen kann.


*Die SPACE-Analyse im Detail:

Sünde (Sin): In diesem Schritt überlegst du, ob der Bibeltext eine spezifische Sünde aufzeigt, vor der du dich hüten solltest. Es geht darum, persönliche Fehler oder falsche Verhaltensweisen zu erkennen, die der Text anspricht. Sprich, Sünde, wird hier als Verfehlung gegenüber den „Lebens fördernden Standards“ definiert.

Verheißung (Promise): Hier suchst du nach Verheißungen in dem Text. Das können Zusagen Gottes sein, die dir Mut, Hoffnung oder Trost geben. Diese Verheißungen sind Erinnerungen an Gottes Charakter und seine treue Fürsorge.

Aktion (Action): Dieser Teil betrachtet, welche Handlungen oder Verhaltensänderungen der Text vorschlägt. Es geht um konkrete Schritte, die du unternehmen kannst, um deinen Glauben in die Tat umzusetzen.

Appell (Command): Hier identifizierst du, ob es in dem Text ein direktes Gebot oder eine Aufforderung gibt, die Gott an seine Leser richtet. Dieser Schritt hilft dir, Gottes Willen für dein Leben besser zu verstehen.

Beispiel (Example): Schließlich suchst du nach Beispielen im Text, die du nachahmen (oder manchmal auch vermeiden) solltest. Das können Handlungen oder Charaktereigenschaften von Personen in der Bibel sein, die als Vorbild dienen.

Diese Methode hilft dabei, die Bibel nicht nur als historisches oder spirituelles Dokument zu lesen, sondern sie auch praktisch und persönlich anzuwenden. Sie dient dazu, das Wort Gottes lebendig und relevant im Alltag zu machen.