Fettgedrucktes für schnell Leser…
Einleitender Impuls:
Jesus sagt das, kurz nachdem er einen Feigenbaum verflucht hat, der zwar Blätter trug, aber keine Frucht. Eine schockierende Szene. Und mitten in diese Dramatik spricht er über Gebet. Über Glaube. Nicht als Technik – sondern als Lebenshaltung. Glaube, sagt Jesus, vertraut schon, bevor etwas sichtbar wird. Wörtlich steht da: Glaubt, dass ihr empfangen habt. Vergangenheit. Das ist herausfordernd. Vielleicht sogar verstörend. Aber es ist kein Ruf zur Einbildung – sondern ein Ruf zur Beziehung.
Manchmal ist Gebet wie ein Paket, das man bestellt hat – mit Sendungsverfolgung, aber ohne Zustellzeit. Du weißt: Es ist unterwegs. Aber du kannst es nicht sehen, nicht greifen, nicht vorziehen. Und genau dort entscheidet sich etwas: Bleibst du in der Erwartung? Oder steigst du aus, weil es sich leer anfühlt? Jesus verspricht nicht, dass es leicht wird – aber er verspricht: Gott hört. Und wenn du bleibst, obwohl du nichts fühlst, dann geschieht das Eigentliche: Vertrauen wächst nicht durch Beweise, sondern durch Beständigkeit. Glaube lebt vom Davor – und wird darin geformt.
Für mich persönlich ist dieser Vers kein Rezept, sondern eine Einladung zur Treue. Nicht dem Gefühl, nicht dem Plan – sondern ihm selbst. Vielleicht braucht es dafür auch Vergebung – wie Jesus einen Vers später sagt. Denn ein Herz, das festhält, kann nicht gleichzeitig festhalten am Groll. Und manchmal ist genau das der Schlüssel: Loslassen. Nicht von der Hoffnung – sondern von der Bitterkeit. Dann wird Raum – für das, was Gott längst auf den Weg gebracht hat.
Fragen zur Vertiefung oder für Gruppengespräche:
- Wo in deinem Leben wartest du gerade auf etwas, das du im Glauben schon empfangen hast? Diese Frage zielt auf die Spannung zwischen sichtbarer Realität und geistlichem Vertrauen – ohne zu unterstellen, dass du nicht glaubst. Es geht darum, deinem „Davor“ einen Raum zu geben.
- Was hilft dir, im Gebet zu bleiben – auch wenn keine Veränderung sichtbar ist? Diese Frage will dich nicht erziehen, sondern einladen, deine eigenen Ressourcen und Glaubensanker zu entdecken – ganz konkret, mitten im Alltag.
- Was wäre anders, wenn du Vergebung nicht als Pflicht, sondern als Öffnung für Gottes Nähe sehen würdest? Diese Frage möchte nicht überraschen, sondern den Blick weiten: Vielleicht ist Vergebung nicht nur ein ethischer Schritt – sondern der Moment, in dem dein Herz wieder hören kann.
Parallele Bibeltexte als Slogans mit Anwendung:
Römer 4,17 – „Glauben gegen die Wahrscheinlichkeit.“ → Manchmal beginnt Hoffnung nicht mit dem Möglichen, sondern mit dem Vertrauen auf den, der Tote lebendig macht.
Hebräer 11,1 – „Glauben heißt: Jetzt schon halten.“ → Du brauchst nicht sehen, um sicher zu sein. Manches trägst du, bevor du’s greifen kannst.
1. Petrus 4,17 – „Gericht beginnt bei uns.“ → Glaube ist keine Flucht vor Verantwortung. Er beginnt im eigenen Leben – dort, wo Gott Frucht sucht.
Markus 11,25 – „Vergebung: der Weg zum Hören.“ → Manchmal beginnt Gottes Antwort genau dort, wo du loslässt, was dich festhält.
Vielleicht ist heute der richtige Tag, dir 20 Minuten Zeit zu nehmen – für ein Wort, das nicht fordert, sondern erinnert: Du bist schon gesehen.
Ausarbeitung zum Impuls
Lass uns einen Moment innehalten, um uns zu sammeln und gemeinsam mit einem kurzen Gebet zu starten.
Lieber Vater, danke für diesen neuen Tag und die Gelegenheit, in dein Wort einzutauchen. Danke, dass du uns hörst, wenn wir beten – und dass du uns ernst nimmst, auch wenn unser Glaube manchmal wackelt. Du hast gesagt: Wenn wir bitten, im Vertrauen, dann dürfen wir empfangen. Hilf uns, das nicht als Formel zu lesen, sondern als Einladung zur echten Beziehung. Nicht alles fällt uns leicht, aber wir wollen mit offenen Herzen kommen – ohne Maske, ohne religiöses Getue. Danke, dass du uns darin siehst, kennst, und liebst. Und dass du uns jetzt begegnen willst, mitten in diesem Text. Im Namen Jesu,
Amen.
Dann lass uns tiefer einsteigen und sehen, was Markus 11 uns über Vertrauen, Frucht und Glaube zu sagen hat.
Persönliche Identifikation mit dem Text und der Ausarbeitung:
In diesem Ersten Abschnitt geht es nicht darum, den Text zu erklären – sondern ihm zuzuhören. Es ist eigentlich der Letze schritt der Ausarbeitung gewesen, der den Ich nach allen anderen Schritten gegangen bin, die du danach lesen kannst… Ich versuche den Text zu sehen, zu hören zu fühlen und stelle mir die leisen, ehrlichen „W“-Fragen: Was spricht mich an? Was bleibt unausgesprochen? Warum bewegt mich das gerade jetzt? Ich frage mich, wie dieser Vers meinen Alltag berühren kann – nicht theoretisch, sondern greifbar. Und ich spüre nach, was das mit meinem Glauben macht – ob es trägt, fordert, tröstet oder alles zugleich. Am Ende suche ich nicht die perfekte Antwort, sondern eine aufrichtige Reaktion: Was nehme ich mit – ganz persönlich, im Herzen, im Leben, im Blick auf Gott.
Also, bereit?
Ich spreche hier über die Perikope in Markus 11 – die Szene mit dem Feigenbaum, dem Tempel und dem Ruf zum Vertrauen. Über einen Text, der mich lange gestört hat. Und der mich jetzt – nach allem, was ich wärend der Ausarbeitung gesehen, gelesen, gespürt habe – ganz anders trifft.
Ich sehe, wie Jesus auf den Baum zugeht. Aus der Ferne hat er Blätter gesehen. Er war hungrig. Erwartung war da. Hoffnung. Aber als er näherkommt, findet er nichts als Form. Kein Leben. Keine Frucht. Es ist ein Moment der Enttäuschung, aber auch der Offenbarung. Nicht jeder Baum, der gut aussieht, nährt. Nicht jede Struktur, die Bestand hat, trägt Leben. Und Jesus geht nicht einfach vorbei. Er spricht. Flucht. Gericht. Ich sehe nicht nur eine Geste. Ich sehe eine Diagnose. Eine, die tief reicht. In das religiöse System hinein. In mein Leben. In meine Kirche. Und vielleicht auch in mich selbst.
Ich höre, wie er sagt: „Glaubt, dass ihr empfangen habt“ – im griechischen Urtext steht hier ἐλάβετε (elabete) – eine Vergangenheitsform (Aorist), die darauf hinweist, dass das, worum gebetet wurde, in Gottes Wirklichkeit bereits geschehen ist. Auch wenn es in unserer Realität noch aussteht. Es geht nicht um Technik, nicht um Timing – sondern um Vertrauen. Ich höre keine Anleitung, sondern eine Wirklichkeitsaussage. Nicht „tu dies, dann passiert jenes“. Sondern: „Glaube beginnt da, wo du dich mit dem Herzen an das hältst, was Gott schon getan hat – obwohl es noch nicht sichtbar ist.“ Das ist keine Selbstsuggestion. Das ist Beziehung. Aber dann hör ich auch das Ungesagte: „Und wenn ihr steht und betet, so vergebt …“ (Vers 25). Warum sagt er das direkt danach? Weil Glaube nicht funktioniert, wo Groll regiert. Vertrauen braucht ein weiches Herz. Und manchmal ist genau das das Problem: Ich warte auf Gottes Antwort – aber er wartet auf mein Loslassen.
Ich fühle mich ertappt. Weil ich oft Frucht erwarte – bei mir, bei anderen – aber dabei selber keine bringe. Oder nicht die, die zählt. Ich fühle Ehrfurcht. Nicht Angst, aber Gewicht. Weil Jesus hier nicht kuschelt. Er konfrontiert. Nicht aus Härte – sondern aus Liebe zur Wahrheit. Ich fühle auch Widerstand. Weil das mit dem „glauben, dass ich empfangen habe“ nicht immer zu meiner Erfahrung passt. Ich habe gebetet. Viel. Und manches kam nie. Aber ich spüre: Vielleicht ist der Text kein Blankoscheck – sondern ein Ruf zur inneren Bewegung. Zum Bleiben im Davor. Nicht alles ist schon erfüllt. Nicht alles wird so kommen, wie ich es will. Aber der Glaube, der bleibt, obwohl nichts sichtbar ist – das ist der Glaube, den Jesus meint.
Für Menschen, die neu im Glauben sind, schnell überfordert und nach echtem Halt suchen, heißt das: Du darfst erwarten – auch wenn du noch nichts siehst. Für bibelfeste, analytisch denkende Gläubige: Die Form ἐλάβετε (elabete) ist kein Trick, sondern ein Hinweis darauf, dass Gott nicht erst auf unser Beten reagiert, sondern längst handelt – auch wenn wir es nicht sofort erkennen. Für Menschen mit wenig Zeit und viel Verantwortung im Alltag: Glaube ist nicht Gefühl, sondern Dranbleiben. Nicht perfekt – aber ehrlich. Für Verwundete, die sich nach Hoffnung sehnen: Es ist okay, dass du wartest – und leidest. Gott hört dich trotzdem. Und für alle, die kritisch, aber offen fragen: Nein, Jesus ist kein Automat. Und ja – diese Szene bleibt hart. Aber sie will dich nicht überreden. Sie lädt dich ein, zu bleiben. Ehrlich. Echt. Wach.
Ich nehme aus dieser Ausarbeitung nicht die Sicherheit mit, dass jedes Gebet erfüllt wird – aber die Hoffnung, dass kein echtes Gebet verloren geht. Ich nehme mit, dass Jesus nicht auf Systeme wartet – sondern auf Menschen, die ihn meinen. Ich nehme mit, dass Frucht nicht Effekt ist, sondern Nähe. Und ich nehme mit, dass ich oft schnell gehe – aber Jesus länger stehen bleibt, weil er weiß, was da fehlt.
Wenn du wissen willst, wie all das zusammenhängt – vom Feigenbaum bis zur Vergebung, vom Gebet bis zur Frucht, dann lies weiter. Ich hab’s mit Herz, Kopf und Seele ausgearbeitet.
Der Text:
Zunächst werfen wir einen Blick auf den Text in verschiedenen Bibelübersetzungen. Dadurch gewinnen wir ein tieferes Verständnis und können die unterschiedlichen Nuancen des Textes in den jeweiligen Übersetzungen oder Übertragungen besser erfassen. Dazu vergleichen wir die Elberfelder 2006 (ELB 2006), Schlachter 2000 (SLT), Luther 2017 (LU17), Basis Bibel (BB) und die Hoffnung für alle 2015 (Hfa).
Markus 11,24
ELB 2006: Darum sage ich euch: Alles, um was ihr auch betet und bittet, glaubt, dass ihr es empfangen habt, und es wird euch werden.
SLT: Darum sage ich euch: Alles, was ihr auch immer im Gebet erbittet, glaubt, dass ihr es empfangt, so wird es euch zuteilwerden!
LU17: Darum sage ich euch: Alles, was ihr betet und bittet, glaubt nur, dass ihr’s empfangt, so wird’s euch zuteilwerden.
BB: Deshalb sage ich euch: Für alles, worum ihr im Gebet bittet, gilt: Glaubt fest daran, dass ihr es bekommt, dann wird es euch geschehen.
HfA: Deshalb sage ich euch: Um was ihr auch bittet – glaubt fest, dass ihr es schon bekommen habt, und Gott wird es euch geben!
Der Kontext:
In diesem Abschnitt geht es darum, die grundlegenden Fragen – das „Wer“, „Wo“, „Was“, „Wann“ und „Warum“ – zu klären. Das Ziel ist es, ein besseres Bild von der Welt und den Umständen zu zeichnen, in denen dieser Vers verfasst wurde. So bekommen wir ein tieferes Verständnis für die Botschaft, bevor wir uns den Details widmen.
Kurzgesagt… Jesus ist unterwegs nach Jerusalem, ganz bewusst. Er weiß, dass es auf Karfreitag hinausläuft. Auf dem Weg dorthin passiert etwas scheinbar Nebensächliches – ein verdorrter Feigenbaum –, das sich als tiefer Kommentar auf den geistlichen Zustand Israels entpuppt. Und mitten drin: ein Vers über Glauben und Gebet, der fast surreal direkt klingt.
Previously on Markus 11: Jesus ist gerade in Bethanien, einem kleinen Ort kurz vor Jerusalem. Es ist die Woche vor dem Passahfest – also die Zeit, in der die Stadt mit Menschen überquillt. Er hungert. Nicht symbolisch, sondern echt. Er sieht einen Feigenbaum mit Blättern, geht hin, findet nichts als Blätter – keine Frucht. Obwohl noch nicht Feigensaison ist, verflucht er den Baum. Klingt erstmal willkürlich. Doch später wird klar: Dieser Baum steht sinnbildlich für das religiöse System Israels – viel Show, wenig Substanz. Am nächsten Tag geht er in den Tempel. Was er dort sieht, bestätigt alles: Händler, Geldwechsler, eine religiöse Bühne, auf der Gottes Gegenwart kaum mehr durchschimmert. Also räumt er auf – wortwörtlich. Er wirft die Tische um, schmeißt die Händler raus. Und dann, auf dem Rückweg, ist der Baum verdorrt. Petrus ist baff. Und genau an dieser Stelle sagt Jesus den Satz: „Glaubt, dass ihr empfangen habt, was ihr bittet.“ Klingt wie eine Gebetstechnik – ist aber eigentlich eine Lektion über Vertrauen mitten im Chaos.
Damals war der Tempel das Zentrum religiösen Lebens, aber er war längst zur Bühne geworden. Das Priestertum war politisch verstrickt, viele suchten Einfluss oder Absicherung. Religiöse Rituale wurden erfüllt – aber die Herzensbeziehung zu Gott war vielerorts tot. Für einfache Leute war der Tempel eher einschüchternd als ein Ort der Hoffnung. In dieses Spannungsfeld spricht Jesus hinein. Er konfrontiert eine Form von Frömmigkeit, die außen glänzt, aber innen leer ist. Und er stellt dem etwas entgegen, das fast naiv klingt: „Vertraut Gott. Echt. Direkt. Persönlich. Glaubt, dass ihr gehört werdet.“ Das ist kein Feel-Good-Satz, sondern eine kleine Revolution – besonders, wenn du bisher dachtest, du brauchst Vermittler, Systeme, Opfer, um zu Gott durchzudringen.
Jesus spricht das nicht im luftleeren Raum. Es ist Dienstag der Passionswoche. Das Kreuz rückt näher, die Fronten verhärten sich, die Zeit läuft ab. Seine Worte sind nicht pastoral-distanziert, sondern hochkonzentriert. Er lehrt im Angesicht der religiösen Elite – mitten in einer Atmosphäre von Misstrauen, Kontrolle, Angst und Machtspielen. Die Spannung ist greifbar. Und genau da, wo alles eng wird, spricht er vom Glauben, der bewegt, vom Gebet, das ankommt, und von einer Verbindung zu Gott, die nicht über Hierarchien läuft, sondern direkt.
Was wir als Nächstes tun: Wir schauen uns die Schlüsselwörter aus dem Vers an – Wort für Wort, mit Blick aufs Griechische und die semantische Tiefe.
Die Schlüsselwörter:
In diesem Abschnitt wollen wir uns genauer mit den Schlüsselwörtern aus dem Text befassen. Diese Worte tragen tiefere Bedeutungen, die oft in der Übersetzung verloren gehen oder nicht auf den ersten Blick ersichtlich sind. Wir werden die wichtigsten Begriffe aus dem ursprünglichen Text herausnehmen und ihre Bedeutung näher betrachten. Dabei schauen wir nicht nur auf die wörtliche Übersetzung, sondern auch darauf, was sie für das Leben und den Glauben bedeuten. Das hilft uns, die Tiefe und Kraft dieses Verses besser zu verstehen und ihn auf eine neue Weise zu erleben.
Markus 11,24 – Ursprünglicher Text (Nestle-Aland 28):
διὰ τοῦτο λέγω ὑμῖν, πάντα ὅσα προσεύχεσθε καὶ αἰτεῖσθε, πιστεύετε ὅτι ἐλάβετε, καὶ ἔσται ὑμῖν.
Übersetzung Markus 11,24 (Elberfelder 2006):
Darum sage ich euch: Alles, um was ihr auch betet und bittet, glaubt, dass ihr es empfangen habt, und es wird euch werden.
Semantisch-pragmatische Kommentierung der Schlüsselwörter
- προσεύχεσθε (proseuchesthe) – „betet“: Dieses Verb kommt aus der Wurzel „εὔχομαι“ („wünschen“) mit der Vorsilbe „πρός“, die Richtung oder Beziehung anzeigt – wörtlich also: sich hinwenden mit einer Bitte. Es beschreibt nicht einfach das Reden zu Gott, sondern einen aktiven, zielgerichteten Vertrauensakt. Grammatisch liegt hier Präsens Medium/Passiv Indikativ 2. Person Plural vor – also eine fortlaufende Handlung: ihr seid im Beten. Das Medium deutet an, dass der Beter selbst involviert ist, also nicht distanziert delegiert, sondern sein Herz mit hineingibt. Gebet ist hier nicht Monolog, sondern ein Beziehungsvorgang.
- αἰτεῖσθε (aiteisthe) – „bittet“: Dieses Wort ist intensiver als proseuchesthe. Es meint nicht das stille Gebet, sondern die konkrete, ausgesprochene Bitte. Es ist fordernder – aber nicht trotzig. Im NT wird „αἰτέω“ fast immer von einem Unterlegenen gebraucht, der sich an einen Höhergestellten wendet. Im Gegensatz zu „ἐρωτάω“ (fragen auf Augenhöhe) betont es den Charakter des Angewiesenseins. Auch hier im Präsens Medium – also wieder: ihr seid dauerhaft im Bitten. Man könnte sagen: Glaube zeigt sich im Bitten – nicht im Schweigen.
- πιστεύετε (pisteuete) – „glaubt“: Hier liegt das Imperativ Präsens Aktiv 2. Person Plural vor – also ein ausdrücklicher Befehl: Glaubt! Doch „πιστεύω“ ist kein vages „Ich hoffe, das klappt“, sondern bedeutet Vertrauen, Zutrauen, sich festmachen an etwas oder jemandem. Es ist relational, nicht abstrakt. Glauben ist hier nicht die Bedingung fürs Empfangen, sondern die Haltung, in der überhaupt empfangen werden kann. Der Präsens betont: es geht nicht um einen Moment des Glaubens, sondern um ein Lebensklima des Vertrauens.
- ἐλάβετε (elabete) – „ihr habt empfangen“: Aorist Aktiv Indikativ – eine abgeschlossene Handlung. Nicht „ihr werdet empfangen“, sondern „ihr habt (es schon) empfangen“. Das klingt paradox, denn die Bitte wurde doch gerade erst ausgesprochen. Aber im griechischen Sprachverständnis kann der Aorist auch eine gewisse Perspektivverschiebung markieren: aus Gottes Sicht ist das Erbetene bereits Realität, auch wenn es in der sichtbaren Welt noch nicht angekommen ist. Man betet nicht, um zu sehen ob etwas geschieht – man betet, weil man innerlich schon empfangen hat. Dieses Spannungsfeld ist das Herzstück des Verses.
- ἔσται (estai) – „es wird (euch) werden“: Futur Medium Indikativ 3. Person Singular von „εἰμί“ (sein). Das Futur zeigt die sichtbare Verwirklichung dessen, was im Glauben schon angenommen wurde. Das Medium kann eine gewisse Mitbeteiligung oder Nähe des Geschehens ausdrücken: Das Empfangene „wird euch gehören“, es geschieht euch, fast schon wie ein Geschenk, das zu euch kommt, nicht durch Leistung, sondern Beziehung.
- ὑμῖν (hymin) – „euch“: Dativ Plural – das Empfangen zielt auf konkrete Menschen, nicht auf Ideen. Der Glaube ist nicht allgemein, sondern zugewandt. Jesus spricht nicht von Prinzipien, sondern zu seinen Jüngern. Dieser Vers ist keine Formel für Wunder, sondern ein Gespräch mit Menschen, die gelernt haben, was Vertrauen kostet.
Diese Wortfelder zeigen, dass der Vers keine magische Gebrauchsanweisung für Wünsche ist, sondern eine dichte Einladung zum Vertrauen – inmitten eines Kontextes, der von religiösem Funktionieren geprägt war. Jesus sprengt diese Logik, indem er sagt: Wahre Beziehung lebt vom Vertrauen, nicht von Performanz.
Als Nächstes steigen wir in die theologische Kommentierung ein – wie diese Schlüsselwörter zusammenklingen und was sie im Rahmen der biblischen Glaubensbeziehung freisetzen.
Ein Kommentar zum Text:
Es lohnt sich, die gesamte Szene einmal laut zu lesen – Markus 11,12–25 –, so wie sie dasteht, mit all ihrer Spannung, ihren Brüchen und der beinahe unbequemen Direktheit. Dann spürt man sofort: Hier geht es um mehr als um einen verdorrten Baum oder einen wütenden Rabbi im Tempel. Hier wird etwas sichtbar – und gleichzeitig entzogen. Es ist nicht leicht, diesen Text zu mögen. Aber vielleicht ist das genau der Punkt.
Jesus ist hungrig. Er sieht einen Baum voller Blätter. Er geht hin. Keine Frucht. Er verflucht ihn. Später ist er verdorrt – von der Wurzel an. Diese scheinbar überzogene Reaktion Jesu lässt viele stolpern. Ist das gerecht? Die Jahreszeit war doch noch gar nicht reif für Feigen. Warum diese Härte? Hurtado gibt eine erste Spur: Der Baum steht symbolisch für Israel und den Tempel, die beide äußerlich lebendig erscheinen, aber keine geistliche Frucht bringen (Hurtado, Mark). Diese Lesart bringt Ruhe in die Irritation – aber sie erklärt noch nicht die Schärfe. Williamson wird deutlicher: „Beide scheinen zu gedeihen; keiner bringt Frucht; beide werden verurteilt“ (Williamson, Mark I). Jesus richtet nicht die Botanik, sondern das religiöse System. Für mich als adventistischer Theologe ist das keine Nebenlinie – sondern eine präzise Wiederaufnahme der prophetischen Gerichtskritik aus Jeremia 7. Auch dort steht der Tempel im Fokus – und Gott erklärt unmissverständlich, dass äußerer Kult keine Garantie für göttliche Nähe ist (vgl. Jeremia 7,1–15).
Der literarische Rahmen – der sogenannte markinische Sandwich-Stil – macht das deutlich: Baum, Tempel, Baum. Die beiden Feigenbaum-Episoden umklammern die Tempelreinigung. Für Strauss ist das keine Spielerei, sondern ein „theologischer Doppelkommentar“, der Gericht, Erwartung und geistliche Fruchtbarkeit miteinander verzahnt (Strauss, Mark). Was keinen geistlichen Ertrag bringt, wird unter das Gericht gestellt – und zwar endgültig: „von der Wurzel her“ (Strauss). Tan greift diese Beobachtung auf und verweist auf die Detailtiefe des Textes: Die Tatsache, dass es „nicht die Zeit für Feigen“ war, sei kein Hinweis auf Irrtum, sondern auf die Eschatologie – das heißt auf die Rede von den letzten Dingen – und das Gericht, das sich in der Gegenwart ereignet, weil Gottes Geduld an ihr Ende kommt (Tan, Mark).
Für mich zeigt sich hier eine Linie, die in der Adventbewegung besonders stark aufgenommen wurde: Das Gericht ist keine bloße Zukunftsvision, sondern beginnt mit dem Volk Gottes – und mit seiner Verantwortung. Diese Perspektive entspricht der biblischen Grundstruktur, dass das Haus Gottes zuerst gerichtet wird (vgl. 1. Petrus 4,17). Die Gerichtsthematik ist damit kein fernes Unwetter, sondern eine ernste Anfrage an das geistliche Jetzt – vor allem dort, wo religiöse Praxis nach außen funktioniert, aber die innere Verbundenheit mit Gott verdorrt ist.
Dann aber der Bruch. Petrus weist am nächsten Tag auf den verdorrten Baum hin. Und was tut Jesus? Er antwortet nicht mit einem Kommentar über den Tempel oder das Gericht – sondern mit einem Aufruf zum Glauben. Markus 11,22–25 wirkt zunächst wie ein Themawechsel. Doch bei näherem Hinsehen zeigt sich: Es ist eine Weiterführung. Die äußere Religion wird verurteilt – der innere Zugang zu Gott eröffnet. Jesus sagt: „Habt Glauben an Gott.“ Wörtlich steht da: ἔχετε πίστιν θεοῦ – (echete pistin theou). Das kann als „Habt den Glauben, den Gott wirkt“ oder „Habt Glauben in Bezug auf Gott“ verstanden werden. Die erste Lesart betont die göttliche Quelle des Vertrauens, die zweite seine Richtung. Osborne verbindet beides: Glaube ist nicht bloß eine Überzeugung, sondern eine „göttlich fokussierte Lebensperspektive“ (Osborne, Mark). Für mich heißt das: Glaube ist Teilhabe an Gottes Blick auf die Welt. Es ist der Mut, Gottes Realität mehr zu vertrauen als der eigenen Einschätzung. Das ist keine psychologische Technik – sondern ein geistlicher Zustand.
Die sprachliche Struktur bestätigt diese Tiefe. Das Verb πιστεύετε – (pisteuete) – steht im Präsens-Imperativ: „Glaubt (beständig)!“ Es geht also nicht um einen punktuellen Akt, sondern um eine kontinuierliche, andauernde Haltung des Vertrauens. Auch die Verben davor sind bedeutsam: προσεύχεσθε (proseuchesthe – beten) und αἰτεῖσθε (aiteisthe – bitten) erscheinen beide in der zweiten Person Plural, im Medium/Passiv Indikativ Präsens. Das heißt: Es sind reflexive Handlungen, die eine Beziehung beschreiben – nicht bloß ein Akt des Sprechens, sondern ein sich-zuwenden, ein sich-verlassen auf Gott. Williams betont diesen Punkt: „Beten im Glauben bedeutet, Gottes Wirklichkeit mehr zu vertrauen als der sichtbaren Realität“ (Williams, Mark). Das ist keine Methode – sondern geistliche Ausrichtung.
Im Zentrum des Verses steht das griechische Wort ἐλάβετε – (elabete) – „ihr habt empfangen“. Es ist Aorist Aktiv Indikativ, also eine Vergangenheitsform, die entweder ein vollendetes Faktum oder ein gnomisches Prinzip beschreibt. Die Spannung ist spürbar: Habe ich schon empfangen – obwohl ich es noch nicht sehe? Für mich liegt hier kein magisches Denken vor, sondern eine eschatologische Perspektive: Das, was Gott zugesagt hat, ist in seinem Horizont schon Realität – auch wenn wir es in unserem Zeitrahmen noch erwarten. Diese Spannung zwischen „schon empfangen“ und „noch nicht sichtbar“ durchzieht das ganze Neue Testament (vgl. Hebräer 11,1; Römer 4,17).
Doch dieser Vers wird durch Vers 25 ergänzt – und klärt, woran echter Glaube gebunden ist. „Wenn ihr steht und betet, so vergebt.“ Für Strauss ist das zentral: „Erfolgreiches Gebet hängt an einem vergebenden Herzen“ (Strauss, Mark). Williams bringt es noch pointierter: „Wer nicht vergibt, steht außerhalb des Flusses göttlicher Gnade“ (Williams). Das ist keine ethische Nebenbemerkung – sondern theologische Tiefenstruktur. Vergebung ist nicht die Folge von Gebet – sondern seine Voraussetzung. Für mich bedeutet das: Der Mensch, der nicht vergibt, kappt die Leitung zur Quelle. Denn der Gott, zu dem wir beten, ist selbst der Ursprung aller Vergebung (vgl. 2. Korinther 5,19; Matthäus 6,12).
Hier wird die paulinische Theologie spürbar: Die Versöhnung, die wir empfangen haben, wird zur Maßgabe unseres Handelns. Der Glaube, den wir leben, zeigt sich in Beziehung – nicht in Isolation. Für Johnsson ist dies ein adventistischer Kerngedanke: Glaube ist nie Theorie, sondern „Vertrauen, das sich im Leben bewährt – im Gehorsam und in der Liebe“ (Johnsson, Mark). Diese Formulierung deckt sich mit der biblischen Logik der Offenbarung, wo die „Gebote Gottes“ und der „Glaube Jesu“ zusammengehören (vgl. Offenbarung 14,12). Es geht nicht um Gesetzlichkeit – sondern um die Frucht eines echten Vertrauens.
Auffällig ist, dass in Vers 26 (in vielen Handschriften enthalten) noch einmal betont wird, dass auch der Vater nicht vergibt, wenn wir nicht vergeben. Dieser Vers fehlt in den ältesten Textzeugen – doch sein Inhalt spiegelt exakt die Theologie Jesu in Matthäus 6,15. Die Botschaft bleibt: Vergebung ist nicht optional.
Der Vers 23 – oft übersehen – bringt eine weitere Schärfung: „Wer zu diesem Berg sagt: Heb dich empor und wirf dich ins Meer…“ Tan deutet dies als eschatologischen Bruch: Der Tempelberg – Symbol der alten Ordnung – kann verschwinden, wenn echter Glaube auftritt. Das ist mehr als poetisch. Es ist eine prophetische Aussage: Die religiöse Struktur wird abgelöst – durch Glaube, der Gott vertraut und in Vergebung lebt. Für mich als Adventist ist diese Linie wesentlich: Der neue Tempel ist nicht aus Stein – sondern aus Menschen, die im Geist leben (vgl. 1. Korinther 3,16; Epheser 2,20–22). Und das Gericht beginnt bei ihnen – nicht bei anderen. Die große Bewegung Gottes führt nicht zur Institution, sondern zu lebendiger Gemeinschaft.
Was also sagt Markus 11,24? Sicher nicht, dass man durch festes Glauben einen Parkplatz „manifestieren“ kann. Es geht nicht um Technik, sondern um Beziehung. Wer glaubt, ist Teil eines anderen Systems – eines, in dem Frucht zählt, nicht Form. In dem Vergebung mehr wiegt als Opfer. Und in dem Gebet nicht Bestellung, sondern Begegnung ist. Die Jünger Jesu sollen nicht religiöse Macht übernehmen – sondern in der Nachfolge leben, als Haus des Gebets, getragen von Vertrauen, durchdrungen von Vergebung.
Und trotzdem bleibt etwas offen. Denn: Wie viel Frucht ist genug? Wo ist der Punkt, an dem Gott sagt: „Hier reicht’s nicht mehr“? Wie lebt man in dieser Spannung – zwischen ernsthaftem Ruf zur Fruchtbarkeit und der Gnade, die Geduld hat? Jesus verflucht einen Baum. Aber seine Jünger ruft er zum Beten.
Was heißt es, an einen Gott zu glauben, der Frucht erwartet – aber zuerst vergibt?
Zentrale Punkte der Ausarbeitung
- Glaube lebt vom Vertrauen – nicht vom Beweis.
- Jesu Aussage in Markus 11,24 ruft zu einem Glauben auf, der sich an Gottes Wirklichkeit orientiert, nicht an der eigenen Sichtbarkeit. Das griechische Wort ἐλάβετε (elabete) steht im Aorist – einer Vergangenheitsform, die verdeutlicht: Aus Gottes Perspektive ist das Empfangene schon geschehen – auch wenn ich es noch nicht sehe.
- Das stellt unsere Gebetskultur in Frage: Vertraue ich Gott, oder warte ich nur auf Resultate?
- Frucht ist kein Etikett – sondern ein geistlicher Zustand.
- Die Szene mit dem Feigenbaum ist kein impulsiver Ausraster Jesu, sondern ein prophetisches Zeichen. Sie richtet sich nicht gegen den Baum, sondern gegen jede religiöse Fassade, die keinen geistlichen Ertrag bringt.
- Es geht nicht darum, perfekt zu funktionieren, sondern ehrlich und lebendig mit Gott verbunden zu sein – auch wenn’s manchmal nur kleine Früchte sind.
- Gebet ist Beziehung – keine spirituelle Bestellung.
- Jesus sagt nicht: „Wenn ihr genug glaubt, bekommt ihr alles.“ Er sagt: „Wenn ihr glaubt, dass ihr empfangen habt…“ Das ist ein Beziehungsverhältnis. Kein Automatismus.
- Und er ergänzt: „Vergebt, wenn ihr betet“ – weil Unversöhnlichkeit der Beziehung den Boden entzieht. Ohne Versöhnung kein Vertrauen, ohne Vertrauen kein echtes Gebet.
- Der Tempel weicht – aber Gott bleibt nicht fern.
- Die Tempelreinigung steht mitten in dieser Szene – als Zeichen, dass Gott nicht mehr an Orte gebunden ist, sondern sich mit Menschen verbindet.
- Frucht, Glaube, Gebet und Vergebung – sie sind die neuen Koordinaten der Gegenwart Gottes. Kein System trägt mehr – nur Beziehung.
Warum ist das wichtig für mich?
- Es konfrontiert mein Gottesbild. Ich merke, wie oft ich glaube, dass Gott erst dann handelt, wenn ich ihn überzeugt habe. Aber dieser Text zeigt: Gott ist längst in Bewegung. Glaube bedeutet, mich in seine Wirklichkeit hineinzustellen, nicht ihn in meine zu zwingen.
- Es verändert meine Gebetshaltung. Ich bete oft reaktiv – wenn ich Mangel spüre. Doch Jesus ruft mich in eine Haltung, die aus dem Empfang lebt, nicht aus der Erwartung. Ich darf beten, als ob Gott schon handelt – weil er es tut.
- Es stellt mein Leben in Frage – aber nicht verurteilend. Der Feigenbaum ist Warnung und Einladung zugleich. Nicht, um Angst zu machen – sondern, um zu prüfen: Wächst da etwas Echtes in mir – oder nur Form?
- Es schenkt Hoffnung in der Unsichtbarkeit. Ich darf im Davor bleiben – nicht alles ist schon erfüllt, aber das macht es nicht weniger real. Ich lebe aus einer Hoffnung, die nicht durch Sichtbarkeit, sondern durch Vertrauen genährt wird.
Der Mehrwert dieser Ausarbeitung
- Ich entdecke, dass Glaube kein Gefühl, sondern eine Beziehung ist, die auch durch leere Zeiten trägt.
- Ich lerne, dass Gott nicht erst in Aktion tritt, wenn ich genug glaube – sondern mich in einen Raum ruft, in dem er längst gegenwärtig ist.
- Ich werde erinnert, dass geistliche Frucht nicht Leistung bedeutet, sondern Verbindung.
- Ich erkenne, dass der Ruf Jesu kein moralischer Appell ist – sondern ein Ruf ins Vertrauen, das selbst dann trägt, wenn es noch nichts zu sehen gibt.
Kurz gesagt: Wenn Glaube heißt, zu leben, als hätte ich schon empfangen – dann ist mein Vertrauen nicht naiv, sondern Teilhabe an Gottes Wirklichkeit. Und das verändert alles.
