Matthäus 5,9 Dazwischen. Bleiben. Stehen. → „Glücklich sind, die Frieden stiften, denn Gott wird sie seine Kinder nennen.“

Fettgedrucktes für schnell Leser…

Einleitender Impuls:

Vielleicht geht es dir wie mir: Du liest diesen Vers und denkst zuerst an die Welt da draußen. An politische Konflikte, große Friedensnobelpreise oder historische Versöhnungsmomente. Aber Jesus sagt das nicht zu Präsidenten oder UN-Diplomaten. Er sagt es zu Menschen wie dir. Wie mir. Menschen, die in Spannungen stehen, die sie nicht gewollt haben. Und die oft nicht wissen, was der nächste Schritt wäre.

Frieden stiften klingt schön – bis du mittendrin stehst. Zwischen Erwartungen. Zwischen Meinungen. Zwischen Menschen, die einander wehgetan haben. Vielleicht auch: zwischen dem, was du glaubst, und dem, was du leben kannst. Und Jesus sagt nicht: Wenn du alles löst, bist du Kind Gottes. Er sagt: Wenn du dich nicht entziehst, sondern dich dazwischen stellst – dann nennt dich Gott so. Nicht weil du fertig bist, sondern weil du treu bleibst.

Diese Zusage ist keine Belohnung. Sie ist Identifikation. Du gehörst zu mir, sagt Gott, wenn du dich in meinem Namen einsetzt für das, was brüchig geworden ist. Und ich weiß nicht, wie es dir geht – aber ich brauche das. Diese Erinnerung, dass Frieden nicht perfekt sein muss, um echt zu sein. Und dass es reicht, dazubleiben. Bereit, verletzlich, offen. Auch wenn der Applaus ausbleibt. Auch wenn du nie hörst: „Gut gemacht.“

Fragen zur Vertiefung oder für Gruppengespräche:

  1. Wo in deinem Leben vermeidest du es, dich zwischen zwei Fronten zu stellen – nicht aus Gleichgültigkeit, sondern aus Erschöpfung oder Schutz? Diese Frage will sanft in Bewegung bringen: Sie lädt dich ein, zu prüfen, ob deine Zurückhaltung vielleicht aus alten Verletzungen stammt – nicht, um dich zu drängen, sondern um dich zu sehen.
  2. Wie könnte es konkret aussehen, in deiner aktuellen Situation Frieden zu stiften, ohne dich dabei selbst zu verlieren? Diese Frage sucht die Übersetzung: Was heißt „Friedensstifter“ dort, wo du lebst, arbeitest, liebst – ohne dass du dich aufopferst oder dich verbiegst?
  3. Was macht der Gedanke mit dir, dass Gott dich vielleicht längst bei einem Namen nennt, den du selbst noch nicht glaubst? Diese Frage geht unter die Oberfläche. Sie öffnet die geistliche Tiefe der Verheißung – nicht als Leistung, sondern als Identität, die auf dich wartet.

Parallele Bibeltexte als Slogans mit Anwendung:

Jesaja 52,7 – „Wie schön sind die Füße des Friedens.“ → Wo du dich in Bewegung setzt für Versöhnung, bist du Teil einer größeren Geschichte, die Gott schon lange schreibt.

Römer 12,18 – „So weit es an euch liegt.“ → Nicht alles liegt in deiner Hand – aber der erste Schritt vielleicht doch.

2. Korinther 5,18–20 – „Lasst euch versöhnen.“ → Friedensstiftung beginnt mit der Bereitschaft, selbst versöhnt zu leben – mit Gott, mit dir, mit anderen.

Lukas 6,35 – „Tut Gutes und hofft nichts dafür.“ → Der wahre Lohn kommt nicht von Menschen, sondern vom Vater, der ins Verborgene sieht.

Wenn du dir 20 Minuten Zeit nimmst, findest du in der ganzen Betrachtung vielleicht keine Antwort auf alles – aber eine Stimme, die dich meint.


Ausarbeitung zum Impuls

Lass uns kurz innehalten. Vielleicht magst du für einen Moment alles beiseitelegen, was dich gerade beschäftigt. Und dann mit mir beten – ganz ruhig, ehrlich, einfach.

Liebevoller Vater, danke, dass du uns inmitten von Spannungen nicht allein lässt. Danke, dass du uns siehst – gerade da, wo wir uns bemühen, Frieden zu stiften, auch wenn es keiner bemerkt. Du hast gesagt, dass du die Menschen, die Frieden machen, deine Kinder nennst. Das ist so viel mehr als eine Anerkennung – es ist ein Zuhause. Du weißt, wo wir zu müde sind, um dazwischenzustehen. Wo wir uns lieber zurückziehen würden. Aber du bleibst. Und ich glaube, du lädst uns ein, nicht aus Stärke, sondern aus Vertrauen heraus zu handeln. Danke, dass dein Blick auf uns nicht erst kommt, wenn wir alles richtig machen – sondern schon da ist, wenn wir uns einfach nur bereit halten. Im Namen Jesu,

Amen.

Lass uns jetzt tiefer einsteigen in die Ausarbeitung zu Matthäus 5,9 – wir nehmen uns Zeit für das, was uns bewegen will.

Persönliche Identifikation mit dem Text und der Ausarbeitung:

In diesem Ersten Abschnitt geht es nicht darum, den Text zu erklären – sondern ihm zuzuhören. Es ist eigentlich der Letze schritt der Ausarbeitung gewesen, der den Ich nach allen anderen Schritten gegangen bin, die du danach lesen kannst… Ich versuche den Text zu sehen, zu hören zu fühlen und stelle mir die leisen, ehrlichen „W“-Fragen: Was spricht mich an? Was bleibt unausgesprochen? Warum bewegt mich das gerade jetzt? Ich frage mich, wie dieser Vers meinen Alltag berühren kann – nicht theoretisch, sondern greifbar. Und ich spüre nach, was das mit meinem Glauben macht – ob es trägt, fordert, tröstet oder alles zugleich. Am Ende suche ich nicht die perfekte Antwort, sondern eine aufrichtige Reaktion: Was nehme ich mit – ganz persönlich, im Herzen, im Leben, im Blick auf Gott.

Also, bereit?

Ich spreche über die Perikope Matthäus 5,3–10. Und diesmal über Vers 9. Die achte Seligpreisung. „Glückselig sind die Friedensstifter, denn sie werden Söhne Gottes genannt werden.“ Wir haben uns schon durch mehrere Verse bewegt – durch Sanftmut, Hunger nach Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und das Zerbrechliche des reinen Herzens. Und jeder dieser Verse hatte eine eigene Stimme, ein eigenes Gesicht. Nun also: Friedensstifter.

Was ich sehe? Zuerst: das, was wir schon gesehen haben. Keine Bühne, keine Triumphgeste. Menschen, die in der Leere stehen – nicht als Helden, sondern als Hoffende. Die Sanftmütigen, die Stillen, die Suchenden. Und jetzt treten andere hervor. Nicht von außen sichtbar anders, aber innerlich: Sie bewegen sich. Nicht weg vom Konflikt, sondern in ihn hinein. Ich sehe Menschen, die nicht schweigen, wenn es kracht. Die nicht mitlaufen, wenn Wunden vertuscht werden. Ich sehe jemanden, der sich zwischen zwei Menschen stellt, nicht weil er sich einmischt, sondern weil er Frieden will. Vielleicht auch jemanden, der das Gespräch sucht, das er lange gemieden hat – in der Familie, am Arbeitsplatz, in der Gemeinde.

Was ich höre? Wir haben vorher gehört, wie Jesus in paradoxen Wendungen sprach – „glückselig, die trauern“, „glückselig, die hungern“. Jetzt hören wir wieder etwas Unerwartetes: Nicht die, die recht haben, werden selig genannt – sondern die, die Frieden machen. Und er sagt nicht, dass sie Söhne Gottes sind – sondern dass sie genannt werden. Ich höre da ein leises Versprechen – und auch eine Spannung. Zwischen dem, was man lebt, und dem, was (noch) nicht gesehen wird. Zwischen dem Tun und dem Genanntwerden. Vielleicht ist genau diese Spannung die Sprache des Reiches Gottes: dass du schon jetzt etwas trägst, was erst später benannt wird.

Was ich fühle? Einen Widerstand in mir – ehrlich gesagt. Denn Frieden zu stiften ist nie bequem. Es ist kein „wir haben uns alle lieb“-Moment. Es kann heißen, dass ich meine Meinung zurückstelle, um zuzuhören. Oder dass ich schweige, obwohl ich im Recht bin. Oder dass ich hingehe, obwohl ich verletzt wurde. Und gleichzeitig spüre ich: Das ist kein moralischer Auftrag – es ist eine Zusage. Du wirst genannt. Nicht von denen, für die du dich verausgabst. Sondern von dem, der dich sieht.

Und es gibt noch etwas, das ich fühle – ein Echo aus dem, was wir in den anderen Versen gespürt haben: die Zerbrechlichkeit des Reinen, das Aushalten des Ungestillten, das Weichbleiben trotz allem. Jetzt wird all das nach außen getragen – als Bewegung in den Riss hinein.

Was der Text mir sagen will? Vielleicht das: Frieden ist nie bequem. Aber er ist göttlich. Und wer ihn stiftet, wird nicht übersehen – auch wenn es keiner merkt. Gott selbst wird dich beim Namen nennen. Und das ist mehr, als sich viele von uns je erhoffen.

Was der Text nicht sagt? Dass alle Friedensarbeit gleich wäre. Er sagt nicht, dass man alles aushalten muss oder jeder Kompromiss gut ist. Er sagt auch nicht, dass du dich selbst aufgeben sollst. Er sagt nur: Wenn du dich einsetzt für Versöhnung – in deinem Rahmen, mit deiner Kraft – dann sieht Gott dich. Und du bist nicht allein.

Warum ist das wichtig – für dich, für mich? Weil wir alle Menschen kennen, mit denen es gerade schwierig ist. Weil wir Konflikte erleben, an denen wir innerlich zerschellen könnten. Und weil es eine völlig andere Perspektive ist zu sagen: Ich muss hier nicht gewinnen – ich darf Frieden säen. Vielleicht ist es ein Gespräch, das du suchst. Vielleicht eine Entschuldigung, die längst überfällig ist. Vielleicht auch einfach ein stilles „Ich bin noch da“, wo andere längst gegangen sind.

Und dann der Satz, der mir nicht aus dem Kopf geht: „Sie werden Söhne Gottes genannt werden.“ Das ist nicht ein Titel – das ist Identität. Zugehörigkeit. Nicht aus Leistung. Sondern weil du in deinem Tun etwas vom Vater durchscheinen lässt. Schon Jesaja sprach davon: „Wie lieblich sind die Füße dessen, der Frieden verkündigt…“ (Jesaja 52,7). Jesus nimmt dieses Bild – und sagt: Das gilt für dich.

Was bleibt? Vielleicht der Gedanke, dass wir oft handeln, ohne zu wissen, was es bringt. Vielleicht auch die Hoffnung, dass es genau das ist, was zählt. Gott wird dich nennen. Nicht irgendwann. Sondern zur rechten Zeit. Und bis dahin? Bleib dazwischen stehen. Wo andere schreien, bring Stille. Wo andere gehen, bleib ansprechbar. Nicht perfekt. Aber verfügbar.

Wenn dich das berührt – lies weiter. Die Ausarbeitung öffnet den Raum tiefer. Vielleicht findest du darin nicht nur einen Gedanken. Sondern dich selbst.

Der Text:

Zunächst werfen wir einen Blick auf den Text in verschiedenen Bibelübersetzungen. Dadurch gewinnen wir ein tieferes Verständnis und können die unterschiedlichen Nuancen des Textes in den jeweiligen Übersetzungen oder Übertragungen besser erfassen. Dazu vergleichen wir die Elberfelder 2006 (ELB 2006), Schlachter 2000 (SLT), Luther 2017 (LU17), Basis Bibel (BB) und die Hoffnung für alle 2015 (Hfa).

Matthäus 5,9

ELB 2006: Glückselig die Friedensstifter, denn sie werden Söhne Gottes heißen.

SLT: Glückselig sind die Friedfertigen, denn sie werden Söhne Gottes heißen!

LU17: Selig sind, die Frieden stiften; denn sie werden Gottes Kinder heißen.

BB: Glückselig sind die, die Frieden stiften. Denn sie werden Kinder Gottes heißen.

HfA: Glücklich sind, die Frieden stiften, denn Gott wird sie seine Kinder nennen.

Der Kontext:

In diesem Abschnitt geht es darum, die grundlegenden Fragen – das „Wer“, „Wo“, „Was“, „Wann“ und „Warum“ – zu klären. Das Ziel ist es, ein besseres Bild von der Welt und den Umständen zu zeichnen, in denen dieser Vers verfasst wurde. So bekommen wir ein tieferes Verständnis für die Botschaft, bevor wir uns den Details widmen.

Kurzgesagt: Wir sind immer noch mitten in der Bergpredigt – dem Moment, wo Jesus den Menschen nicht sagt, wie sie werden sollen, sondern ihnen zuspricht, wer sie schon sind. Mit jedem Vers zeichnet er ein anderes Gesicht des Reiches Gottes – nicht über den Wolken, sondern ganz konkret auf dieser Erde. Und jetzt, mit Vers 9, rückt er die Friedensstifter ins Zentrum.

Previously on Matthäus 5: Wir haben gemeinsam die Verse 3 bis 8 durchbuchstabiert. Es begann mit den geistlich Armen, die leer vor Gott stehen – nicht als Mangelwesen, sondern als Empfangsbereite. Dann kamen die Trauernden – nicht nur wegen persönlichem Verlust, sondern weil sie das Zerbrochene dieser Welt nicht einfach weglächeln können. Dann die Sanftmütigen – Menschen mit innerer Stärke, die nicht zurückschlagen müssen, um aufrecht zu bleiben. Wir haben den Hunger nach Gerechtigkeit gespürt – nicht als Selbstoptimierung, sondern als Sehnsucht nach einer Welt, die heil wird. Und wir haben die Barmherzigen gesehen – die nicht hart werden, auch wenn das Leben es ihnen schwer macht. Schließlich die Reinen im Herzen – nicht perfekt, sondern ehrlich, durchsichtig, ungeteilt. All das sind keine Etiketten für Übermenschen, sondern Momentaufnahmen von Menschen, die sich nach Gott ausrichten – auch in ihrer Unvollkommenheit.

Und jetzt kommt Vers 9 dazu: „Glückselig die Friedensstifter, denn sie werden Söhne Gottes genannt werden.“ Dieser Vers ist keine plötzliche Themenwendung, sondern eine logische Fortsetzung. Wer echt glaubt, will nicht nur Frieden haben – er bringt ihn mit. Nach dem inneren Aufräumen (Herz) geht’s jetzt um das, was nach außen strahlt. Und das ist kein Wellnessfrieden – es ist der Frieden, der dorthin geht, wo’s knirscht. Zwischen Menschen. In Familien. In Gemeinden. In dir selbst.

Historisch gesehen hören wir diese Worte in einem Umfeld, das alles andere als friedlich war. Die Menschen lebten unter römischer Besatzung, religiösem Druck und sozialer Unsicherheit. Gewalt, Widerstand, Rückzug – das waren damals die drei Reaktionsmuster. Frieden war keine Selbstverständlichkeit, sondern ein umkämpftes Gut. Und nun steht da dieser Rabbi aus Nazareth, mitten in Galiläa, und spricht von Menschen, die nicht nur auf Frieden hoffen, sondern ihn aktiv stiften – wie auch immer das praktisch aussehen mag. Das ist nicht naiv, sondern mutig. Denn Friedensstifter stellen sich zwischen die Fronten – und riskieren dabei oft selbst, zwischen die Räder zu geraten.

Im religiösen Kontext ist „Frieden“ nicht bloß die Abwesenheit von Streit. Das hebräische shalom meint Ganzsein, Heilsein, Versöhntsein – mit Gott, mit anderen, mit sich selbst. Und genau hier dockt Jesus an. Er lobt nicht die, die sich raushalten. Er segnet die, die sich reinbegeben. Die, die nicht auf Kosten anderer ruhig bleiben, sondern mithelfen, dass andere zur Ruhe kommen.

Es bleibt also atmosphärisch dicht: Wir sind immer noch auf diesem Hügel mit Blick auf den See, mit staunenden Gesichtern, mit Sätzen, die die Welt anders zeichnen als gewohnt. Und mit jedem „glückselig“ baut sich das Bild weiter auf – nicht als neue Regel, sondern als Einladung zu einem anderen Leben.

Und jetzt, wo klar ist, wohin die Reise führt, schauen wir als Nächstes auf die Schlüsselwörter des Verses – was genau meint „Friedensstifter“? Und was heißt es, „Söhne Gottes“ genannt zu werden? Wir steigen gleich tiefer ein.

Die Schlüsselwörter:

In diesem Abschnitt wollen wir uns genauer mit den Schlüsselwörtern aus dem Text befassen. Diese Worte tragen tiefere Bedeutungen, die oft in der Übersetzung verloren gehen oder nicht auf den ersten Blick ersichtlich sind. Wir werden die wichtigsten Begriffe aus dem ursprünglichen Text herausnehmen und ihre Bedeutung näher betrachten. Dabei schauen wir nicht nur auf die wörtliche Übersetzung, sondern auch darauf, was sie für das Leben und den Glauben bedeuten. Das hilft uns, die Tiefe und Kraft dieses Verses besser zu verstehen und ihn auf eine neue Weise zu erleben.

Matthäus 5,9 – Ursprünglicher Text (Nestle-Aland 28):

μακάριοι οἱ εἰρηνοποιοί, ὅτι αὐτοὶ υἱοὶ θεοῦ κληθήσονται.

Übersetzung Matthäus 5,9 (Elberfelder 2006):

Glückselig die Friedensstifter, denn sie werden Söhne Gottes heißen.

Semantisch-pragmatische Kommentierung der Schlüsselwörter

  • μακάριοι (makarioi) – „glückselig“: Diesem Begriff sind wir bereits in jeder vorherigen Seligpreisung begegnet. Makarios bezeichnet nicht ein subjektives Wohlgefühl, sondern einen objektiven Segenszustand – ein „Glück“, das aus Gottes Zuspruch erwächst, nicht aus äußeren Umständen. Es hat seine Wurzeln im alttestamentlichen „אַשְׁרֵי (ʾaschrê)“ – einem Ausdruck der Begünstigung. Es geht hier um eine Verheißung, nicht um ein Gefühl. Der Begriff klingt harmlos, aber er stellt gängige Wertmaßstäbe infrage – und kehrt sie um. Wer in Gottes Augen „glückselig“ ist, hat die eigentliche Deutungshoheit über sein Leben nicht verloren.
  • εἰρηνοποιοί (eirēnopoioi) – „Friedensstifter“: Dieses Wort ist ein hapax legomenon im NT – es kommt nur hier vor. Es ist ein zusammengesetztes Partizip aus eirēnē (Frieden) und poieō (machen). Wörtlich: die Frieden Machenden. Anders als der oft zitierte pazifistēs meint dieses Wort nicht bloß friedlich gesinnt zu sein, sondern aktiv Frieden zu stiften – im Sinne von Vermittlung, Versöhnung, Aufbau zerstörter Beziehungen. Das griechische eirēnē übersetzt das hebräische šālôm – also Ganzheit, Heil, intakte Beziehung. Friedensstifter im Sinne Jesu setzen sich zwischen die Konfliktlinien, sie schweigen nicht, sie fliehen nicht – sie vermitteln, oft unter Risiko. In der antiken Welt, geprägt von Hierarchie, Rachelogik und römischer Pax durch Gewalt, ist das eine klare Gegenhaltung.
  • υἱοὶ (huioi) – „Söhne“: Das Wort huios bezeichnet nicht bloß die männliche Nachkommenschaft, sondern in vielen Texten den rechtlichen oder charakterlichen Status eines Erben oder Zugehörigen. Wer „Sohn Gottes“ genannt wird, ist nicht nur Kind im biologischen Sinn, sondern steht in enger Beziehung zu Gott – mit Ähnlichkeit, Beauftragung und Anerkennung. Der Plural „Söhne Gottes“ (huioi theou) ist selten im NT, erinnert aber an die Berufung Israels in Hosea 1,10: „Ihr seid Söhne des lebendigen Gottes.“ Es ist ein Begriff für Identität und Teilhabe – wer Frieden stiftet, trägt sichtbar den Charakter Gottes in sich.
  • θεοῦ (theou) – „Gottes“: Der Genitiv theou betont, von wem diese „Sohnschaft“ herstammt. Der Gott Israels, dessen Name mit Frieden (shalom) eng verbunden ist (z. B. in „Jahwe Schalom“, Ri 6,24), steht hier als Vater hinter denen, die Frieden schaffen. Diese Verbindung ist nicht bloß symbolisch, sondern konstituierend: Gott ist Ursprung, Ziel und Gewähr der Friedensstiftung.
  • κληθήσονται (klēthēsontai) – „sie werden genannt werden“: Das Futur Passiv von kaleō („rufen, nennen“) zeigt an: Die Friedensstifter werden nicht automatisch als solche erkannt, sondern sie werden genannt werden – von Gott selbst oder im eschatologischen Kontext. Das Verb verweist auf die öffentliche Anerkennung einer Identität – wie ein Titel, der jemandem zugesprochen wird. Es geht hier nicht um Selbstdarstellung, sondern um eine göttliche Anerkennung, die kommt – vielleicht spät, aber sicher.

Der Vers nimmt also eine doppelte Spannung auf: Die Gegenwart, in der Friedensstifter oft übersehen oder missverstanden werden – und die Zukunft, in der sie als das erkannt werden, was sie sind: Kinder Gottes.

Damit ist der semantisch-pragmatische Boden gelegt. Als Nächstes wenden wir uns dem theologischen Kommentar zu – und fragen: Was heißt das eigentlich, Frieden zu stiften im Licht des Reiches Gottes? Und was bedeutet es, „Sohn Gottes“ zu heißen – inmitten einer Welt, die lieber kämpft als vermittelt?

Ein Kommentar zum Text:

Theologische Grundlage

Lies Matthäus 5,9 langsam. Lass den Satz auf dich wirken, auch wenn er auf den ersten Blick harmlos klingt: „Glückselig sind die Friedensstifter, denn sie werden Söhne Gottes genannt werden.“ Das klingt weich. Harmoniebedürftig. Aber genau das ist es nicht. Der Text ist ein Sprengsatz. Denn Frieden zu stiften ist etwas anderes, als Frieden zu genießen. Es ist kein Zustand. Es ist eine Aufgabe – oft ohne Beifall, ohne Happy End. Und genau dort beginnt die Verheißung.

Der griechische Begriff für „Friedensstifter“ ist εἰρηνοποιοί – (eirēnopoioi), eine seltene Wortbildung, zusammengesetzt aus εἰρήνη (eirēnē, Frieden) und ποιέω (poieō, machen, tun). Es bedeutet wörtlich „Friedemacher“. Anders als εἰρηνικός (eirēnikos), das eine friedliche Gesinnung meint, bezeichnet eirēnopoioi eine aktive Handlung – den Versuch, zerrüttete Beziehungen wiederherzustellen. Es geht um soziale, zwischenmenschliche und geistliche Versöhnung. Nicht um Friedlichkeit, sondern um die Mühe, Frieden zu machen. Im Hebräischen steht dahinter das Konzept von שָׁלוֹם (shalom) – das weit mehr ist als Ruhe: Shalom meint Ganzheit, Gerechtigkeit, Versöhntsein mit Gott, mit sich selbst und mit anderen. Das Neue Testament übernimmt diesen Begriff, um Gottes umfassende Heilsperspektive zu beschreiben.

Dass Jesus diesen Begriff nur an dieser Stelle gebraucht, ist auffällig. In einer Welt, in der römische Kaiser sich „Friedensmacher“ nannten, ist das eine Provokation. Joachim Gnilka erklärt: „Matthäus demokratisiert den Titel des Friedensbringers. Er gilt nicht dem Kaiser, sondern den Jüngern“ (Das Matthäusevangelium, Herder). Was Gnilka damit meint: Die Herrschaftsideologie der pax romana, also der „Frieden durch Macht“, wird durch das Evangelium in ihr Gegenteil verkehrt – nicht der, der Gewalt kontrolliert, bringt Frieden, sondern der, der auf Gewalt verzichtet.

Craig Keener unterstreicht, dass das Matthäusevangelium hier bewusst den Unterschied zwischen irdischer Machtausübung und geistlicher Nachfolge betont: „Friedensstifter verkörpern das Wesen Gottes, indem sie Versöhnung suchen, wo Trennung herrscht“ (Matthew, IVP Academic). Die Jünger Jesu sind nicht Zuschauer, sondern Werkzeuge der Versöhnung – gerade in einer Zeit, in der Konflikte schnell eskalieren. Wer Frieden stiftet, zahlt dafür oft einen Preis. Frieden ist keine Garantie, sondern ein Risiko. Und genau dafür verheißt Jesus einen anderen Lohn.

Denn das Entscheidende kommt im zweiten Teil des Verses: „…denn sie werden Söhne Gottes genannt werden.“ Das griechische Wort für „Sohn“ ist υἱός (huios), im Plural υἱοὶ (huioi). Es geht hier nicht um biologische Abstammung, sondern um Zugehörigkeit, Nähe, Ähnlichkeit. Wer so handelt wie Gott, wird als zu ihm gehörig erkannt. In der biblischen Sprache heißt „Sohn von“ oft: Du gehörst dazu. Du trägst das Wesen deines Vaters. So wie „Söhne Gottes“ oder „Söhne des Ungehorsams“ in der Bibel nicht über Gene sprechen, sondern über Identität.

Dass die Friedensstifter „genannt werden“κληθήσονται (klēthēsontai) – ist theologisch entscheidend. Das griechische Verb steht im Futur Passiv. Das heißt: Sie werden nicht sich selbst diesen Namen geben, und auch nicht unbedingt von anderen Menschen so gesehen werden – sondern sie werden von Gott genannt, öffentlich anerkannt. David L. Turner schreibt: „Die Verheißung, Kinder Gottes genannt zu werden, ist kein symbolischer Trost, sondern eine Aussage über eschatologische Identität“ (Matthew, Baker Academic). Eschatologisch heißt: auf das Ende der Zeiten bezogen. Es geht also nicht um kurzfristige Anerkennung, sondern um die endgültige Offenbarung, wer wirklich zu Gott gehört – am Tag, wenn alles sichtbar wird (vgl. Matthäus 13,43; Römer 8,19).

Für mich ist das keine bloße Vertröstung auf später. Sondern Teil einer Hoffnung, die schon jetzt mein Handeln formt. Die Verheißung, ein Sohn Gottes genannt zu werden, ist aus meiner theologischen Perspektive verbunden mit dem endzeitlichen Volk Gottes, das in Offenbarung 12,17 beschrieben wird: „…die Gottes Gebote halten und das Zeugnis Jesu haben.“ Diese Gemeinde lebt nicht aus eigener Kraft, sondern aus der Erwartung, dass Gott selbst sie rechtfertigt – öffentlich, sichtbar, endgültig. Frieden zu stiften ist damit nicht private Tugend, sondern Teil des prophetischen Zeugnisses der Gemeinde in der Zeit vor dem Wiederkommen Jesu.

Auch Gerhard Maier betont die Kontrastlinie: „Jesus grenzt sich durch seine Friedensethik deutlich vom Zelotismus ab“ (Matthäus, SCM Brockhaus). Die Zeloten – eine radikale jüdische Gruppierung zur Zeit Jesu – wollten das Reich Gottes durch Gewalt erzwingen. Jesus geht den entgegengesetzten Weg. Nicht Aufstand, sondern Hingabe. Nicht Schwert, sondern Vermittlung. In dieser Unterscheidung liegt für mich eine wesentliche Orientierung: Die Gemeinde Jesu ist nicht berufen, das Reich Gottes durch Machtmittel durchzusetzen. Sondern es durch Barmherzigkeit, Wahrhaftigkeit und Versöhnung sichtbar zu machen. Das ist weder passiv noch weich – sondern ein aktiver, widerständiger Lebensstil.

Die Spannung bleibt: Was ist, wenn der Friedensstifter selbst keinen Frieden erlebt? Wenn sein Bemühen um Versöhnung ins Leere läuft? Wenn er zwischen die Fronten gerät – und von beiden Seiten abgelehnt wird? Genau hier setzt die Verheißung an. Nicht: „sie werden Erfolg haben“. Sondern: „sie werden Söhne Gottes genannt werden.“ Diese Anerkennung bleibt verborgen – bis zu dem Tag, an dem Gott sie sichtbar macht (vgl. Matthäus 25,34).

Die alttestamentlichen Hintergründe dieser Verheißung vertiefen das Bild. In Psalm 34,15 heißt es: „Suche Frieden und jage ihm nach.“ Das ist kein stiller Aufruf zur Selbstbeherrschung, sondern ein aktives Handlungsgebot. Wer Frieden jagt, bleibt nicht stehen. Jesaja 52,7 beschreibt: „Wie lieblich sind die Füße dessen, der Frieden verkündigt…“ Die Verkündigung von Frieden war eine Aufgabe der Boten Gottes – auch im alttestamentlichen Prophetenamt. Frieden ist kein individuelles Gefühl, sondern eine Aufgabe in Gottes Heilsgeschichte. Und wer sie übernimmt, wird Teil dieses großen Stroms.

Peter Fiedler schärft dieses Profil: „Frieden stiften ist nicht bloß Ethik, sondern Nachahmung des göttlichen Charakters“ (Das Matthäusevangelium, Kohlhammer). Damit wird klar: Die Verheißung von Matthäus 5,9 ist nicht moralische Paränese – also keine Ermahnung zur besseren Lebensführung. Sie ist Teil einer Soteriologie, einer Lehre vom Heil, die im Tun Gottes gründet. Das bedeutet: Der Mensch wird nicht gerettet weil er Frieden stiftet – aber wer mit Gott lebt, wird selbst zum Friedensstifter.

Diese Perspektive greift auch 2. Korinther 5,18–20 auf. Dort beschreibt Paulus den „Dienst der Versöhnung“ als Aufgabe der Gemeinde: „Lasst euch versöhnen mit Gott!“ – und: „So sind wir Gesandte an Christi statt.“ Dieser Dienst ist nicht optional. Es ist der sichtbare Ausdruck eines Glaubens, der den Charakter Gottes widerspiegelt.

Für mich heißt das: Wer an Jesus glaubt, wird Teil einer Bewegung, die auf eine neue Welt zulebt – und in dieser Zwischenzeit Zeichen setzt. Nicht durch Lautstärke, sondern durch Treue. Nicht durch Anpassung, sondern durch Versöhnung. Die „Friedensstifter“ sind keine Idealisten. Sie sind stille Zeugen der kommenden Welt.

Und vielleicht ist das die eigentliche Herausforderung: Bin ich bereit, zwischen den Fronten zu leben – und trotzdem an Gottes Zusage festzuhalten? Auch wenn der Lohn noch aussteht? Auch wenn niemand mich versteht? Vielleicht liegt genau darin die Wahrheit dieses Verses: Du wirst nicht genannt, weil du Erfolg hattest. Sondern weil Gott dich kennt. Und dich beim Namen ruft. Nicht jetzt. Aber vielleicht eher, als du denkst.

Zentrale Punkte der Ausarbeitung

  1. Frieden ist kein Zustand – sondern eine Entscheidung.
    • Matthäus 5,9 beschreibt keinen inneren Seelenfrieden und keine politische Strategie, sondern Menschen, die bereit sind, sich zwischen Spannungen zu stellen – nicht weil sie stark sind, sondern weil sie verfügbar bleiben.
    • Jesus lobt nicht die, die alles lösen – sondern die, die sich nicht entziehen. Frieden zu stiften heißt: Ich halte Spannungen aus, ohne sie zu vergrößern.
  2. Gott erkennt, was andere übersehen.
    • Die Friedensstifter werden nicht gefeiert, sondern genannt – und zwar von Gott selbst. Das ist keine Leistung, sondern ein Ruf.
    • „Sie werden Söhne Gottes genannt werden“ heißt: Gott sieht, was du in seinem Namen tust, auch wenn es niemand sonst tut – und er spricht dir Identität zu, nicht die Welt.
  3. Frieden stiften heißt, sich zu verorten – nicht zu verlieren.
    • Die Ausarbeitung zeigt: Frieden beginnt nicht in der Weltpolitik, sondern in Beziehungen. In Familien. Gemeinden. Innerlich.
    • Es geht nicht um Harmonie um jeden Preis. Es geht um Versöhnung, die mutig dazwischen tritt.
  4. Die Verheißung trägt durch das Jetzt – nicht erst im Himmel.
    • Dass du „genannt wirst“ liegt in der Zukunft – und doch verändert es dein Heute.
    • Die Reich-Gottes-Perspektive schenkt dir Würde inmitten von Spannungen – auch wenn du noch keine Ergebnisse siehst.
  5. Friedensstiftung ist Zeugnis – nicht Beweis.
    • Die Ausarbeitung macht deutlich: Du bezeugst mit deinem Leben, was du selbst empfangen hast. Das ist keine Pflichtübung, sondern ein Weg geistlicher Reife.
    • Wer Frieden lebt, spiegelt den Charakter Gottes – nicht aus sich selbst heraus, sondern weil Christus ihn dahin ruft.

Warum ist das wichtig für mich?

  • Weil ich mitten im Leben stehe, nicht außerhalb von Konflikten.
    • Diese Seligpreisung ist keine Flucht nach oben, sondern eine Einladung, in den Spannungen präsent zu bleiben – ohne zynisch, bitter oder gleichgültig zu werden.
  • Weil ich oft vergessen habe, dass Gott mich sieht.
    • Es ist tröstlich und heilsam zu hören: Du wirst genannt – nicht von Menschen, sondern von dem, der zählt.
  • Weil ich nicht immer weiß, was richtig ist – aber oft spüre, was heilsam wäre.
    • Die Ausarbeitung gibt keinen Fahrplan, sondern öffnet einen Horizont: Bleib zwischen den Fronten stehen – nicht aus Pflicht, sondern aus Treue.
  • Weil Glaube konkret werden muss, wenn er tragen soll.
    • Dieser Text ruft mich nicht in den Rückzug, sondern in die Mitte meines Alltags – dorthin, wo Spannungen nach Zeugen fragen, nicht nach Lösungen.

Der Mehrwert dieser Erkenntnis

  • Ich lerne, Frieden nicht als schwache Haltung zu sehen, sondern als geistliche Kraft.
  • Ich entdecke, dass mein Platz zwischen Menschen ein heiliger Ort sein kann – wenn ich mich Gott zur Verfügung stelle.
  • Ich begreife, dass meine Unsichtbarkeit bei Menschen nicht heißt, dass Gott mich übersehen hat.
  • Ich erfahre, dass Gott in den Spannungen gegenwärtig ist – nicht erst, wenn alles aufgelöst ist.

Kurz gesagt: Diese Ausarbeitung lädt mich ein, Frieden nicht zu fordern oder zu fühlen, sondern zu stiften – und dabei zu glauben, dass Gott mich beim Namen nennt.