Fettgedrucktes für schnell Leser…
Einleitender Impuls:
Manchmal weiß ich gar nicht genau, warum mein Herz so laut schlägt, wenn es um Mission geht. Es ist einfach da. Diese Sehnsucht, dass Menschen Jesus kennenlernen. Nicht als Programm. Nicht als Kirche. Sondern als jemanden, der wirklich lebt. Der trägt. Und der bleibt. Vielleicht kennst du das ja auch – dieses innere Brennen. Oder du hast es mal gespürt und weißt nicht mehr, wo es geblieben ist. Vielleicht hast du auch alles gegeben und kaum etwas zurückbekommen. Vielleicht hast du dich gefragt, ob es überhaupt einen Unterschied macht. Oder ob du einfach nur zu viel gegossen hast, ohne zu merken, dass der Boden gerade atmen musste.
Ich habe erlebt, wie schnell wir dabei sind, uns gegenseitig zu bewerten. Wer „geistlich genug“ arbeitet. Wer richtig pflanzt. Wer zu viel anpasst. Wer zu wenig. Und mitten in all dem kommt Paulus mit einem Satz, der alles aushebelt: Nicht der pflanzt, noch der begießt ist etwas – sondern Gott, der das Wachstum gibt. Was, wenn das wirklich stimmt? Was, wenn es nicht meine Methode ist, sondern meine Haltung? Nicht meine Ausdauer, sondern meine Abhängigkeit? Nicht mein perfektes Timing, sondern Gottes Geduld? Vielleicht liegt genau hier der Wendepunkt – dass wir nicht mehr alles erklären, sondern wieder glauben. Nicht alles kontrollieren, sondern wieder vertrauen.
Ich denke hier an mein altes Pflanzverhalten zurück. Wie ich als Kind in die Erde gegriffen habe, weil ich wissen wollte, ob schon etwas wächst. Und wie ich dabei so oft den Keim zerstört habe. Vielleicht machen wir das auch heute noch – subtiler, geistlicher verpackt, aber mit derselben Ungeduld. Wir planen durch, übergießen oft – in dem wir drängen, zu viel erklären, schnelle Ergebnisse wollen. Und so die Beziehungen verletzen. Weil wir vergessen haben, wie Wachstum im Gemeindekontext wirklich funktioniert. Vielleicht ist das die tiefste Einladung dieses Textes: Lass die Erde in Ruhe. Gib den Samen und Gott Raum. Glaub, dass etwas wächst – auch wenn du’s nicht siehst.
Fragen zur Vertiefung oder für Gruppengespräche:
- Wo in deinem Leben willst du unbedingt sehen, dass etwas wächst – und kratzt vielleicht schon wieder an der Erde?
- Welche Art von Gießen prägt deine Beziehungen – überforderst du vielleicht manchmal mit deinem Einsatz?
- Was heißt es für dich ganz persönlich, Gott das Wachstum zuzutrauen – nicht nur theoretisch, sondern mitten im Alltag?
Parallele Bibeltexte als Slogans mit Anwendung:
Markus 4,26–29 – „Der Same wächst von selbst.“ → Du musst nicht alles wissen oder können – Gott wirkt, auch wenn du es nicht steuerst.
1. Petrus 5,6 – „Demütigt euch unter Gottes Hand.“ → Wachstum beginnt oft im Verborgenen – in der Stille vor Gott, nicht im Rampenlicht.
Johannes 15,5 – „Ohne mich könnt ihr nichts tun.“ → Verbindung ist wichtiger als Leistung – bleib in Jesus, nicht im Vergleich mit anderen.
Prediger 11,6 – „Am Morgen säe deinen Samen.“ → Treue ist keine Garantie für Erfolg – aber sie ist der Boden, auf dem Frucht wachsen kann.
Wenn du das Gefühl hast, dass dieser Impuls bei dir etwas zum Klingen gebracht hat, nimm dir doch 20 Minuten und lies die ganze Ausarbeitung – vielleicht findest du dort nicht nur Gedanken, sondern auch Worte für das, was du längst fühlst.
Möchtest du dich noch weiter in dieses Thema vertiefen? Im Anschluss findest du die Schritte die ich für diesen Impuls gegangen bin…
Bevor wir tiefer einsteigen, lass uns einen Moment sammeln…
Liebevoller Vater,
wir kommen zu Dir – nicht, weil wir alles verstehen, sondern weil wir spüren, dass Du uns etwas sagen willst.
In diesem Text geht’s nicht um Apollos oder Paulus. Es geht darum, dass Du derjenige bist, der wachsen lässt. Und wir brauchen dieses Wachsen – nicht nur in Zahlen oder Wissen, sondern in Herz, in Gnade, in Vertrauen.
Hilf uns, zwischen den Zeilen zu hören, was Du in uns bewegen willst.
Mach uns offen. Mach uns still. Mach uns empfänglich.
Amen.
Ok, bereit? Dann lass uns jetzt tiefer eintauchen – nicht in trockene Fakten, sondern in das, was zwischen den Zeilen pulsiert…
Der Text:
Zunächst werfen wir einen Blick auf den Text in verschiedenen Bibelübersetzungen. Dadurch gewinnen wir ein tieferes Verständnis und können die unterschiedlichen Nuancen des Textes in den jeweiligen Übersetzungen oder Übertragungen besser erfassen. Dazu vergleichen wir die Elberfelder 2006 (ELB 2006), Schlachter 2000 (SLT), Luther 2017 (LU17), Basis Bibel (BB) und die Hoffnung für alle 2015 (Hfa).
1. Korinther 3,7
ELB 2006: So ist weder der da pflanzt etwas, noch der da begießt, sondern Gott, der das Wachstum gibt.
SLT: So ist also weder der etwas, welcher pflanzt, noch der, welcher begießt, sondern Gott, der das Gedeihen gibt.
LU17: So ist nun weder der etwas, der pflanzt, noch der begießt, sondern Gott, der das Gedeihen gibt.
BB: Es zählt nicht, wer pflanzt oder wer gießt. Es kommt auf Gott an, der alles wachsen lässt.
HfA: Es ist nicht so wichtig, wer pflanzt und wer begießt; wichtig ist allein Gott, der für das Wachstum sorgt.
Der Kontext:
In diesem Abschnitt geht es darum, die grundlegenden Fragen – das „Wer“, „Wo“, „Was“, „Wann“ und „Warum“ – zu klären. Das Ziel ist es, ein besseres Bild von der Welt und den Umständen zu zeichnen, in denen dieser Vers verfasst wurde. So bekommen wir ein tieferes Verständnis für die Botschaft, bevor wir uns den Details widmen.
Kurzgesagt: Wir sind mal wieder in Korinth – bei einer Gemeinde, die geistlich sein will, aber sich dabei selbst im Weg steht. Der Vers über das Wachstum ist nicht bloß eine Erinnerung an Gottes Rolle, sondern eine leise Korrektur an ein geistliches Selbstverständnis, das sich zu wichtig nimmt.
Vielleicht erinnerst du dich noch an die ersten Kapitel im 1. Korintherbrief – da ist Paulus nicht der große Prediger, sondern eher wie ein älterer Bruder, der sich Sorgen macht. Die Gemeinde hat sich aufgeteilt in Lager – Apollos hier, Paulus da, Petrus irgendwo dazwischen. Es ging nicht um theologische Grundsatzfragen, sondern um Loyalitäten, Status, Stil. Wer lehrt wie, wer beeindruckt mehr, wer klingt geistlicher? Es war nicht ketzerisch – aber kindisch. Und genau da setzt Paulus an.
Korinth war keine Hinterland Siedlung. Es war eine wirtschaftliche Hauptstadt, ein Ort, an dem Ideen, Sprachen und Menschen aufeinanderprallten. Eine Stadt voller Tempo – aber wenig Tiefe. Wer dort lebte, war geübt im Überleben, im Eindruck machen, im sich Durchsetzen. Und dieses Denken rutschte auch in die Gemeinde: Wer klug redete, wer gut lehrte, wer Leute zog – der war was. Und wenn jemand wie Apollos das besonders gut konnte, war es nur logisch, dass man ihm folgte. Dass sich daraus Grüppchen bildeten, war fast menschlich – aber eben nicht geistlich.
Paulus schreibt nicht aus Empörung, sondern aus Sorge. Ihm geht es nicht darum, Recht zu haben, sondern die Gemeinde wieder auf das Zentrum auszurichten: Christus – und nicht der, der über ihn spricht. Es geht nicht darum, wer pflanzt oder begießt. Es geht darum, wer das Leben gibt. Wachstum ist kein Produkt menschlicher Anstrengung, sondern ein Geschenk Gottes. Das klingt einfach – war in Korinth aber eine Zumutung. Denn wer dort lebte, wollte Ergebnisse sehen. Und Paulus sagt: Nicht eure Taten zählen, sondern Gottes Wirken. Nicht eure Rolle, sondern eure Wurzel.
Und doch: Er wertet das Pflanzen und Begießen nicht ab. Er ordnet es nur neu ein. Es sind wichtige Dienste – aber sie haben keinen Selbstwert, sondern einen Bezugspunkt. Gott ist nicht der Unterstützer eures Werkes. Ihr seid Mitwirkende an seinem.
Das ist die Atmosphäre, in der dieser Satz fällt. Ein seelsorgerlicher Halbsatz, der einen ganzen Lebensstil in Frage stellt. Wenn man ihn hört, bleibt er hängen. Nicht, weil er laut ist – sondern weil er trifft. Und jetzt, wo der Kontext steht, schauen wir auf die Worte selbst – die Begriffe, die wie so oft viel mehr in sich tragen als nur Bedeutung.
Die Schlüsselwörter:
In diesem Abschnitt wollen wir uns genauer mit den Schlüsselwörtern aus dem Text befassen. Diese Worte tragen tiefere Bedeutungen, die oft in der Übersetzung verloren gehen oder nicht auf den ersten Blick ersichtlich sind. Wir werden die wichtigsten Begriffe aus dem ursprünglichen Text herausnehmen und ihre Bedeutung näher betrachten. Dabei schauen wir nicht nur auf die wörtliche Übersetzung, sondern auch darauf, was sie für das Leben und den Glauben bedeuten. Das hilft uns, die Tiefe und Kraft dieses Verses besser zu verstehen und ihn auf eine neue Weise zu erleben.
1. Korinther 3,7 – Ursprünglicher Text (Nestle-Aland 28):
ὥστε οὔτε ὁ φυτεύων ἐστίν τι οὔτε ὁ ποτίζων, ἀλλ’ ὁ αὐξάνων θεός.
Übersetzung 1. Korinther 3,7 (Elberfelder 2006):
So ist weder der da pflanzt etwas, noch der da begießt, sondern Gott, der das Wachstum gibt.
Semantisch-pragmatische Kommentierung der Schlüsselwörter
- φυτεύων (phyteuōn) – „der da pflanzt“: Das griechische Verb steht im Präsens Partizip – da ist also einer, der gerade aktiv ist, der mit Hingabe sät, vorbereitet, anlegt. Das klingt banal, ist aber existenziell: Pflanzen bedeutet Vertrauen in etwas, das man selbst nicht wachsen lassen kann. Der Sämann ist kein Macher, sondern ein Hoffender. Er tut das Seine – in der Demut, dass der Rest nicht in seiner Hand liegt. In einer Welt, in der wir alles kontrollieren wollen, ist dieses Wort ein Widerspruch.
- ποτίζων (potizōn) – „der da begießt“: Auch hier ein Partizip Präsens – einer, der kontinuierlich wässert. Nicht spektakulär, aber notwendig. Tröpfchen für Tröpfchen. Begießen ist die Kunst der Geduld. Kein Applaus, kein großer Effekt – aber ohne ihn verdurstet das Ganze. Es ist der unsichtbare Dienst, den keiner merkt – aber den jeder spürt, wenn er fehlt. Paulus rückt diese beiden Tätigkeiten – Pflanzen und Begießen – zusammen und macht klar: Sie sind wichtig, aber nicht entscheidend.
- ἐστίν (estin) – „ist“: Klingt harmlos, ist aber ein theologisches Gewichtswort. Hier geht’s ums „Sein“ – im Sinne von Bedeutung, von Wesen, von Substanz. Paulus sagt nicht: Sie tun nicht viel. Er sagt: Sie sind nichts – im Vergleich zu Gott. Ein radikaler Perspektivwechsel, der unser „Ich habe doch…“ unterbricht. Nicht, um abzuwerten – sondern um zurechtzurücken.
- αὐξάνων (auxanōn) – „der das Wachstum gibt“: Hier kommt das Herzstück. Auch dieses Wort ist ein Partizip Präsens – Gott ist nicht irgendwann mal wachstumsfördernd, er ist es ständig. „Auxanōn“ bedeutet nicht einfach „vergrößern“, sondern beschreibt einen organischen, geheimnisvollen Prozess. Wachstum ist ein göttliches Geschehen. Keiner versteht es ganz, keiner kontrolliert es – aber es geschieht. Und das nicht durch Kraft oder Technik, sondern durch Gottes Gegenwart.
- θεός (theos) – „Gott“: Am Ende steht dieses Wort fast einsam – mit Absicht. Es ist nicht einfach die letzte Information. Es ist die Kontrastfolie. Gegenüber dem Pflanzen und Begießen wird der „theos“ zum Mittelpunkt. Paulus lenkt den Blick weg von menschlichem Einfluss auf das, was bleibt, trägt, wirkt. Nicht wir bringen die Frucht. Gott ist nicht Beiwerk – er ist das eigentliche Geschehen.
Wenn man das alles zusammennimmt, wird klar: Dieser eine Vers ist kein theologischer Nebenbei-Satz. Es ist eine Einladung zur gesunden Gelassenheit. Abber was das Theologisch bedeutet, schauen wir uns im nächsten Schritt an. Was heißt das für unsere Rolle, unser Selbstverständnis, unser Miteinander – wenn Gott der ist, der wachsen lässt?
Ein Kommentar zum Text:
Was, wenn Paulus hier gar nicht belehren, sondern entzaubern will? Nicht die Lehre stand im Weg, sondern das Denken über die Lehre. Vielleicht ist das die eigentliche Stoßrichtung dieses Verses – nicht gegen Apollos, nicht gegen Paulus, sondern gegen das geistliche Missverständnis, das entsteht, wenn man göttliches Wachstum an menschlicher Wirkkraft festmacht. „Weder der, der pflanzt, noch der, der begießt, ist etwas“ – das klingt hart. Ist es aber nicht. Es ist heilsam.
Das griechische τι (ti) – etwas, ist unscheinbar, fast beiläufig. Und doch steckt darin eine Art geistliche Entgiftung. Nicht alles, was wir tun, ist auch das, was zählt. Und nicht alles, was zählt, kommt durch das, was wir tun. Der Text bringt uns in eine unangenehme Spannung zwischen Einsatz und Ertrag, zwischen Dienst und Bedeutung. Und die Auflösung liegt nicht in einer cleveren Strategie – sondern in der Erkenntnis, dass Gott nicht unser Verstärker ist, sondern unser Ursprung.
Paulus schreibt das nicht aus Kalkül. Wenn man sich den Kontext ansieht – diese sich auflösende Gemeinde in Korinth, zerrieben zwischen Charisma und Parteigeist –, dann merkt man: Er ringt. Und er geht einen Weg, den wir auch heute brauchen. Er trennt Wirkung und Identität. Nicht um den Dienst zu entwerten, sondern um ihn zu entlasten. Gott gibt das Wachstum. Punkt. Das ist keine theologische These – das ist eine Einladung zur gesunden geistlichen Entspannung.
Ich finde mich selbst in dieser Spannung wieder. Zwischen dem Wunsch, dass Menschen wachsen, und der Gefahr, dass ich diesen Wunsch mit meiner Leistung verwechsel. Und genau da wird der Text so unangenehm tröstlich. Er sagt: Du darfst pflanzen. Du sollst begießen. Aber hör auf, dich mit dem Wachstum zu verwechseln. Das ist nicht dein Job. Das ist Gottes Handschrift.
Die Formulierung ὁ αὐξάνων θεός (ho auxánōn theós) trifft es auf den Punkt. Wachstum ist kein Bonus, kein Erfolgsparameter, keine Bestätigung. Es ist ein souveränes Geschenk. Und dieses Geschenk ist im Imperfekt formuliert – Gott lässt wachsen, nicht einmalig, nicht punktuell, sondern dauerhaft. Es ist wie der Herzschlag Gottes unter dem Acker dieser Welt.
Vgl. Markus 4,26–29, wo Jesus das Reich Gottes mit einem Mann vergleicht, der Samen sät, aber „nicht weiß, wie es wächst“. Das Reich wächst „von selbst“ – griechisch αὐτομάτη (automátē). Dieses Bild ist fast wie ein Echo auf 1. Korinther 3: Der Mensch sät, Gott lässt es wachsen – auf eine Weise, die sich unserer Kontrolle entzieht.
Ein weiterer Lichtstrahl fällt von Johannes 15,5: „Ohne mich könnt ihr nichts tun.“ Kein Wachstum, keine Frucht, kein Leben – ohne Christus bleibt jeder Versuch fruchtlos. Das ist nicht als Drohung gedacht, sondern als Befreiung von einem Anspruch, den wir nicht tragen müssen.
Was der Text nicht sagt, ist ebenso wichtig: Er spricht nicht gegen Begabung. Er sagt nicht, dass Paulus und Apollos austauschbar wären oder dass ihre Arbeit egal wäre. Im Gegenteil: Ihre Arbeit war entscheidend. Aber eben nicht entscheidend im Sinne von ursächlich. Ihre Treue war bedeutsam. Ihr Erfolg war sekundär. Der Fokus liegt nicht auf der Methode, sondern auf der Quelle.
Auch der Rückblick auf das Alte Testament hilft hier: In Jesaja 5,1–7 – dem sogenannten Weinberglied – pflanzt Gott selbst einen Weinberg, sorgt für ihn, hofft auf gute Trauben… und bekommt schlechte. Das zeigt: Selbst der vollkommenste Pflanzer garantiert kein gutes Wachstum, wenn der Boden nicht antwortet. Und es erinnert daran, dass geistliches Wachstum keine Selbstverständlichkeit ist – sondern immer ein Zusammenspiel aus göttlichem Wirken und menschlicher Offenheit.
Vielleicht ist das der Punkt, an dem ich selbst tief innehalte. Weil ich merke: Ich bin oft mehr Pflanzer oder Gießer, als mir lieb ist. Ich will Einfluss sehen, Wirkung spüren. Und dieser Text erinnert mich daran: Das Sichtbare ist nicht das Entscheidende. Und das Entscheidende ist nicht immer sichtbar. Es ist Gottes Werk. Nicht meines. Und das soll mich nicht entmutigen – sondern frei machen.
Ich lasse einen Gedanken bewusst offen: Was, wenn das eigentliche Wachstum erst nach meiner Zeit kommt – und ich nie sehen werde, was aus meinem Dienst wird?
Lass uns von hier aus in die SPACE-Anwendung gehen – und das Ganze vom Kopf ins Herz, vom Text in die Tat führen.
Die SPACE-Anwendung*
Die SPACE-Anwendung ist eine Methode, um biblische Texte praktisch auf das tägliche Leben anzuwenden. Sie besteht aus fünf Schritten, die jeweils durch die Anfangsbuchstaben von „SPACE“ repräsentiert werden:
S – Sünde (Sin):
Manchmal ist die gefährlichste Sünde nicht das, was wir tun – sondern wie wir uns dabei sehen. Dieser Text deckt eine Haltung auf, die leise beginnt, aber schnell wächst: das Bedürfnis, selbst die Kontrolle über geistliches Wachstum zu behalten. Nicht aus mit einer schlechten oder bösen Absicht, sondern aus einem verbissenen Wunsch, dass das, was wir tun, sichtbar Frucht bringt. In Korinth führte diese Haltung zu Parteiung, zu Vergleich, zu geistlicher Überheblichkeit. Heute? Vielleicht zu Überforderung, Erschöpfung, Leistungsdenken geahnt als Treue.
Wenn ich mir das Ganze nochmal langsam durchlese, merke ich: Es ist nicht die Arbeit an sich, die Paulus kritisiert. Es ist das falsche Selbstbild. Das Gefühl, dass meine Pflanzarbeit zentral ist. Dass mein Gießen entscheidend ist. Und ja, es kommt mir fast schon monoton vor, wenn ich sage: Sobald ich mich mit dem Wachstum verwechsel, verliere ich aus dem Blick, wer ich wirklich bin – und wer Gott ist.
P – Verheißung (Promise):
Kennst du das Gefühl, wenn du dir sicher bist, dass du gerade alles richtig machst – und trotzdem passiert nichts? Keine Frucht. Kein Echo. Kein Wachstum. Und dann kommt dieser Satz wie ein Licht durch die Ritzen: „Gott gibt das Wachstum.“ Nicht du. Nicht ich. Nicht wir. Sondern Er.
Diese Verheißung entzieht dem Dienst nicht seine Bedeutung – sie entzieht ihm den Druck. Es ist Gottes Werk, nicht meine Wirksamkeit, die trägt. Wenn ich das wirklich glaube, kann ich loslassen. Schlafen wie der Bauer in Markus 4,27, während der Same aufkeimt – auch wenn er „nicht weiß, wie“. Das ist kein Aufruf zur Faulheit, sondern zur Freiheit. Und es ist eine stille Zusage: Gott wirkt. Auch dann, wenn du gerade nichts siehst.
A – Aktion (Action):
Wie so oft, aktiv werden bedeutet hier Vertrauen statt Verkrampfung, Loslassen statt Leistungsdruck. Wachstum beginnt nicht bei meiner Aktion – sondern bei meiner Haltung. Und die verändert sich nicht auf Knopfdruck. Sondern Schritt für Schritt. Einer dieser Schritte könnte sein: Ich frage mich heute nicht zuerst, was ich schaffe – sondern was meine eigentliche Berufung ist.
Das finde ich interessant: Der Text ruft mich nicht zum Aktionismus, sondern zur Klarheit. Was ist meine Aufgabe – und was nicht? Was ist Gottes Aufgabe – und was nicht? Ich darf pflanzen, ich darf gießen. Aber ich muss nicht wachsen lassen – kann ich auch gar nicht. Und wenn ich das begriffen habe, verändert sich mein Blick: Ich sehe andere nicht mehr als Projekt oder Konkurrenz, sondern als Menschen in Gottes Hand und Mitstreiter. Ich vergleiche nicht mehr, sondern ergänze. Ich bewerte nicht mehr nach Erfolg – sondern nach Treue. Das ist mehr als eine Strategie. Das ist ein notwendiger Perspektivwechsel.
C – Appell (Command):
Der Appell hier ist leise. Kein „Tu mehr“. Kein „Streng dich an“. Sondern: Bleib da, wo Gott dich hingestellt hat – und tu deinen Teil. Nicht mehr. Nicht weniger. Das Evangelium ruft nicht zur Hektik, sondern zur Hingabe. Zur Geduld. Zur Demut. Und zur Klarheit: Wenn du pflanzt, dann pflanz mit Hoffnung. Wenn du gießt, dann mit Vertrauen. Und wenn du wartest, dann warte mit offenen Händen. Der Ruf dieses Textes lautet: Vertrau dem ewigen Gärtner.
E – Beispiel (Example):
Hier kann Mose nicht fehlen. Einer, der nicht schnell redet, sich nicht aufdrängt, und doch über Jahrzehnte treu bleibt – obwohl er das verheißene Land nie betreten darf. Er sieht das Wachstum nicht – aber er dient ihm. Und Gott rechnet es ihm an. Nicht wegen des Ergebnisses. Sondern wegen der Treue.
Und dann ist da Saul. Ja, wir hatten ihn schon – aber er bleibt erschreckend aktuell. Einer, der handeln wollte, bevor Gott Zeit hatte zu wirken. Einer, der das Opfer selbst brachte, weil er glaubte, Gottes Zeitplan passe nicht in seine Realität. Er wollte das Wachstum erzwingen – und verlor dabei das Vertrauen. Und damit den Auftrag.
Lass uns jetzt übergehen zur Persönlichen Identifikation mit dem Text und der Ausarbeitung.
Persönliche Identifikation mit dem Text und der Ausarbeitung:
In diesem letzten Schritt geht es nicht mehr darum, den Text zu erklären – sondern ihm zuzuhören. Ich stelle mir die leisen, ehrlichen „W“-Fragen: Was spricht mich an? Was bleibt unausgesprochen? Warum bewegt mich das gerade jetzt? Ich frage mich, wie dieser Vers meinen Alltag berühren kann – nicht theoretisch, sondern greifbar. Und ich spüre nach, was das mit meinem Glauben macht – ob es trägt, fordert, tröstet oder alles zugleich. Am Ende suche ich nicht die perfekte Antwort, sondern eine aufrichtige Reaktion: Was nehme ich mit – ganz persönlich, im Herzen, im Leben, im Blick auf Gott.
Es gibt viele Verse, bei denen merkt man erst im zweiten, dritten, vielleicht sogar fünften Lesen, dass sie nicht nur etwas sagen, sondern etwas mit einem machen. Und dieser hier war für mich genau so einer. Erst schien er klar. Fast schon selbstverständlich. Doch je länger ich ihn mit mir trug, desto mehr hat er mich entlarvt. Nicht frontal. Nicht laut. Sondern still. Wie jemand, der nichts sagt, aber durch seine bloße Gegenwart eine unbequeme Frage stellt: Wer gibt hier eigentlich das Wachstum? Und warum versuchst du es so oft selbst zu produzieren?
Ich glaube, was mich zwischen den Zeilen am meisten getroffen hat, ist nicht, dass ich etwas falsch gemacht hätte – sondern dass ich zu viel zu schnell wollte. Zu viel tragen. Zu viel leisten. Zu viel sehen. Früher habe ich in solchen Momenten innerlich den Druck erhöht. Mehr gelesen. Besser geplant. intensiver gebetet. Nicht unbedingt aus Liebe – sondern weil ich dachte, das müsste ich eben. Ich war der Gärtner, der nicht schlafen konnte, weil der Same nicht keimen wollte. Ich habe versucht, etwas wachsen zu lassen, das gar nicht in meiner Macht lag. Und jetzt? Heute beginne ich langsam zu lernen, was es heißt, ein Verteiler zu sein, kein Hersteller.
Dieser Gedanke stammt ursprünglich von Warren W. Wiersbe – ein zurückhaltender, tief verwurzelter Lehrer, der sich selbst nie in den Vordergrund drängte, aber dessen Worte oft ins Mark treffen. Seine Definition geistlichen Dienstes hat sich mir eingebrannt: Christlicher Dienst ist, wenn göttliche Hilfsquellen durch liebende Kanäle menschliche Bedürfnisse erreichen – zur Ehre Gottes. Und genau darin liegt das Schlüsselbild: Ich bin nicht die Quelle. Nicht der Produzent. Nicht der, der etwas aus sich heraus gebiert. Ich bin ein Verteiler. Ein Kanal. Und das verändert alles. Es heißt, ich bin in meinem Dienst dazu berufen weiterzugeben. Das was ich selbst empfangen habe.
Was mir dieser Text – und alles, was wir drum herum bewegt haben – zugerufen hat, war nicht: „Tu weniger.“ Sondern: „Vertrau mehr.“ Und das trifft mich. Weil Vertrauen kein romantisches Gefühl ist, sondern eine Entscheidung. Eine Entscheidung, dass meine Berufung nicht in der Kontrolle liegt – sondern in der Treue. Dass mein Dienst nicht daran gemessen wird, was ich aufbaue, sondern wie ich im Kleinen diene. Dass meine geistliche Identität nicht aus Rollen entsteht – sondern aus Wurzeln. Und Wurzeln sind leise. Tief. Versteckt.
Der Text hat mir aber auch gezeigt, was er nicht sagt. Er sagt nicht: Alles ist egal. Er sagt nicht: Lehn dich zurück und schau zu. Im Gegenteil. Pflanzen und Gießen sind echte, wichtige Aufgaben. Aber sie sind nicht alles. Und sie machen dich nicht zu mehr oder weniger wert. Sie machen dich einfach zu einem Mitarbeiter auf Gottes Ackerfeld. Ich weiß nicht, wie du das siehst – aber für mich liegt da eine große Entlastung drin. Eine Entlastung, die nicht passiv macht, sondern neu ausrichtet.
Wenn ich heute über geistlichen Erfolg nachdenke, dann denke ich nicht mehr an Reichweite oder Applaus. Ich denke an die kleinen, treuen Schritte, die keiner sieht. An das Gespräch nach dem Gottesdienst. An das Gebet um halb sechs morgens, wenn keiner zuhört. An das stille Nein zur Eitelkeit. Gott sieht das alles. Und er ist der Einzige, der Wachstum wirklich messen kann.
Was ich mir wünsche – für mich, für dich, für uns alle – ist, dass wir genau das lernen: nicht nur zu dienen, sondern darin auch frei zu werden. Frei von falscher Verantwortung. Frei von Vergleichen. Frei vom Gefühl, wir müssten geistlich „liefern“. Denn wer mit offenen Händen pflanzt, wird mit offenem Herzen empfangen. Vielleicht nicht sofort. Vielleicht nicht sichtbar. Aber immer echt.
Und vielleicht, wenn du jetzt am Ende dieser langen Ausarbeitung stehst, willst du für einen Moment innehalten. Nicht gleich weiterspringen. Nicht sofort reagieren. Sondern nur eine stille Frage stellen: Was will Gott in mir wachsen lassen – und was darf ich getrost loslassen?
Vielleicht ist es genau das, was dieser Text bei dir bewirken soll: Dass du nicht mehr alles tun musst – aber wieder neu glauben darfst, dass Gott alles vermag.
Zentrale Punkte der Ausarbeitung
- Gott allein schenkt das Wachstum – nicht wir.
- Paulus entzieht dem menschlichen Drang nach geistlichem Einfluss und Selbstprofilierung den Boden. Nicht der Pflanzer, nicht der Begießer – Gott gibt das Wachstum. Das ist keine Entwertung des Dienstes, sondern eine heilsame Relativierung.
- Der Dienst ist wichtig – aber nicht entscheidend. Entscheidend ist, ob Gott ihn mit Leben füllt.
- Wir sind Verteiler, keine Hersteller.
- Ein starker geistlicher Perspektivwechsel: Wir wirken nicht aus eigener Kraft, sondern aus empfangener Gnade.
- Unser Auftrag ist nicht, geistliches Wachstum zu erzeugen, sondern treu zu dienen mit dem, was uns anvertraut wurde. Das befreit von Überforderung und Vergleich.
- Treue ist wichtiger als Wirkung.
- Die Qualität geistlichen Dienstes bemisst sich nicht an Ergebnissen, sondern an der Haltung.
- Paulus schreibt gegen eine Mentalität der Sichtbarkeit – und ruft stattdessen zur verborgenen, aber echten Treue auf. Es zählt nicht, was glänzt, sondern was bleibt. (vgl. 1Kor 3,13–14)
- Der Text entlarvt geistlichen Ehrgeiz – leise, aber klar.
- Was uns heute als „Effektivität“ begegnet, war in Korinth der Wunsch nach Zugehörigkeit, nach sichtbarem Erfolg.
- Der Text stellt uns die unbequeme Frage: Dienen wir Gott – oder dienen wir einer Vorstellung von geistlicher Wirksamkeit, die wir selbst definiert haben?
- Wachstum ist geheimnisvoll, Gott ist souverän.
- Die Imperfektform von „wachsen lassen“ im griechischen Urtext betont: Gottes Wirken ist kontinuierlich, unaufhörlich, aber nie kontrollierbar.
- Wie in Markus 4,26ff wächst das Reich Gottes „von selbst“ – nicht durch menschliche Kontrolle, sondern durch göttliche Gnade.
Warum ist das wichtig für mich?
- Es verändert meinen inneren Maßstab. Ich muss mich nicht mehr an sichtbaren Resultaten messen, sondern darf mich fragen: Bin ich treu in dem, was Gott mir gegeben hat? Das ist eine heilsame Korrektur für mein Denken – auch gegen den stillen Leistungsdruck, der sich so fromm verkleidet.
- Es gibt mir Freiheit im Dienst. Ich darf arbeiten, ohne mich mit dem Ergebnis zu identifizieren. Mein Wert liegt nicht in meiner Wirkung, sondern in meiner Verbindung mit Christus. Das ist nicht Rückzug – das ist Freiheit.
- Es konfrontiert meine Selbstbilder. Der Text stellt mich in Frage: Bin ich manchmal mehr Produzent als Empfänger? Vertraue ich Gott genug, um nicht alles selbst lenken zu wollen? Und: Was mache ich mit dem Teil in mir, der doch gesehen werden will?
- Es stärkt meine geistliche Unterscheidung. Gerade in einer Zeit, in der geistliche Arbeit oft mit Projektmanagement verwechselt wird, hilft dieser Text mir zu erkennen: Nicht jede sichtbare Bewegung ist Wachstum – und nicht jedes Warten ist Stillstand.
Der Mehrwert dieser Erkenntnis
- Ich darf geistlich arbeiten, ohne geistlich auszubrennen. Weil ich weiß, dass das Entscheidende nicht in meiner Hand liegt – sondern in Gottes Treue.
- Ich kann ehrlicher mit mir selbst sein, wenn Frucht ausbleibt. Nicht alles, was Gott wirkt, zeigt sich sofort – aber es wächst. Auch wenn ich’s nicht sehe.
- Ich lerne, mich selbst als Kanal zu verstehen – nicht als Quelle. Und das entlastet mich. Denn ich muss nichts erfinden. Ich darf empfangen, was ich weitergebe.
- Ich kann anderen dienen, ohne sie zu „verändern“ wollen. Wachstum ist Gottes Werk. Ich bin Begleiter, nicht Bauleiter. Freund, nicht Formgeber.
Kurz gesagt: Wenn Gott das Wachstum gibt, dann darf ich vertrauen – und dienen. Nicht getrieben. Sondern getragen.
*Die SPACE-Analyse im Detail:
Sünde (Sin): In diesem Schritt überlegst du, ob der Bibeltext eine spezifische Sünde aufzeigt, vor der du dich hüten solltest. Es geht darum, persönliche Fehler oder falsche Verhaltensweisen zu erkennen, die der Text anspricht. Sprich, Sünde, wird hier als Verfehlung gegenüber den „Lebens fördernden Standards“ definiert.
Verheißung (Promise): Hier suchst du nach Verheißungen in dem Text. Das können Zusagen Gottes sein, die dir Mut, Hoffnung oder Trost geben. Diese Verheißungen sind Erinnerungen an Gottes Charakter und seine treue Fürsorge.
Aktion (Action): Dieser Teil betrachtet, welche Handlungen oder Verhaltensänderungen der Text vorschlägt. Es geht um konkrete Schritte, die du unternehmen kannst, um deinen Glauben in die Tat umzusetzen.
Appell (Command): Hier identifizierst du, ob es in dem Text ein direktes Gebot oder eine Aufforderung gibt, die Gott an seine Leser richtet. Dieser Schritt hilft dir, Gottes Willen für dein Leben besser zu verstehen.
Beispiel (Example): Schließlich suchst du nach Beispielen im Text, die du nachahmen (oder manchmal auch vermeiden) solltest. Das können Handlungen oder Charaktereigenschaften von Personen in der Bibel sein, die als Vorbild dienen.
Diese Methode hilft dabei, die Bibel nicht nur als historisches oder spirituelles Dokument zu lesen, sondern sie auch praktisch und persönlich anzuwenden. Sie dient dazu, das Wort Gottes lebendig und relevant im Alltag zu machen.
