Fettgedrucktes für schnell Leser…
Einleitender Impuls:
Vielleicht ist es das, was wir oft übersehen: Dass Neues nicht immer wie Neues aussieht. Nicht wie ein lauter Auftakt. Nicht wie ein überdeutliches Zeichen. Sondern wie ein leiser Anfang. Wie ein Spross. Etwas, das wächst, aber noch nicht trägt. Das da ist – aber leicht übersehen wird. Vielleicht ist das heute dran: Hinsehen. Nicht nach dem, was schon voll ist. Sondern nach dem, was gerade erst anfängt. In dir. Neben dir. In Menschen, mit denen du nicht gerechnet hast.
Ich kenne diesen Moment gut. Als ich damals mit der Gemeindegründung begann, sprach ich mit 150 Menschen – und einer sagte Ja. Einer. Nicht gerade ein flammender Start. Und ich hab gezweifelt. Nicht laut, nicht dramatisch. Sondern so innerlich, wie man eben zweifelt, wenn man nicht sicher ist, ob Gott sich gerade Zeit lässt – oder ob man sich verhört hat. Aber dann – ganz langsam – kamen andere dazu. Kein großer Zufluss. Keine Viral gegen. Nur eine kleine Bewegung. Und plötzlich war da etwas, das nicht ich gemacht habe. Sondern etwas, das gesprosst ist. Und wenn ich ehrlich bin: Ich selbst war auch nur ein Spross. Ein Wunsch, ein Gedanke, ein Hoffen im Herzen meines Vorstands, dass in Offenbach wieder eine Gemeinde im Zentrum wachsen könnte. Und ich durfte Teil davon werden. Vielleicht sind wir der erste zarte Trieb von etwas das bleibt.
Vielleicht wartest du auf das große Zeichen. Vielleicht bist du müde vom Hoffen. Ich versteh das. Aber was, wenn es schon da ist – nur noch nicht stark genug, um dich zu tragen, aber doch stark genug, um dich zu rufen? Was, wenn Gott längst angefangen hat – nur nicht laut, sondern leise? Und du bist mittendrin, ohne es gemerkt zu haben? Dann ist heute nicht der Tag der Antwort. Sondern der des Aufwachens. Zum Hinschauen. Zum Erkennen. Zum Leisewerden.
Denn manchmal beginnt das Neue mit nur einem Spross. Und das reicht. Zum Weitergehen. Zum Danken. Zum Vertrauen.
Fragen zur Vertiefung oder für Gruppengespräche:
- Welche Rolle aus deiner Vergangenheit nimmst du heute noch mit – obwohl sie dir längst nicht mehr hilft? Die Frage lädt dich ein, ehrlich auf Muster und Selbstbilder zu schauen, die du dir vielleicht in einer anderen Lebensphase zugelegt hast – und die jetzt eher hemmen als tragen.
- Wo siehst du im Moment vielleicht schon einen kleinen Spross in deinem Leben – etwas, das Gott gerade wachsen lässt? Diese Frage hilft dir, achtsam für das Unscheinbare zu werden. Sie zielt auf die kleinen Anfänge, die leicht übersehen werden, aber von Bedeutung sein könnten.
- Was würde es für dich bedeuten, Gott im Jetzt zu vertrauen – nicht erst später, wenn alles klar ist? Diese Frage greift das zentrale Thema des Textes auf: Vertrauen in das unscheinbare, langsame Wirken Gottes – ohne alle Antworten zu haben, aber mit offenem Herzen.
Parallele Bibeltexte als Slogans mit Anwendung:
Psalm 126,5 – „Tränen werden Saat.“ → Auch wenn du im Schmerz säst – Gott sieht es. Und er plant eine Ernte, selbst wenn du sie jetzt noch nicht erkennen kannst.
Prediger 3,11 – „Alles hat seine Zeit.“ → Gottes Neues kommt nicht zu spät. Es kommt so, wie es kommen soll – in einem Rhythmus, der auch deiner Seele guttut.
Markus 4,27 – „Es wächst, auch wenn du schläfst.“ → Nicht alles, was geschieht, musst du kontrollieren. Manches wächst genau dann, wenn du loslässt.
2. Korinther 5,17 – „Neues ist schon geworden.“ → Gott macht dich nicht nur besser – er macht dich neu. Und das beginnt oft leiser, als du denkst.
Wenn dich dieser Impuls berührt hat – vielleicht gerade, weil du selbst in einer „Wüstenzeit“ steckst – dann gönn dir einen Moment mehr. Die ausführliche Ausarbeitung gibt dem Ganzen Raum, Tiefe und Herz. Vielleicht nimmst du dir heute einfach mal 20 Minuten. Es lohnt sich.
Ausarbeitung zum Impuls
Nimm dir einen Moment. Schließ die Tabs im Kopf, die dich ablenken. Leg ab, was du grad mit dir rumträgst. Wir wollen uns sammeln – und anfangen mit dem, was wirklich zählt. Lass uns beten.
Papa, manchmal seh ich nur Sand. Alte Spuren, alte Geschichten, alte Fehler. Und dann kommst Du mit diesem Satz in Jesaja – „Gedenkt nicht an das Frühere…“ – und ich merk, wie schwer mir das fällt. Nicht, weil ich nicht will, sondern weil so vieles an mir klebt. Aber Du sprichst vom Neuen. Von einem Weg, der da ist, obwohl ich ihn noch nicht sehe. Von Wasser mitten im Staub. Ich danke Dir, dass Du weitergehst, auch wenn ich stehen bleibe. Dass Du Neues schaffst, auch wenn ich’s nicht erkenne. Ich will mich wieder erinnern – nicht an das Vergangene, sondern an Dich. Und an das, was Du vorhast. Heute. Jetzt.
Im Name Jesu,
Amen.
Dann lass uns reinschauen, was in diesem Vers wirklich steckt – zwischen den Zeilen, unter der Oberfläche.
Persönliche Identifikation mit dem Text und der Ausarbeitung:
In diesem Ersten Abschnitt geht es nicht darum, den Text zu erklären – sondern ihm zuzuhören. Es ist eigentlich der Letze schritt der Ausarbeitung gewesen, der den Ich nach allen anderen Schritten gegangen bin, die du danach lesen kannst… Ich stelle mir die leisen, ehrlichen „W“-Fragen: Was spricht mich an? Was bleibt unausgesprochen? Warum bewegt mich das gerade jetzt? Ich frage mich, wie dieser Vers meinen Alltag berühren kann – nicht theoretisch, sondern greifbar. Und ich spüre nach, was das mit meinem Glauben macht – ob es trägt, fordert, tröstet oder alles zugleich. Am Ende suche ich nicht die perfekte Antwort, sondern eine aufrichtige Reaktion: Was nehme ich mit – ganz persönlich, im Herzen, im Leben, im Blick auf Gott.
Also, bereit?
Vielleicht ist es gar nicht so schwer, den Moment zu verpassen, in dem Gott etwas Neues beginnt. Weil es nicht laut ist. Weil es sich nicht anfühlt wie der große Durchbruch. Sondern eher wie ein leichtes Zittern in der Stimme. Wie ein Gedanke, der leise fragt: „Wirklich?“ Vielleicht ist genau das das Schwierige – dass Gott nicht dazwischenruft, sondern im Flüsterton sagt: „Ich wirke Neues. Merkst du’s?“ Und du denkst: Noch nicht. Noch nicht ganz.
Der Text sagt nicht: Vergiss deine Geschichte. Er sagt: Halt nicht daran fest, als wäre sie alles, was du hast. Ich glaube, das ist einer der stillen Sätze zwischen den Zeilen. Gedenkt nicht an das Frühere – das meint nicht, du sollst verdrängen. Es meint: Du sollst dich nicht von dem bestimmen lassen, was du gestern gebraucht hast, aber heute loslassen darfst.
Das Neue ist oft nicht der mutige Aufbruch, den man sich wünscht. Sondern die leise Einladung, eine alte Rolle nicht mehr zu spielen. Ich habe das selbst erlebt. Als ich nach Deutschland kam, um in Offenbach eine Gemeinde zu gründen, wusste ich zwar, dass das meine Berufung war – aber gespürt habe ich’s nicht. Ein Jahr lang sprach ich mit über 150 Menschen. Persönlich. Direkt. Im Vertrauen, im Ringen, im Hören. Am Ende dieses Jahres hatte genau ein Mensch verbindlich gesagt: Ich mach mit. Einer. Kein Wunder, dass ich mich fragte, ob das hier wirklich das Neue war, von dem Gott sprach. Es fühlte sich nicht so an. Eher wie ein langer, leerer Anlauf. Und doch: Irgendwo in mir wuchs eine Ahnung. Vielleicht beginnt das Neue nicht da, wo du Resonanz spürst – sondern dort, wo du einfach gehst. Ich erinnere mich noch gut, wie ich damals meinem Vorsteher sagte: Ich weiß nicht, ob das was wird. Und er sagte: Es braucht halt Zeit. Du bist nicht da, um Ergebnisse zu liefern. Du bist da, um zu säen und… nun seid ihr ja schon zu zweit. Natürlich war Raquel und die Kinder auch immer schon dabei! — aber sonst halt nur diese eine Person.
Was mir dieser Text heute sagt? Vielleicht das: Hör auf, zu warten, bis das Neue sich wie Erfolg anfühlt. Manchmal ist es nur ein Mensch. Oder ein Gespräch. Oder ein leiser Gedanke, der sich nicht mehr vertreiben lässt. Vielleicht beginnt das Neue einfach mit einem Trotzdem.
Und was der Text nicht sagt, ist genauso wichtig. Er sagt nicht: Wenn du nur stark genug glaubst, wird alles sofort gut. Er verspricht keine Abkürzung durch das Unklare. Aber er sagt: Ich mache einen Weg. Einen. Nicht zehn. Vielleicht nur einen schmalen Pfad durch das, was undurchsichtig ist. Aber es ist genug. Das hat mir geholfen, nicht aufzugeben.
Ich frage mich manchmal, was wohl aus mir geworden wäre, wenn ich die alte Rolle behalten hätte – der junge Chef mit harter Hand. Und hier muss ich dir ein Stück mehr erzählen: Bevor ich Theologie studierte, war ich Montageleiter. Ich war gerade mal Anfang zwanzig – und plötzlich verantwortlich für ein ganzes Team von Männern, viele davon doppelt so alt wie ich. Es war ein raues Umfeld. Es ging um Effizienz, Durchhalten, Dominanz. Und ich reagierte mit Kontrolle. Ich arbeitete härter als alle anderen, übernahm das, was keiner machen wollte, und wurde – wie ich das selbst nannte – zum „Piratenkapitän“. Jemand, der nicht um Sympathie warb, sondern um Respekt. Der niemandem etwas schuldete. Der einfach lieferte.
Und das hat funktioniert. Zu gut vielleicht. Denn selbst als ich längst in einer anderen Berufung unterwegs war, meldete sich diese Rolle. Leise. Hartnäckig. Wie ein inneres Echo. Zeig keine Schwäche. Mach’s allein. Sei der Fels, auch wenn’s bröckelt. Und wenn man ehrlich ist: Oftmals haben wir im Leben nur eine Chance. Und wenn wir die verbocken – dann war’s das. Zumindest fühlt es sich so an. Ich hatte Angst, diesen einen Moment zu verpassen. Aber ich habe etwas anderes erlebt: Gott macht Neues. Und er macht es langsam. Nicht, weil er es nicht schneller könnte. Sondern weil ich Zeit brauche. Weil Entwicklung Raum braucht.
Ich erinnere mich genau: Nachdem die erste Person damals zugesagt hatte, vergingen vielleicht ein oder zwei Wochen – da kam die Ehepartnerin dazu. Musikalisch begabt. Aber keiner von uns konnte ein Instrument spielen. Wir hatten keinen Lobpreis, keine Band – nur den Wunsch. Und dann, fast wie im Stillen vorbereitet, kam eine Familie dazu. Wieder musikalisch. Und auf einmal begann das Projekt Fahrt aufzunehmen. Nicht mit Feuerwerk, sondern mit Menschen. Mit Gesichtern. Mit Geschichten.
Mittlerweile sind wir ein Kernteam von 13 Personen. Und ich merke: Wir sind durch einen Prozess gegangen, den keiner überspringen konnte. Jeder musste erst mal seinen Platz finden. Seine Stimme. Seine Bereitschaft. Und ich bin dankbar. Nicht für Zahlen. Sondern für Tiefe. Gott beginnt Neues – in einem Rhythmus, den wir tragen können. Den wir erleben können. Und – ja – den wir feiern dürfen. Ohne Druck. Ohne Eile. Mit Hoffnung.
Wenn du das liest, dann vielleicht, weil du selbst gerade irgendwo zwischen „noch nicht“ und „schon wieder vorbei“ hängst. Vielleicht hast du Erwartungen, die sich nicht erfüllt haben. Vielleicht hörst du wie ich damals eine Stimme aus dem Off, die dich an alte Muster erinnert. Und vielleicht spürst du, dass es Zeit ist, diese Stimme höflich zu verabschieden. Nicht im Zorn – sondern mit einem Danke. Danke, dass du mich getragen hast. Aber ich brauche dich in dieser Version nicht mehr.
Was mir dieser Text für meinen Glauben bedeutet? Nicht weniger als eine Umkehr der Blickrichtung. Gott ist nicht nur im Damals zu finden. Und auch nicht nur im Irgendwann. Er ist im Jetzt. Und sein Wirken beginnt vielleicht genau da, wo du gerade nichts mehr erwartest. Wo du aufhörst zu planen und anfängst zu vertrauen.
Was bleibt, ist nicht Sicherheit – sondern Treue. Und sein leiser Ruf: Ich mache einen Weg. Siehst du ihn?
Vielleicht ist das nicht viel. Aber für heute reicht das, um nicht stehen zu bleiben.
Jetzt bist du dran. Die Ausarbeitung beginnt. Wir haben genug Grund gelegt. Lass den Text auf dich wirken – nicht als Theorie. Sondern als Begegnung.
Der Text:
Zunächst werfen wir einen Blick auf den Text in verschiedenen Bibelübersetzungen. Dadurch gewinnen wir ein tieferes Verständnis und können die unterschiedlichen Nuancen des Textes in den jeweiligen Übersetzungen oder Übertragungen besser erfassen. Dazu vergleichen wir die Elberfelder 2006 (ELB 2006), Schlachter 2000 (SLT), Luther 2017 (LU17), Basis Bibel (BB) und die Hoffnung für alle 2015 (Hfa).
Jesaja 43,18–19
ELB 2006: Denkt nicht an das Frühere, und auf das Vergangene achtet nicht! Siehe, ich wirke Neues! Jetzt sprosst es auf. Erkennt ihr es nicht? Ja, ich lege durch die Wüste einen Weg, Ströme durch die Einöde.
SLT: Gedenkt nicht mehr an das Frühere und achtet nicht auf das Vergangene! Siehe, ich wirke Neues, jetzt sprosst es hervor; solltet ihr es nicht wissen? Ich will einen Weg in der Wüste bereiten und Ströme in der Einöde.
LU17: Gedenkt nicht an das Frühere und achtet nicht auf das Vorige! Denn siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr’s denn nicht? Ich mache einen Weg in der Wüste und Wasserströme in der Einöde.
BB: Denkt nicht mehr an das, was früher geschah. Beschäftigt euch nicht mit der Vergangenheit. Schaut her, ich schaffe etwas Neues! Es beginnt schon zu sprießen – merkt ihr es denn nicht? Ich lege einen Weg durch die Wüste an, im trockenen Land lasse ich Ströme fließen.
HfA: Doch ich sage euch: Hängt nicht wehmütig diesen Wundern nach! Bleibt nicht bei der Vergangenheit stehen! Schaut nach vorne, denn ich will etwas Neues tun! Es hat schon begonnen, habt ihr es noch nicht gemerkt? Durch die Wüste will ich eine Straße bauen, Flüsse sollen in der öden Gegend fließen.
Der Kontext:
In diesem Abschnitt geht es darum, die grundlegenden Fragen – das „Wer“, „Wo“, „Was“, „Wann“ und „Warum“ – zu klären. Das Ziel ist es, ein besseres Bild von der Welt und den Umständen zu zeichnen, in denen dieser Vers verfasst wurde. So bekommen wir ein tieferes Verständnis für die Botschaft, bevor wir uns den Details widmen.
Kurzgesagt… Jesaja 43,18–19 ist Gottes Einladung an sein Volk, nicht in Erinnerungen zu schwelgen, sondern den Blick für das Neue zu schärfen. In einer Zeit der Unsicherheit klingt dieser Vers wie ein Versprechen – und wie ein Widerspruch zur Realität. Um zu verstehen, wie tief dieses Versprechen geht, müssen wir erst einen Schritt zurücktreten und schauen, wo wir uns historisch eigentlich befinden.
Also, previously on Jesaja: Israel steckt tief in der Krise. Nicht die Art Krise, bei der man einfach ein Sabbatwochenende durchatmet und weitermacht, sondern die Sorte, bei der man sich fragt, ob überhaupt noch irgendwas übrig ist. Jerusalem liegt in Trümmern, der Tempel – Herzstück ihres Glaubenslebens – ist zerstört, und große Teile des Volkes leben verstreut im babylonischen Exil. Es ist das 6. Jahrhundert vor Christus, und die Lage ist mehr als angespannt. Viele wissen nicht mehr, woran sie noch glauben sollen – und ob sich das Warten überhaupt noch lohnt.
Das Spannende ist: Mitten in dieses Gefühl von Leere und Identitätsverlust hinein spricht Gott durch den Propheten Jesaja – und zwar nicht mit einem moralischen Zeigefinger, sondern mit einer Stimme, die an etwas erinnert, das viele fast vergessen haben: Gottes Treue. Und das in einer Welt, in der ringsherum andere Götter hoch im Kurs stehen, wo Mythen, Ahnenkulte und Naturmächte die Bühne dominieren. Im Vergleich dazu scheint der Glaube an Yahweh – den einen, unsichtbaren, unbestechlichen Gott – eher unpraktisch für den Alltag in Babylon.
Und doch: Genau dieser Gott spricht. Er ruft sein Volk nicht nur zurück in die Vergangenheit, sondern hinaus in eine Zukunft, die keiner sehen kann – noch nicht. Dabei nutzt er eine Sprache, die mehr ist als bloße Poesie: „Ich wirke Neues. Jetzt sprosst es hervor.“ Das klingt wie ein Spross im Asphalt, wie eine Straße in der Wüste – völlig unmöglich, aber irgendwie doch glaubwürdig, wenn man ihn kennt.
Man muss sich das vorstellen: Die Leute hängen an ihren Erinnerungen – an Mose, dem Meer, dem Manna, dem Feuer am Sinai. Diese Geschichten waren ihr Rückgrat. Und jetzt kommt Gott und sagt: „Schön. Aber das war nicht mein Meisterstück.“ Das fordert heraus. Nicht weil es gegen das Alte geht, sondern weil es den Blick auf das Kommende freimacht. Und das ist schwer, wenn man mitten in der Einöde steht – wortwörtlich wie geistlich.
Der Stil der Texte ist dabei keine einfache Trostpredigt. Jesaja 43 ist dichterisch, fast wie ein Wechselspiel zwischen Gerichtsszene und Liebeserklärung. Mal spricht Gott als Kläger gegen die Völker, mal als Retter seines Volkes, mal als Zeuge in eigener Sache. Was auffällt: Gott argumentiert nicht – er erinnert, ruft, verheißt. Und immer wieder taucht das Ich auf: Ich habe dich geschaffen. Ich habe dich erlöst. Ich bin der Erste und der Letzte. Die Formulierungen sind klar, stark, persönlich. Nicht als Lehrsatz, sondern als Einladung, sich wieder erinnern zu lassen – an den, der größer ist als das, was gerade fehlt.
Die Stimmung, in der diese Worte fallen, ist angespannt, aber nicht hoffnungslos. Es ist kein lautes Drama, sondern ein Ringen um die innere Ausrichtung. Und dieser kleine Vers 18–19 ist wie ein Wendepunkt: Vergangenheit ehren, ja – aber nicht dort stehenbleiben. Gott schafft Neues. Nicht als Wiederholung, sondern als echtes Gegenüber zur Erfahrung des Exils.
Damit haben wir ein gutes Gespür für die Welt, in der dieser Vers entstanden ist: eine Welt zwischen Verlust und Verheißung, zwischen Entfremdung und Neuschöpfung. Was jetzt kommt, hilft uns noch tiefer einzutauchen: Wir schauen uns die Schlüsselbegriffe des Textes an – und was sie in sich tragen.
Die Schlüsselwörter:
In diesem Abschnitt wollen wir uns genauer mit den Schlüsselwörtern aus dem Text befassen. Diese Worte tragen tiefere Bedeutungen, die oft in der Übersetzung verloren gehen oder nicht auf den ersten Blick ersichtlich sind. Wir werden die wichtigsten Begriffe aus dem ursprünglichen Text herausnehmen und ihre Bedeutung näher betrachten. Dabei schauen wir nicht nur auf die wörtliche Übersetzung, sondern auch darauf, was sie für das Leben und den Glauben bedeuten. Das hilft uns, die Tiefe und Kraft dieses Verses besser zu verstehen und ihn auf eine neue Weise zu erleben.
Jesaja 43,18–19 – Ursprünglicher Text (Biblia Hebraica Stuttgartensia):
אַֽל־תִּזְכְּר֖וּ רִֽאשֹׁנ֑וֹת וְקַדְמֹנִיּ֖וֹת אַל־תִּתְבֹּנָֽנוּ׃
הִנְנִ֨י עֹשֶׂ֤ה חֲדָשָׁה֙ עַתָּ֣ה תִצְמָ֔ח הֲל֖וֹא תֵֽדָע֑וּהָ אַ֣ף אָשִׂ֤ים בַּמִּדְבָּר֙ דֶּ֔רֶךְ בִּֽישִׁמ֖וֹן נְהָרֽוֹת׃
Übersetzung Jesaja 43,18–19 (Elberfelder 2006):
„Denkt nicht an das Frühere, und auf das Vergangene achtet nicht! Siehe, ich wirke Neues! Jetzt sprosst es auf. Erkennt ihr es nicht? Ja, ich lege durch die Wüste einen Weg, Ströme durch die Einöde.“
Semantisch-pragmatische Kommentierung der Schlüsselwörter
- זָכַר (zākar) – „denken an / erinnern“: Dieses hebräische Verb meint nicht bloß kognitives Erinnern, sondern das aktive Vergegenwärtigen und ins Handeln bringen dessen, was war. Im Imperativ „אַל־תִּזְכְּרוּ“ wird eine bewusste Trennung gefordert: Nicht nur vergessen, sondern sich nicht binden lassen an das, was zurückliegt. Erinnern ist hier ein geistlicher Akt – und wird unterbrochen.
- רִאשֹׁנוֹת (riʾšōnôt) – „das Frühere“: Plural des Adjektivs רִאשׁוֹן (rischon), das sowohl „zuerst“ als auch „vorhergehend“ meint. Gemeint ist das, was geschichtlich bedeutsam war – insbesondere der Exodus. Es geht um kollektive Identitätserinnerung, die hier losgelassen werden soll.
- קַדְמֹנִיּוֹת (qadmōniyyôt) – „das Vergangene“: Verstärkung zu „riʾšōnôt“, oft im Sinne von „Urzeitliches“ oder „Altvorderes“. Der poetische Parallelismus betont: Selbst das Heiligste an der Vergangenheit darf nicht zum Maßstab des Kommenden werden.
- בִּין (bîn) – „verstehen / betrachten“: Im Verb תִּתְבֹּנָנוּ steckt die Idee des unterscheidenden, prüfenden Erkennens. Gott ruft dazu auf, nicht im Modus der Analyse und Wiederholung des Alten zu bleiben. Es geht nicht nur um Nicht-Erinnern, sondern auch um Nicht-Interpretieren im alten Raster.
- הִנְנִי (hinēnî) – „Siehe, ich bin es“: Ein klassisches Selbstoffenbarungswort Gottes, das Aufmerksamkeit erzeugt. Es trägt etwas Prophetisches und Gerichtliches, ist aber hier ein Signal für schöpferische Initiative.
- עֹשֶׂה (ʿōseh) – „ich wirke / tue“: Das Partizip betont andauerndes, gegenwärtiges Handeln. Es geht nicht um eine Ankündigung, sondern um etwas, das bereits geschieht. Der Gott Israels ist im Tun, nicht im Ruhestand.
- חֲדָשָׁה (ḥădāšāh) – „Neues“: Dieses feminine Adjektiv steht selten in absoluter Stellung. Hier meint es qualitativ neu, nicht nur „noch nicht dagewesen“. In prophetischer Sprache wird es oft für Gottes eschatologische Initiative verwendet (vgl. Jes 65,17).
- תִצְמָח (tiṣmaḥ) – „es sprosst“: Vom Verb צָמַח (ṣāmaḥ), das Wachstum, Sprießen, Austreiben bezeichnet. Im Perfekt wäre es abgeschlossen – im Imperfekt wird ein beginnender, sichtbarer Prozess beschrieben: Gott wirkt nicht plötzlich, sondern organisch.
- יָדַע (yādaʿ) – „erkennen, wissen“: Die rhetorische Frage „Erkennt ihr es nicht?“ zielt auf ein Erkennen mit Herz und Sinn – nicht nur kognitiv, sondern geistlich. Es geht um Wahrnehmung des Unerwarteten im Alltäglichen.
- מִדְבָּר (midbār) – „Wüste“: Bedeutet nicht nur Sand und Hitze, sondern Ort der Leere, Orientierungslosigkeit, Prüfung – aber auch Begegnung mit Gott. Hier wird die Wüste zum Kontrastbild für Gottes unerwartete Wegeführung.
- דֶּרֶךְ (déreḵ) – „Weg“: Mehr als Trampelpfad – Symbol für Richtung, Hoffnung, Ziel. Gottes Weg ist nicht das Entfernen aus der Wüste, sondern sein Anlegen mittendrin.
- שִׁמּוֹן (šimmōn) – „Einöde, Ödland“: Sehr seltenes Wort, intensiver als „midbār“. Betonung auf Trostlosigkeit. Gott setzt dort nicht bloß einen Weg, sondern Ströme – ein Kontrast, der fast paradox klingt.
- נָהָר (nāhār) – „Strom, Fluss“: Im Plural נְהָרוֹת betont es Lebendigkeit, Versorgung, Segen. Im AT ist Wasser Träger von Leben, hier entsteht es nicht aus natürlichen Quellen – sondern aus Gottes Willen heraus.
Damit ist die Bühne bereitet für den nächsten Schritt: Wir steigen jetzt in den theologischen Kommentar zum Text ein – fundiert, textnah, und mit Blick für das, was da theologisch wirklich auf dem Spiel steht.
Ein Kommentar zum Text:
Wenn ich ehrlich bin, der Einstieg in Jesaja 43,18–19 fällt mir nicht leicht. Der Text klingt erstmal klar: „Denkt nicht an das Frühere.“ Punkt. Aber was ist, wenn genau das Frühere mein einziger Halt ist? Wenn die alten Erfahrungen mit Gott das Einzige sind, was mir geblieben ist? Gott selbst fordert hier auf, etwas Heiliges loszulassen – das Erinnern. Nicht um die Geschichte zu entwerten, sondern weil das Erinnerte uns blind machen kann für das, was gerade geschieht.
Das hebräische Verb זָכַר (zākar) – „erinnern“ – meint kein nostalgisches Zurückdenken. Es meint ein aktives Festhalten, ein ins Jetzt holen dessen, was war. Aber genau dieses Jetzt ist bei den Exilanten leer. Sie sind nicht mehr im Land. Kein Tempel. Kein Jerusalem. Nur Staub, fremde Götter, babylonische Namen und zu viele Fragen. Und jetzt sagt Gott: „Vergiss das Frühere.“ Nicht weil es falsch war, sondern weil es nicht mehr reicht, um das Kommende zu fassen.
Der Begriff רִאשֹׁנוֹת (riʾšōnôt) – „das Frühere“ – meint hier nicht die eigene Biografie, sondern kollektive Erinnerungen: der Auszug aus Ägypten, das Rote Meer, die Plagen, Sinai. Alles das, worauf man seine Identität aufgebaut hat. Aber Gott will nicht, dass Israel in Erinnerungen wohnt. Er ruft sie nicht zurück ins Damals – sondern vorwärts in das, was jetzt „sprosst“ (tiṣmaḥ). Und das ist kein sanftes Aufblühen – das Verb meint ein plötzliches Austreiben mitten im Staub. Wie Unkraut im Asphalt. Ungeplant. Und schwer einzuordnen.
John Goldingay legt den Finger in die Wunde: Der Ruf „Erkennt ihr es nicht?“ (הֲל֖וֹא תֵֽדָע֑וּהָ – halōʾ têdāʿūhā) ist fast schmerzhaft. Es ist nicht der Vorwurf eines enttäuschten Lehrers, sondern der Ruf eines Gottes, der mitten im Verborgenen handelt – und übersehen wird (John Goldingay, The Message of Isaiah).
Manchen gefällt dieser Gedanke nicht. Ich zB. Ich mag die Vorstellung, dass ich Gottes Handeln immer erkenne. Aber Jesaja lässt diese Sicherheit nicht zu. Gottes neues Werk geschieht nicht in Wiederholung, sondern im Bruch. Der Weg in der Wüste – דֶּרֶךְ בַּמִּדְבָּר (déreḵ bammidbār) – ist kein Rückweg. Er führt nicht zurück nach Ägypten, sondern durch die Leere hindurch, ins Neue, das noch keiner kennt. Die Wüste bleibt real – aber Gott setzt einen Weg hinein. Das erinnert an 5. Mose 8,15–16 – Gott führt nicht um die Wüste herum, sondern hinein, um dort zu zeigen, was im Herzen ist.
Barry G. Webb sieht in diesem Bild nicht nur Trost, sondern eine Herausforderung: Das Neue ist nicht komfortabel. Es braucht den Mut, das Bekannte zu verlassen. Und das gilt auch für uns (Barry G. Webb, Isaiah: The Message of Salvation).
Besonders stark ist die Wendung נְהָרוֹת בִּישִׁמ֖וֹן (nəharōt bišimōn) – „Ströme in der Einöde“. Das Wort שִׁמֹּון (šimmōn) bezeichnet, wie schon angedeutet, nicht nur Leere, sondern verlassene, ausgebrannte Räume. Orte, an denen keiner mehr was erwartet. Und genau dort – ausgerechnet dort – fließt Wasser. Ein Echo von Jesaja 35,6–7, wo Gott aus der Wüste einen Garten macht.
Hier könnte man geistlich ausweichen und sagen: „Gott füllt unsere Leere mit Sinn.“ Aber das ist mir zu schnell. Denn was, wenn es eben nicht sofort sprießt? Wenn ich zwar den Ruf höre, aber noch nichts sehe? Gary V. Smith betont, dass das Neue „sprosst“, aber langsam – wie ein Prozess, nicht wie ein Knall (Gary V. Smith, Isaiah Commentary). Es gibt keine Garantie, dass das Neue sofort sichtbar wird. Aber es wächst. Das erinnert mich an Jakobus 5,7 – der Bauer wartet auf die Frucht, nicht hektisch, sondern standhaft.
Und doch gibt es Hoffnung. Jesaja 65,17 greift diesen Gedanken auf: „Siehe, ich schaffe einen neuen Himmel und eine neue Erde.“ Das Neue ist nicht bloß innerlich, sondern kosmisch. Und Paulus wird diesen Bogen aufnehmen, wenn er sagt: „Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Schöpfung“ (2. Kor 5,17). Das Neue, von dem Jesaja spricht, hat ein Gesicht – und einen Namen. Und es ist nicht nur ein individuelles Rettungskonzept, sondern Teil der größeren Wiederherstellung, wie sie sich in Offenbarung 21,5 erfüllt: „Siehe, ich mache alles neu.“
McConville macht klar: Der Text steht zwischen zwei Polen – Erinnerung und Hoffnung. Und Gott steht nicht in der Mitte, sondern auf Seiten der Hoffnung. Er ruft nicht: „Erinnert euch“, sondern: „Merkt ihr’s nicht?“ (McConville, Isaiah). Die Vergangenheit bleibt, aber sie verliert ihr Gewicht. Sie ist nicht mehr Grundlage, sondern Anstoß zum Loslassen.
Mark W. Elliott und Thomas C. Oden sehen im „Neuen“ direkt eine Vorwegnahme auf Christus, das Evangelium, die Taufe – fast eine patristische Kurzfassung der Heilsgeschichte (Elliott & Oden, Isaiah). Aber hier muss man als Adventist widersprechen. Goldingay hat Recht: Das Neue ist bei Jesaja eben noch nicht eindeutig messianisch – sondern bleibt offen, unausgesprochen, suchend. Und genau das öffnet den Raum für das Verständnis progressiver Offenbarung. Was in Jesaja 43 nur andeutungsweise steht, wird erst in Christus und der eschatologischen Vollendung greifbar. Vgl. Lukas 24,27.
David W. Baker ergänzt, dass das Neue nicht aus dem Alten hervorgeht, sondern sich davon unterscheidet. Es ist kein besserer Exodus, sondern eine andere Art des Eingreifens – ein neuer Ton in Gottes Stimme. (David W. Baker, Isaiah Backgrounds Commentary). Und das deckt sich mit dem adventistischen Verständnis von Offenbarung – Gott handelt kohärent, aber nicht mechanisch. Was heute geschieht, ist nicht zwingend eine Wiederholung des Gestern. Siehe Hebräer 1,1–2.
Was aber völlig fehlt, ist der prophetische Horizont. Jesaja 43 ist kein bloßes Aufbruchswort für Exilanten – es gehört in den größeren Strom der Heilsgeschichte. Als Adventist sehe ich hier den Schatten der großen Umkehr, die in Offenbarung 14 und der letzten Botschaft an die Welt kulminiert. Das Neue, das Gott schafft, beginnt in den Herzen – aber es endet in der Wiederherstellung aller Dinge. „Dann wird die Erde voll sein von der Erkenntnis des HERRN“ (Jes 11,9).
Und trotzdem… ich stolpere immer noch über den Imperativ „Gedenkt nicht“. Das ist unbequem. Aber vielleicht liegt gerade da die Einladung: Nicht alles, was Gott getan hat, soll reproduziert werden. Vieles will weitergeführt werden – und manches darf enden. Und was kommt, beginnt nicht laut – sondern wie ein Keim. „Jetzt sprosst es auf.“ Vielleicht siehst du’s nicht sofort. Vielleicht wird’s unscheinbar sein. Aber das Neue ist Gottes Werk – und das genügt.
Was nehmen wir mit? Vielleicht nichts Fertiges. Aber ein Gespür für Bewegung. Für Wachstum. Für eine Wahrheit, die nicht aus dem Alten geboren wird, sondern aus Gottes Gegenwart in der Wüste.
Und jetzt, nachdem wir den Text im Ohr, Herz und Kopf bewegt haben, schauen wir auf das, was das konkret bedeutet. Die SPACE-Anwendung hilft uns, den biblischen Text in unser Leben zu holen – nicht theoretisch, sondern praktisch, ehrlich, persönlich.
Die SPACE-Anwendung*
Die SPACE-Anwendung ist eine Methode, um biblische Texte praktisch auf das tägliche Leben anzuwenden. Sie besteht aus fünf Schritten, die jeweils durch die Anfangsbuchstaben von „SPACE“ repräsentiert werden:
S – Sünde (Sin):
Vielleicht denkst du jetzt: „Eindeutig!! die Sünde in diesem Text — die Sache mit der Vergangenheit.“ Ja, es trifft uns immer wieder. Die Sünde, die sich hier fast lautlos anschleicht, ist die Verweigerung, sich auf Gottes Jetzt einzulassen, weil wir zu sehr mit dem Damals beschäftigt sind. Das kann nostalgisch wirken – so à la: „Früher war alles besser.“ Aber eigentlich ist es ein stiller Widerstand gegen Vertrauen. Wer am Alten klebt, kann nicht empfangen, was neu ist. Und das ist keine harmlose Marotte. Es macht eng. Unbeweglich. Geistlich starr. Und irgendwann taub für das, was Gott gerade sagen will.
Dabei meint Erinnern im Hebräischen mehr als nur Denken – zākar ist ein Tun. Es heißt: Ich lasse mich innerlich festnageln. Ich halte fest – und damit oft auch fest, was mich lähmt. Und genau da trifft der Imperativ „Gedenkt nicht“ ins Mark. Nicht, weil die Geschichte unwichtig ist. Sondern weil sie kein Ersatz für Gegenwart werden darf. Wer ständig zurückschaut, verpasst, was Gott heute tut.
P – Verheißung (Promise):
Ich geb’s zu: Diese Stelle ist ein Geschenk für alle, die Hoffnung brauchen. „Siehe, ich wirke Neues“ – das ist kein lauwarmer Versuch, Mut zu machen, sondern ein göttlicher Eingriff ins Jetzt. Und er sagt nicht: Ich plane, ich denke drüber nach, ich kündige an. Sondern: Ich tu’s. Jetzt. Es sprosst.
Vielleicht denkst du: „Ich seh nichts. Kein Spross, kein Weg, kein Strom.“ Fair. Aber Jesaja 43 ist nicht blind für diese Realität – es ist gerade darin die Verheißung: Gott beginnt oft dort, wo du nichts fühlst, nichts ahnst, nichts siehst. Wie in Jesaja 41,18 – da werden Ströme in kahlen Höhen angekündigt. Nicht in Oasen. Nicht da, wo schon etwas keimt. Sondern im absoluten Off.
Das ist nicht leicht zu glauben, ich weiß. Aber genau dafür ist es eine Verheißung: Gott sieht, was du nicht siehst – und er wirkt trotzdem. Und wenn du irgendwann zurückblickst, wirst du merken, dass es da schon anfing, wo du dachtest, es sei vorbei.
A – Aktion (Action):
Okay, und jetzt? Was mach ich mit dieser Verheißung im Rücken? Vielleicht denkst du: „Loslassen – leichter gesagt als getan.“ Absolut. Aber vielleicht geht’s erstmal gar nicht ums Loslassen, sondern ums Hinschauen. Was in mir hängt noch am Alten? Welche Gedanken? Welche Muster? Welche Rollen, die ich immer wieder spiele, obwohl sie nicht mehr passen?
Ich weiß nicht, was du mitschleppst. Alte Siege, die zur Identität wurden? Enttäuschungen, die du wie ein Messi aufhebst? Bitterkeit, die sich wie Schutz anfühlt? Vielleicht ist der erste Schritt einfach nur, es zu benennen. Im Gebet. Im Gespräch. Oder nur vor dir selbst. Und dann leise fragen: „Herr, ist das noch dran – oder darf das gehen?“
Der zweite Schritt? Achtsamkeit für das, was schon sprosst. Es beginnt selten mit Posaunen. Eher mit einem Gedanken, der sich neu anfühlt. Mit einer Begegnung, die anders ist. Mit dem Gefühl: Da tut sich was. Gott fordert nicht, dass du’s machst – er tut es. Aber er lädt dich ein, mitzugehen. Und dafür braucht’s Mut. Nicht Aktionismus, sondern Aufmerksamkeit.
C – Appell (Command):
Hier haben wir ihn: einen Imperativ, der sich nicht wie ein Befehl anfühlt, sondern wie eine liebevolle Konfrontation. „Denkt nicht an das Frühere.“ Das ist nicht: Vergiss alles. Sondern: Lass es nicht die Linse sein, durch die du alles betrachtest. Du darfst zurückschauen, klar. Aber bitte nicht leben, als wäre Gottes Wirken an der Grenze der Vergangenheit stehengeblieben.
Der Appell ist eigentlich eine Einladung: Schau mit Gottes Augen auf deine Gegenwart. Nicht, was du warst, zählt jetzt – sondern was Gott gerade mit dir tut. Das Alte hat seine Zeit gehabt. Jetzt ist Neues dran. Und vielleicht braucht’s keine großen Taten von dir. Nur die Bereitschaft zu sagen: Herr, ich bin bereit, das Neue zu sehen – auch wenn ich’s noch nicht verstehe.
E – Beispiel (Example):
Für diesen Text ist es nicht so einfach, ein Beispiel zu finden, das nicht schon in jeder dritten Predigt zitiert wurde – aber wie könnte ich nicht über das Volk Israel in Babylon sprechen? Sie hätten allen Grund gehabt, das Alte hochzuhalten – und Gott sagt: Hört auf damit. Und dann führt er sie zurück. Nicht in das Alte, sondern in einen Neuanfang, der nicht wie früher war, aber Gottes Handschrift trug. Das ist kein Happy End im Hollywood-Sinn – sondern der Beginn einer neuen Identität.
Und dann ist da 2. Korinther 5,17. Ich weiß, der Klassiker, aber trotzdem: Wer in Christus ist, ist eine neue Schöpfung. Nicht überarbeitet, nicht geflickt, sondern neu. Das Alte ist vergangen – nicht vergessen, aber überholt. Das Neue ist geworden. Es wächst. Und es trägt.
Jetzt ist der Moment, den Text nicht nur zu verstehen, sondern ihm zuzuhören. Die nächste Phase ist persönlich. Ganz still. Ganz ehrlich. Was spricht dich an? Was bleibt unausgesprochen? Warum bewegt dich das gerade jetzt? Lass uns gemeinsam schauen, wie dieser Text dein Herz erreicht – und was du mitnimmst. Nicht als Theorie, sondern als gelebte Antwort.
Persönliche Identifikation mit dem Text und der Ausarbeitung:
In diesem letzten Schritt geht es nicht mehr darum, den Text zu erklären – sondern ihm zuzuhören. Ich stelle mir die leisen, ehrlichen „W“-Fragen: Was spricht mich an? Was bleibt unausgesprochen? Warum bewegt mich das gerade jetzt? Ich frage mich, wie dieser Vers meinen Alltag berühren kann – nicht theoretisch, sondern greifbar. Und ich spüre nach, was das mit meinem Glauben macht – ob es trägt, fordert, tröstet oder alles zugleich. Am Ende suche ich nicht die perfekte Antwort, sondern eine aufrichtige Reaktion: Was nehme ich mit – ganz persönlich, im Herzen, im Leben, im Blick auf Gott.
1. Wann war das letzte Mal, dass du dachtest: „Ich erkenne Gottes Neues nicht – obwohl ich es gerne würde“?
Was ich meine: Gab es in deinem Leben eine Phase, in der du wusstest, dass Gott etwas tut, aber du konntest es nicht greifen? Vielleicht, weil alte Erwartungen dich blockiert haben? Oder weil das „Neue“ sich fremd, sogar beängstigend anfühlte? Ich suche nicht nach einer Story, sondern nach dem inneren Zustand in diesem Moment.
2. Welche „alten Dinge“ aus deiner eigenen Biografie klopfen immer wieder an die Tür – obwohl du weißt, dass sie dich vom Heute abhalten?
Damit meine ich nicht nur offensichtliche „Altlasten“. Es können auch Erfolge, Rollen, alte Bilder von dir selbst sein – die dich definieren, aber nicht mehr tragen. Was sind diese Stimmen aus der Vergangenheit, die dich manchmal daran hindern, das Jetzt von Gott zu empfangen?
3. Was brauchst du – ganz konkret – damit du Gott wieder neu vertrauen kannst, wenn du mitten in der Wüste stehst und nichts sprießt?
Diese Frage zielt auf deine ganz persönliche Glaubenspraxis: Was stärkt dich in solchen Momenten? Welche Worte, Menschen, Rituale, Gedanken oder Gebete geben dir Halt, wenn der Boden trocken ist und der Himmel still?
Zentrale Punkte der Ausarbeitung
Zentrale Punkte der Ausarbeitung
- Gottes Neues beginnt leiser als gedacht.
- Der Text aus Jesaja 43,18–19 zeigt keinen Paukenschlag, kein dramatisches Ereignis – sondern ein leises, wachsendes Wirken Gottes. Gott kündigt das Neue nicht mit Sirenen an – sondern mit einem Flüstern.
- Und genau da liegt die Spannung: Er tut etwas, aber wir sehen es oft erst im Rückblick. Seine Wege entstehen in der Wüste – nicht auf der Bühne.
- Erinnerung kann Halt geben – aber auch hemmen.
- „Denkt nicht an das Frühere“ bedeutet nicht, die Vergangenheit zu vergessen – sondern sie nicht mehr zur Norm zu machen.
- Alte Geschichten, alte Rollen, alte Siege – sie sind nicht falsch, aber sie dürfen nicht das Maß der Zukunft sein.
- Es geht darum, sich von dem zu lösen, was gestern richtig war, damit Raum für das wird, was Gott heute tut.
- Berufung braucht manchmal das „Trotzdem“.
- Die Ausarbeitung erzählt ehrlich von der Gründung einer Gemeinde in Offenbach – mit einem langen, zähen Anfang. Nur ein Mensch nach einem Jahr.
- Und trotzdem war das der Ort, an dem Gott Neues wachsen ließ. Nicht weil es boomte, sondern weil Treue getragen hat.
- Berufung beginnt oft nicht mit Applaus, sondern mit innerem Ringen – und einem Schritt ins Unklare.
- Gott ist nicht nur Herr der Zukunft – sondern des Jetzt.
- Der Text fordert auf, nicht nur zurückzuschauen oder auf das Morgen zu warten – sondern das Heute nicht zu verpassen.
- Er wirkt. Jetzt. Nicht erst, wenn du bereit bist, sondern während du suchst, zweifelst, nicht mehr weißt, ob du richtig unterwegs bist.
- Veränderung ist keine Frage der Geschwindigkeit, sondern der Richtung.
- Das Neue kommt oft nicht schnell – aber es kommt.
- Nicht, weil wir es erzwingen – sondern weil Gott es in einem Rhythmus wachsen lässt, den auch unsere Seele tragen kann.
- Geduld ist nicht die Abwesenheit von Zweifel, sondern das Vertrauen, dass auch langsames Wachsen zählt.
Warum ist das wichtig für mich?
- Weil ich lerne, Gott nicht an äußeren Ergebnissen zu messen.
- Ich darf aufhören zu denken, dass „mehr“ immer besser ist. Ein Spross reicht, wenn Gott darin lebt.
- Weil ich meine Geschichte neu betrachten kann.
- Alte Rollen, alte Muster – sie haben mich getragen. Aber jetzt darf ich sie neu schreiben lassen. Gott beginnt etwas Neues mit dem, was ich ihm gebe.
- Weil ich Vertrauen neu lernen darf – nicht in Erfolg, sondern in Treue.
- Es geht nicht um perfekte Planung. Sondern um den Mut, den nächsten kleinen Schritt zu gehen – auch wenn der Weg noch nicht klar ist.
- Weil ich sehe: Gott geht langsamer, aber tiefer.
- Und das ist gut so. Weil ich dann nicht überfordert werde, sondern mitwachsen darf.
Der Mehrwert dieser Erkenntnis
- Ich kann aufhören, auf den perfekten Moment zu warten – und anfangen, im Jetzt zu leben.
- Ich kann meine Vergangenheit würdigen, ohne mich von ihr binden zu lassen.
- Ich kann meine Berufung ernst nehmen, auch wenn sie noch keine Bühne hat.
- Ich kann dem Kleinen Raum geben – weil Gott darin schon Großes beginnt.
Kurz gesagt: Gott wirkt nicht, wenn alles fertig ist – sondern während ich noch mitten im Prozess stecke. Und genau da will ich ihn suchen. Nicht irgendwann. Sondern jetzt.
*Die SPACE-Analyse im Detail:
Sünde (Sin): In diesem Schritt überlegst du, ob der Bibeltext eine spezifische Sünde aufzeigt, vor der du dich hüten solltest. Es geht darum, persönliche Fehler oder falsche Verhaltensweisen zu erkennen, die der Text anspricht. Sprich, Sünde, wird hier als Verfehlung gegenüber den „Lebens fördernden Standards“ definiert.
Verheißung (Promise): Hier suchst du nach Verheißungen in dem Text. Das können Zusagen Gottes sein, die dir Mut, Hoffnung oder Trost geben. Diese Verheißungen sind Erinnerungen an Gottes Charakter und seine treue Fürsorge.
Aktion (Action): Dieser Teil betrachtet, welche Handlungen oder Verhaltensänderungen der Text vorschlägt. Es geht um konkrete Schritte, die du unternehmen kannst, um deinen Glauben in die Tat umzusetzen.
Appell (Command): Hier identifizierst du, ob es in dem Text ein direktes Gebot oder eine Aufforderung gibt, die Gott an seine Leser richtet. Dieser Schritt hilft dir, Gottes Willen für dein Leben besser zu verstehen.
Beispiel (Example): Schließlich suchst du nach Beispielen im Text, die du nachahmen (oder manchmal auch vermeiden) solltest. Das können Handlungen oder Charaktereigenschaften von Personen in der Bibel sein, die als Vorbild dienen.
Diese Methode hilft dabei, die Bibel nicht nur als historisches oder spirituelles Dokument zu lesen, sondern sie auch praktisch und persönlich anzuwenden. Sie dient dazu, das Wort Gottes lebendig und relevant im Alltag zu machen.
