Einleitender Impuls:
Klingt simpel, oder? Doch wenn du mal genauer hinschaust, merkst du schnell: Jesus spricht hier nicht von einer bequemen, praktischen Liebe, die nur funktioniert, wenn’s passt. Diese Liebe ist keine Option, sondern eine radikale Entscheidung. Sie ist nicht das „Ich liebe dich, solange du dich gut verhältst“ oder „Ich bin für dich da, solange es nicht zu viel wird.“ Jesus fordert eine Liebe, die echt und bedingungslos ist – die liebt, ohne darauf zu schielen, was für uns dabei herausspringt. Eine Liebe, die nicht nach den eigenen Spielregeln funktioniert, sondern sich am Beispiel Jesu orientiert. Eine Liebe, die bleibt, auch wenn der andere nervt oder alles andere als angenehm ist.
Diese Art von Liebe entsteht aber nicht einfach aus eigener Anstrengung. Jesus spricht davon, dass diese Liebe aus der Verbindung zu ihm heraus wächst – wie ein Ast, der sich am Weinstock festhält und dadurch Kraft bekommt. Ohne ihn ist diese Art von Liebe ein Kraftakt, der uns irgendwann überfordert. Mit ihm aber wird diese Liebe in uns „ausgegossen“, wie Paulus sagt. Sie wird zur Kraftquelle, die uns selbst verändert und unser Leben und unsere Beziehungen auf eine tiefere Ebene hebt. Diese Liebe kommt also nicht nur von uns selbst; sie ist ein Geschenk, das wir in Verbindung mit Gott empfangen.
Also, lass dich auf diese Liebe ein. Probiere es heute einfach mal: einen kleinen Schritt, ein Zeichen der Zuneigung, ein Moment der Geduld, selbst wenn es dir schwerfällt. Schau, wie es sich anfühlt, einfach zu geben, ohne was zurückzuerwarten. Vielleicht merkst du, dass sich in dir selbst etwas bewegt. Eine Liebe, die nicht nach Bedingungen fragt, schafft Raum – Raum für Wachstum, Heilung und echte Begegnung.
Fragen zur Vertiefung oder für Gruppengespräche:
- Wo fällt es dir schwer, jemanden ohne Erwartung zu lieben, und warum?
- Wie kannst du dich konkret mit Jesus verbinden, um diese Liebe lebendig zu halten?
- Wo hast du erlebt, dass die Kraft des Heiligen Geistes dir half, über dich selbst hinauszuwachsen?
Parallele Bibeltexte als Slogans:
Römer 5:5 — „Gottes Liebe ist in unseren Herzen ausgegossen“
1. Johannes 4:7 — „Wer liebt, der kennt Gott“
Matthäus 5:44 — „Liebe deine Feinde und bete für sie“
Galater 5:22-23 — „Die Frucht des Geistes ist Liebe“
Wenn du das Gefühl hast, dass eine Liebe ohne Bedingungen irgendwie befreiend, aber auch ziemlich ungemütlich klingt, dann schau dir die Schritte an die ich für diesen Impuls gegangen bin und entdecke, wie tiefes Vertrauen und göttliche Kraft diesen Auftrag lebbar machen (die Informationen hole ich mir meistens aus BibleHub.com damit auch du es nachschlagen kannst).
Schön, dass wir diesen Vers gemeinsam betrachten. Bevor wir in die Tiefe gehen, lass uns die Betrachtung mit einem Gebet beginnen.
Lieber Vater, danke, dass Du uns in Deinen Worten immer wieder die Essenz dessen offenbarst, was wirklich zählt. Du forderst uns auf, einander zu lieben, so wie Du uns zuerst geliebt hast. Hilf uns, dass diese Liebe lebendig und kraftvoll durch uns fließt, besonders wenn es herausfordernd ist. Zeig uns, was es bedeutet, im Alltag so zu lieben, wie Du es in Johannes 15,12 beschrieben hast, damit Dein Wesen sichtbar wird.
In Jesu Namen beten wir,
Amen.
Der Text:
Zunächst werfen wir einen Blick auf den Text in verschiedenen Bibelübersetzungen. Dadurch gewinnen wir ein tieferes Verständnis und können die unterschiedlichen Nuancen des Textes in den jeweiligen Übersetzungen oder Übertragungen besser erfassen. Dazu vergleichen wir die Elberfelder 2006 (ELB 2006), Schlachter 2000 (SLT), Luther 2017 (LU17), Basis Bibel (BB) und die Hoffnung für alle 2015 (Hfa).
Johannes 15,12
ELB 2006 Dies ist mein Gebot, dass ihr einander liebt, wie ich euch geliebt habe.
SLT Das ist mein Gebot, daß ihr einander liebt, gleichwie ich euch geliebt habe.
LU17 Das ist mein Gebot, dass ihr einander liebt, wie ich euch liebe.
BB Das ist mein Gebot: Ihr sollt einander lieben – so wie ich euch geliebt habe.
HfA Und so lautet mein Gebot: Liebt einander, wie ich euch geliebt habe.
Der Kontext:
In diesem Abschnitt geht es darum, die grundlegenden Fragen – das „Wer“, „Wo“, „Was“, „Wann“ und „Warum“ – zu klären. Das Ziel ist es, ein besseres Bild von der Welt und den Umständen zu zeichnen, in denen dieser Vers verfasst wurde. So bekommen wir ein tieferes Verständnis für die Botschaft, bevor wir uns den Details widmen.
Kurzgesagt… In Johannes 15 spricht Jesus über das Herzstück seines gesamten Wirkens — Liebe und die Verbindung zwischen ihm, seinen Jüngern und dem Vater. Dieser Abschnitt ist Teil eines längeren Gesprächs, das als „Abschiedsrede“ Jesu bezeichnet wird. Der Kontext ist ziemlich intensiv: Jesus bereitet seine Jünger auf seinen bevorstehenden Abschied vor und spricht dabei über das, was wirklich zählt, wenn er physisch nicht mehr bei ihnen ist.
Die Szene spielt sich nach dem letzten Abendmahl ab, einer der letzten gemeinsamen Momente, die Jesus mit seinen Jüngern hat. Es herrscht eine eher gedämpfte, ernste Stimmung, denn die Jünger ahnen, dass etwas Großes bevorsteht, auch wenn sie noch nicht die ganze Tragweite verstehen. Jesus, der ihnen eng verbunden ist, nutzt diesen Moment, um seine tiefsten Gedanken und seine letzten Wünsche mitzuteilen. Dabei geht es weniger um eine Reihe neuer Regeln oder Gebote, sondern vielmehr um eine Grundhaltung, ein „Roadmap “, der die Jünger durch die kommenden, schwierigen Zeiten tragen soll.
Die Rede ist voller Symbolik und Verbindungen. Jesus spricht viel über „Bleiben“ und „Verbunden-Sein“ und verwendet das Bild des Weinstocks und der Reben, das in dieser Kultur extrem bildlich und zugänglich ist. Die Reben sind vollkommen abhängig vom Weinstock, um zu überleben, und genau so beschreibt Jesus die Beziehung, die seine Jünger zu ihm haben sollen. Ohne ihn, so macht er deutlich, wäre ihr Glaube kraftlos, vergleichbar mit einer Pflanze, die ohne Wasser verdorrt.
An diesem Punkt im Gespräch, in dem unser Vers auftaucht, geht Jesus auf das zentrale Thema ein: die Liebe. Und hier wird es persönlich und direkt. Er fordert seine Jünger auf, einander so zu lieben, wie er sie liebt — und das ist keine kleine Ansage, sondern eher eine Art „Masterclass in Liebe.“ Diese Liebe ist selbstlos, voller Hingabe und sogar bereit, Opfer zu bringen. Jesus verknüpft das mit dem Gebot, dass sie in seiner Liebe bleiben sollen, und so fügt sich die Idee des „Bleibens“ und „Liebens“ zu einem Kreislauf zusammen: Wer in dieser Liebe bleibt, bleibt in Jesus, und damit auch in Gott.
Der Anlass für diese Rede ist also klar: Jesus weiß, dass seine Jünger bald ohne seine physische Anwesenheit auskommen müssen. Er will ihnen eine Art Wegweiser geben, der ihnen auch nach seinem Abschied Orientierung und Stärke schenkt. Kein Wunder, dass der Ton ernst und zugleich einladend ist, wie ein tiefer Moment des Abschieds, gepaart mit einer Hoffnung für die Zukunft. Es geht um eine Liebe, die in den kommenden, sehr realen Prüfungen des Lebens trägt — eine Liebe, die unabhängig von äußeren Umständen Bestand haben soll.
Die Schlüsselwörter:
In diesem Abschnitt wollen wir uns genauer mit den Schlüsselwörtern aus dem Text befassen. Diese Worte tragen tiefere Bedeutungen, die oft in der Übersetzung verloren gehen oder nicht auf den ersten Blick ersichtlich sind. Wir werden die wichtigsten Begriffe aus dem ursprünglichen Text herausnehmen und ihre Bedeutung näher betrachten. Dabei schauen wir nicht nur auf die wörtliche Übersetzung, sondern auch darauf, was sie für das Leben und den Glauben bedeuten. Das hilft uns, die Tiefe und Kraft dieses Verses besser zu verstehen und ihn auf eine neue Weise zu erleben.
Johannes 15,12 Ursprünglicher Text (Nestle-Aland Greek New Testament, 28th Edition)
Αὕτη ἐστὶν ἡ ἐντολὴ ἡ ἐμή, ἵνα ἀγαπᾶτε ἀλλήλους καθὼς ἠγάπησα ὑμᾶς.
Übersetzung von Johannes 15,12 (Elberfelder 2006):
„Dies ist mein Gebot, dass ihr einander liebt, wie ich euch geliebt habe.“
Semantisch-pragmatische Kommentierung der Schlüsselwörter
- Αὕτη (hautē) „Dies“: Dieses demonstrative Pronomen weist auf das unmittelbar Folgende hin und verleiht der Aussage eine besondere Betonung. Es ist eine Art „Fingerzeig“ Jesu auf das, was er als zentralen Inhalt kommunizieren will.
- ἐστὶν (estin) „ist“: Hier ist das griechische Verb „sein“ im Präsens, Aktiv, Indikativ und 3. Person Singular verwendet. Es beschreibt das „Wesensmerkmal“ oder die Identität des Gesagten. Jesus setzt mit diesem „sein“ eine endgültige Aussage darüber, was sein „Gebot“ ausmacht – es ist keine Option oder Empfehlung, sondern eine konstante Wahrheit.
- ἐντολὴ (entolē) „Gebot“: „ἐντολὴ“ wird als Befehl, Anordnung oder Gebot übersetzt. Dieses Wort signalisiert eine verbindliche Anweisung. Jesus formuliert hier nicht bloß einen Wunsch; er legt den Maßstab für das Verhalten seiner Nachfolger fest. Es ist mehr als eine moralische Richtlinie, sondern eine Grundlage seines Reiches.
- ἐμή (emē) „mein“: Dieses Pronomen unterstreicht die persönliche Autorität Jesu. Dieses Gebot stammt nicht aus Tradition oder von anderen Lehrern – es ist sein Gebot, getragen von seiner eigenen Autorität und seinem Beispiel.
- ἀγαπᾶτε (agapate) „liebt“: Das Verb „ἀγαπάω“ ist in der Konjunktivform und fordert die Zuhörer auf, zu lieben. „Agape“ ist die spezifische Art von Liebe, die sich selbstlos gibt und sich um das Wohl des anderen sorgt. Diese Liebe wird in der Bibel oft mit der göttlichen Liebe gleichgesetzt – eine Liebe, die bereit ist, alles zu geben, ohne etwas zurückzuerwarten.
- ἀλλήλους (allēlous) „einander“: Dieses Wort für „einander“ signalisiert die Richtung und die Gleichwertigkeit der Liebe, die Jesus verlangt. Es ist keine einseitige Liebe, sondern eine wechselseitige, die sich innerhalb der Gemeinschaft entfalten soll.
- καθὼς (kathōs) „wie“: Das Wort „καθὼς“ dient als Vergleich und stellt das Modell für diese Liebe dar. Jesus setzt sich selbst als das Vorbild. Er fordert nicht nur, dass man liebt, sondern dass man so liebt, wie er geliebt hat – eine bedingungslose, opferbereite Liebe.
- ἠγάπησα (ēgapēsa) „ich habe geliebt“: In der Vergangenheitsform verwendet, zeigt dieses Verb, dass Jesus seine Liebe bereits demonstriert hat. Die Liebe, die er den Jüngern zeigt, ist kein zukünftiges Ideal, sondern eine bereits vollzogene Realität, an der sie sich orientieren können.
Ein Kommentar zum Text:
In Johannes 15,12 begegnen wir einer der Kernaussagen Jesu, die den Maßstab für das christliche Leben aufstellt: „Dies ist mein Gebot, dass ihr einander liebt, wie ich euch geliebt habe.“ Hier geht es nicht nur um eine Aufforderung zur allgemeinen Nächstenliebe, sondern um eine Einladung, in eine Form der Liebe einzutauchen, die herausfordernd, radikal und ehrlich gesagt unbequem ist – und das ist genau der Punkt, an dem der Text uns alle auf den Prüfstand stellt.
Der Begriff, den Jesus für Liebe verwendet, ist „ἀγαπάω“ (agapaō), abgeleitet von „ἀγάπη“ (agapē). Diese Liebe ist nicht die „Schmetterlinge im Bauch“-Version. Es ist die Art von Liebe, die sich willentlich dem Wohl des anderen verschreibt, ohne auf den eigenen Vorteil zu schielen. Im Neuen Testament taucht dieses Wort immer dann auf, wenn Liebe über Gefühle hinausgeht und zu einer aktiven Entscheidung wird. Paulus beschreibt diese „agape“-Liebe in 1. Korinther 13 als geduldig, freundlich, und frei von Ego – im Grunde das Gegenteil dessen, was uns oft „natürlich“ erscheint. Man könnte fast sagen, dass Jesus uns hier zu einem Paradigmenwechsel aufruft: Liebe ist weniger eine Sache des „Ich will“, sondern mehr eine Sache des „Ich entscheide mich dafür“.
Der besondere Dreh kommt durch das Wort „wie“ – im Griechischen „καθὼς“ (kathōs). Hier fordert Jesus seine Jünger nicht nur auf, irgendwie zu lieben, sondern wie er sie geliebt hat. Das ist mehr als ein schöner Vergleich; es ist ein ganz konkretes Beispiel. Die Jünger haben Jesus hautnah erlebt – seine Geduld, seine Bereitschaft, sich für andere einzusetzen, und letztlich seine Entscheidung, sein Leben für sie zu geben. „Kathōs“ bedeutet hier also: „Schau, so geht’s. Ich habe es euch vorgelebt.“ Damit wird die Messlatte für die Liebe, von der Jesus spricht, ziemlich hoch gehängt.
Und jetzt kommt die Spannung ins Spiel: Wie sollen wir so lieben, wie Jesus geliebt hat? Ein Blick auf den Kontext hilft. Jesus spricht hier von der engen Verbindung zwischen ihm und seinen Jüngern – ein „Bleiben“ oder „Verharren“ in ihm, wie er es durch das Bild vom Weinstock und den Reben beschreibt (Johannes 15,1-5). Die Botschaft ist klar: Ohne eine tiefe, andauernde Verbindung zu ihm bleibt dieses Gebot, so zu lieben, schlichtweg unerreichbar. Auch Paulus greift das in Römer 5,5 auf und sagt, dass die „Liebe Gottes ausgegossen ist in unsere Herzen durch den Heiligen Geist“. Diese Liebe wächst also nicht durch bloßes Wollen, sondern durch eine göttliche Kraft, die in uns wirkt. Man könnte sagen, Jesus setzt hier eine Art „Gnadenprinzip“ ein: Diese Liebe wird in uns gewirkt, nicht erzwungen.
Interessant ist auch, dass Jesus das Wort „ἐντολὴ“ (entolē) für „Gebot“ wählt. Dies signalisiert, dass es sich um eine verbindliche Anweisung handelt – aber Vorsicht, das klingt vielleicht strenger als es gemeint ist. Jesus zwingt uns nicht, die Liebe zu „fühlen“, sondern eher, uns zu entscheiden, sie zu tun. Im Hebräischen gibt es das Konzept der „Mitzwa“, der Gebote, die nicht aus Zwang, sondern aus einem positiven Antrieb heraus befolgt werden. Jesus scheint hier eine ähnliche Logik zu verfolgen: Es wäre gut, wenn wir die Liebe zu einem bewussten Teil unseres Alltags machen. Nicht „ich muss jetzt nett sein“, sondern eher „ich wähle, diesen Menschen zu lieben – weil ich mich dazu entscheiden kann.“
Die soziale Dimension dieser Liebe ist nicht zu übersehen. Jesus spricht hier zu einer kleinen Gemeinschaft, die „einander“ lieben soll. Das bedeutet, die Liebe ist keine abstrakte „ich liebe die Menschheit“-Idee, sondern konkret und manchmal herausfordernd, gerade weil sie Menschen gilt, die einem real begegnen und manchmal auch auf die Nerven gehen können. In der Gemeinde bedeutet das, dass Liebe sich nicht nur in freundlichen Worten zeigt, sondern im ehrlichen Interesse am anderen. Jesus fordert hier eine Liebe, die fähig ist, Menschen so anzunehmen, wie sie sind – auch mit ihren Macken.
Johannes 15,12 geht damit über ein idealisiertes Bild der Liebe hinaus und wird sehr real. Liebe zeigt sich nicht nur in großen Taten, sondern auch in der Bereitschaft, Menschen im Alltag immer wieder neu anzunehmen. Das ist die Spannung und auch die Schönheit dieser Stelle: Liebe ist kein Einzelprojekt, sondern ein Gemeinschaftsprojekt. Jesus schafft hier ein Modell, das Raum für Wachstum und Fehler lässt. Es ist eine Liebe, die uns alle ermutigt, uns weiterzuentwickeln und einander in die Arme zu nehmen – ohne Erwartungen und Forderungen.
Zusammengefasst, Jesus gibt uns mit Johannes 15,12 nicht nur ein Gebot, sondern ein Lebenskonzept. Die Liebe, die er hier beschreibt, ist nicht dazu da, uns moralisch in die Enge zu treiben, sondern uns einen Weg zu eröffnen, wie wir in einer Gemeinschaft leben können, die seine Gegenwart widerspiegelt. Es ist ein Gebot, das die Grenzen unserer Komfortzone herausfordert und uns einlädt, zu lieben, wie er geliebt hat – konkret, geduldig und mit einer Prise Demut.
Die SPACE-Anwendung*
Die SPACE-Anwendung ist eine Methode, um biblische Texte praktisch auf das tägliche Leben anzuwenden. Sie besteht aus fünf Schritten, die jeweils durch die Anfangsbuchstaben von „SPACE“ repräsentiert werden:
S – Sünde (Sin)
Johannes 15,12 stellt die Frage, wie oft wir Liebe als eine Art Gefälligkeit verstehen: „Ich liebe, weil ich zurückgeliebt werde.“ Jesus fordert uns hier auf, das übliche Spiel des Gebens und Nehmens zu durchbrechen. Die „Sünde“ in diesem Text liegt vielleicht darin, dass wir oft nur bis zu einem gewissen Punkt lieben – solange es angenehm ist, solange uns der andere nicht allzu sehr nervt, und solange wir das Gefühl haben, auch etwas zurückzubekommen. Diese Begrenzung ist eine Art von Kurzsichtigkeit, die uns die Kraft und die Tiefe einer wirklich selbstlosen Liebe vorenthält. Der Text zeigt uns, dass eine Liebe, die an Bedingungen geknüpft ist, das volle Potenzial der Beziehung nicht ausschöpfen kann. Man könnte sagen, die „Verfehlung“ hier ist eine Liebe, die mit Fußnoten und Kleingedrucktem daherkommt.
P – Verheißung (Promise)
Auch wenn es hier keine explizite Verheißung gibt, ist die Hoffnung, die mitschwingt, klar und kraftvoll: Wer diese Liebe lebt, erfährt eine Tiefe und Echtheit im Leben, die weit über das Oberflächliche hinausgeht. Jesus zeigt uns, dass die Liebe, die aus Gott kommt, das Leben reicher macht – sie fördert Wachstum, Heilung und Verbundenheit. Parallelstellen wie Römer 5,5, die von der „ausgegossenen Liebe Gottes“ sprechen, erinnern uns daran, dass diese Liebe nicht nur möglich ist, sondern uns geschenkt wird. Sie bleibt nicht Theorie, sondern sie ist eine Realität, die uns tief von innen heraus verändern kann. Die Verheißung liegt darin, dass wir mit dieser Liebe eine unerschöpfliche Ressource zur Verfügung haben, die uns trägt und verbindet.
A – Aktion (Action)
Es wäre gut, wenn wir in kleinen Schritten anfangen würden, diese Form der Liebe in den Alltag zu integrieren. Wie wäre es mit einem ersten Versuch, jemanden bewusst freundlich zu behandeln, ohne dabei an eigene Erwartungen zu denken? Vielleicht ein Lächeln, ein ermutigendes Wort oder einfach Zuhören ohne Ablenkung und wahres Interesse. Diese Liebe ist eine Entscheidung, und Entscheidungen können im Kleinen beginnen. Wenn man sich dazu entschließt, ein einziges Mal am Tag diese Haltung aktiv zu praktizieren, beginnt sich die Perspektive zu ändern. Der Text fordert nicht, sofort große Taten zu vollbringen, sondern lädt ein, die Haltung Jesu in alltäglichen Begegnungen zu leben. Es ist ein kontinuierlicher Prozess, ein bisschen wie ein Muskel, der mit der Zeit stärker wird.
C – Appell (Command)
Der klare Appell in diesem Text lautet: „Liebt einander, wie ich euch geliebt habe.“ Das ist nicht nur eine nette Anregung, sondern ein grundlegender Aufruf. Jesus spricht hier direkt in unsere Verantwortung und ruft uns dazu auf, die Beziehung zu anderen Menschen aus einem tiefen Ort der Selbstlosigkeit heraus zu gestalten. Es wäre gut, wenn wir diesen Appell nicht als Last sehen, sondern als eine Art Einladung, an einem größeren Plan teilzuhaben. Jesus fordert uns nicht auf, eine perfekte „Liebes-Maschine“ zu werden, sondern er zeigt einen Weg, wie unser Leben mehr Tiefe und Echtheit bekommen kann. Dieser Appell ist ein Herzstück seines Wirkens: Liebe, die sich nicht versteckt und die Menschen annimmt, wie sie sind.
E – Beispiel (Example)
Ein bekanntes Beispiel für diese Liebe finden wir in der Geschichte des barmherzigen Samariters (Lukas 10,25-37). Dieser Mann hilft einem Menschen, den er nicht kennt und von dem er nichts erwartet. Er lebt die „agape“-Liebe in einer Situation, die uns zeigt, wie viel Mut und Offenheit dazu gehört. Ein weniger bekanntes, aber ebenfalls starkes Beispiel ist Josef, der seine Brüder vergibt, obwohl sie ihn verkauft haben (1. Mose 50,15-21). Josefs Liebe und Vergebung zeigen, dass Liebe auch dort möglich ist, wo es schmerzt, und dass sie etwas in Menschen bewirken kann. Diese beiden Beispiele lehren uns, dass Liebe manchmal ganz unromantisch ist und dennoch die stärkste Kraft ist, die uns zur Verfügung steht. Sie lädt uns ein, über den eigenen Schatten zu springen und etwas von dem zu leben, was Jesus vorgelebt hat.
Persönliche Identifikation mit dem Text:
In diesem Schritt stelle ich mir sogenannte „W“ Fragen: „Was möchte der Text mir sagen?“ in der suche nach der Hauptbotschaft. Dann überlege ich, „Was sagt der Text nicht?“ um Missverständnisse zu vermeiden. Ich reflektiere, „Warum ist dieser Text für mich wichtig?“ um seine Relevanz für mein Leben zu erkennen. Anschließend frage ich mich, „Wie kann ich den Text in meinem Alltag umsetzen/anwenden?“ um praktische Anwendungsmöglichkeiten zu finden. Weiterhin denke ich darüber nach, „Wie wirkt sich der Text auf meinen Glauben aus?“ um zu sehen, wie er meinen Glauben stärkt oder herausfordert. Schließlich frage ich, „Welche Schlussfolgerungen kann ich für mich aus dem Gesagten ziehen?“ um konkrete Handlungen und Einstellungen abzuleiten.
Der Text aus Johannes 15,12 fordert uns auf, einander zu lieben, wie Jesus uns geliebt hat – und das klingt erst einmal wunderschön, fast poetisch. Er spricht etwas in uns an, ein tiefes Bedürfnis nach Verbundenheit und nach einer Liebe, die uns durch und durch annimmt. Das ist etwas, wonach wir uns alle sehnen. Doch bei genauerem Hinsehen spüre ich auch die Herausforderung: Jesus spricht hier von einer Liebe, die nicht wählerisch ist, die nicht nach eigenen Regeln und Bedingungen funktioniert. Er zeigt auf eine Art von Liebe, die eher wie ein starker Baum ist – verwurzelt, fest, standhaft, auch dann, wenn ein Sturm kommt und die Äste ordentlich durchrüttelt. Und dieser Gedanke hat eine Tiefe, die mich in meinem Alltag herausfordert.
In einer Welt, die uns ständig suggeriert, dass Liebe sich danach richtet, was ich bekomme, was ich davon habe oder wie angenehm der andere Mensch für mich ist, klingt diese Aufforderung fast rebellisch. Ich denke daran, wie leicht es mir fällt, Menschen zu lieben, die mir sympathisch sind, die mir ein gutes Gefühl geben, die mir vielleicht sogar nützen. Aber der Text fordert mich auf, tiefer zu gehen und genau dort anzusetzen, wo ich mein Herz meist verschließe – bei der Liebe, die kein Tauschgeschäft ist, bei der Liebe, die dem anderen das Recht zugesteht, er selbst zu sein, auch wenn das unbequem wird. Das bedeutet für mich, dass ich immer wieder neu fragen darf: „Kann ich auch dann lieben, wenn es nichts für mich bringt? Kann ich dem anderen Freiraum geben, so zu sein, wie er ist, ohne dass er sich meinen Erwartungen anpassen muss?“
Und hier kommt der entscheidende Punkt, den der Text über alles hinaus betont: Diese Liebe ist keine Sache, die ich alleine schaffen könnte. Sie entspringt der Verbindung mit Jesus und wird durch den Heiligen Geist in mir wirksam. Diese Verbundenheit mit Jesus ist die Wurzel, die den „Saft“ dieser Liebe in mein Herz leitet. Wenn ich versuche, diese Liebe nur aus mir selbst heraus zu leben, dann wird es ein sehr hartes, oft zähes Ringen. Doch Jesus spricht vom „Bleiben in ihm“ – und das bedeutet, dass ich mich immer wieder neu mit seiner Liebe auffülle, indem ich Zeit mit ihm verbringe, durch Gebet und Reflektion, durch stille Momente, in denen ich mich auf ihn einlasse. Diese Zeit ist wie eine Art „Auftanken“, eine Stärkung von innen heraus.
Ich denke an Römer 5,5, wo es heißt, dass die Liebe Gottes durch den Heiligen Geist in unsere Herzen ausgegossen ist. Es ist ein Trost, zu wissen, dass ich nicht allein bin in dieser Liebe. Der Heilige Geist hilft mir, dort zu lieben, wo ich nicht weiterkann. Er öffnet Räume in mir, die ich manchmal selbst verschlossen halte, und lässt eine Liebe wachsen, die tiefer geht, als ich es allein schaffen könnte. Dieser Gedanke ist ermutigend, weil er mir zeigt, dass ich die Kraft, die ich brauche, nicht selbst erzeugen muss – ich empfange sie.
Das bedeutet für mich, dass ich mir Zeit für diese Verbindung nehmen sollte. Zeit, in der ich zur Ruhe komme und mich immer wieder neu in die Gegenwart Jesu stelle. Es wäre gut, wenn ich in kleinen Schritten beginne, das im Alltag zu verankern. Vielleicht durch ein Gebet am Morgen, bei dem ich bewusst darum bitte, dass seine Liebe mich durch den Tag leitet und wie das konkret aussehen würde. Oder indem ich mir am Ende des Tages überlege, wo ich seine Kraft gespürt habe, besonders in Situationen, die schwierig waren. So wird diese Liebe, von der Jesus spricht, zu einem beständigen Teil meines Lebens – nicht, weil ich es so großartig hinkriege, sondern weil ich immer wieder zurück zur Quelle komme.
Der Text fordert mich außerdem dazu auf, nicht nur auf meine eigenen Grenzen zu schauen, sondern auch die Grenzen anderer zu achten. Henry Cloud spricht davon, dass wir lernen dürfen, „nein“ zu sagen, und gleichzeitig den Raum des anderen respektieren. Hier wird mir klar: Diese Liebe, die Jesus uns zeigt, setzt Grenzen, aber auf eine wertschätzende Weise. Sie drängt sich nicht auf, sie manipuliert nicht, sie akzeptiert die Freiheit des anderen, selbst zu entscheiden. Ich frage mich also, ob ich in meinen Beziehungen manchmal über die Grenzen anderer gehe, ob ich Erwartungen habe, die den anderen bedrängen, statt ihn frei zu lassen.
Es wäre gut, wenn ich auch hier, in kleinen Schritten anfange, diese Gedanken in die Praxis umzusetzen. Ich kann versuchen, Menschen in meiner Umgebung mehr Raum zu geben und meine „inneren Erwartungen“ zu reflektieren: „Bin ich wirklich bereit, den anderen so zu lassen, wie er ist? Oder möchte ich ihn in eine Rolle zwängen, die mir passt?“ Wenn ich merke, dass ich ungeduldig oder enttäuscht bin, kann ich das als Signal sehen, mich neu zu orientieren und diesen Menschen bewusster anzunehmen. Liebe kann auch ein stilles Gebet sein, das den anderen stärkt, ohne dass er es bemerkt. Oder es ist die Entscheidung, einem schwierigen Gespräch nicht aus dem Weg zu gehen und dabei doch wertschätzend zu bleiben.
Und dann ist da noch eine überraschende Erkenntnis für mich: Der Text sagt nicht, dass ich sofort alles und jeden lieben muss, ohne dass es mir irgendetwas bedeutet. Liebe, wie Jesus sie versteht, wächst. Sie ist ein Prozess, kein Projekt, das ich in einem einzigen großen Anlauf erreichen kann. Es wäre hilfreich, wenn ich Geduld mit mir selbst habe und akzeptiere, dass Liebe nicht immer einfach ist. Jesus wusste das und hat uns nicht zum Perfektionismus gedrängt, sondern uns einfach aufgefordert, den ersten Schritt zu tun und dann den nächsten. Dieser Gedanke gibt mir Mut, denn er zeigt, dass ich nicht alles sofort „richtig“ machen muss.
Was der Text mir letztlich zeigt, ist, dass ich durch diese Art von Liebe selbst wachse. Wenn ich versuche, andere bedingungslos zu lieben, wie Jesus mich liebt, öffnet sich in mir ein Raum für Verbundenheit, Vergebung, Ehrlichkeit und Freude. Es wäre gut, wenn ich diesen Text als Einladung sehe – eine Einladung, mich an einer Liebe zu orientieren, die frei macht und nicht fordert. Und so kann ich heute beginnen: vielleicht mit einem Lächeln, mit einem offenen Ohr, mit der Entscheidung, meine Erwartungen loszulassen. Stück für Stück. Und dabei wachse ich nicht nur selbst, sondern bringe auch ein Stück dieser „wahrhaftigen Liebe“ in die Welt, die tief und tragfähig ist.
*Die SPACE-Analyse im Detail:
Sünde (Sin): In diesem Schritt überlegst du, ob der Bibeltext eine spezifische Sünde aufzeigt, vor der du dich hüten solltest. Es geht darum, persönliche Fehler oder falsche Verhaltensweisen zu erkennen, die der Text anspricht. Sprich, Sünde, wird hier als Verfehlung gegenüber den „Lebens fördernden Standards“ definiert.
Verheißung (Promise): Hier suchst du nach Verheißungen in dem Text. Das können Zusagen Gottes sein, die dir Mut, Hoffnung oder Trost geben. Diese Verheißungen sind Erinnerungen an Gottes Charakter und seine treue Fürsorge.
Aktion (Action): Dieser Teil betrachtet, welche Handlungen oder Verhaltensänderungen der Text vorschlägt. Es geht um konkrete Schritte, die du unternehmen kannst, um deinen Glauben in die Tat umzusetzen.
Appell (Command): Hier identifizierst du, ob es in dem Text ein direktes Gebot oder eine Aufforderung gibt, die Gott an seine Leser richtet. Dieser Schritt hilft dir, Gottes Willen für dein Leben besser zu verstehen.
Beispiel (Example): Schließlich suchst du nach Beispielen im Text, die du nachahmen (oder manchmal auch vermeiden) solltest. Das können Handlungen oder Charaktereigenschaften von Personen in der Bibel sein, die als Vorbild dienen.
Diese Methode hilft dabei, die Bibel nicht nur als historisches oder spirituelles Dokument zu lesen, sondern sie auch praktisch und persönlich anzuwenden. Sie dient dazu, das Wort Gottes lebendig und relevant im Alltag zu machen.
