1. Korinther 1:10 Einheit trotz Differenzen: Geht das wirklich?

Einleitender Impuls:

Hey, mal ehrlich – wie oft schieben wir unsere eigenen Meinungen und Vorstellungen nach vorne, besonders wenn es darum geht, „Recht zu haben“ oder einfach mal besser dazustehen? Paulus trifft hier ins Schwarze: Einheit ist mehr als Harmonie auf der Oberfläche, es ist die Bereitschaft, das „Ich“ hinter das „Wir“ zu stellen. Und das ist provokant, weil es uns zwingt, egoistische Schranken zu überwinden und wirklich zuzuhören, selbst dann, wenn der andere nicht so klingt wie wir selbst.

Einheit bedeutet nicht, dass wir alle gleich denken oder fühlen müssen. Es bedeutet, dass wir die gemeinsame Basis – Christus – in den Mittelpunkt stellen und von dort aus alles andere regeln. Stell dir mal vor, wie das wäre: Du hörst zu, ohne sofort deinen Standpunkt reinzudrücken. Du versuchst zu verstehen, statt zu urteilen. Das verändert Beziehungen und schafft eine Gemeinschaft, die trotz aller Unterschiede zusammenhält. Wie wäre es, wenn wir heute genau das ausprobieren?

Am Ende geht es darum, die kleinen Stolpersteine unserer Egos loszulassen und Platz zu machen für das große Ganze. Lass uns den Tag mit diesem Gedanken beginnen und offen für echte Gemeinschaft sein. Vielleicht ist genau das der Weg, wie Gottes Liebe greifbar wird – wenn wir aufhören, ständig auf unser eigenes Ding zu pochen, und anfangen, das Wir in Jesus in die Mitte zu rücken.

Fragen zur Vertiefung oder für Gruppengespräche:

  1. Wo fällt es dir schwer, die Perspektive anderer anzunehmen, ohne direkt zu widersprechen?
  2. Wie kannst du in deinen Beziehungen aktiv Einheit fördern, selbst bei unterschiedlichen Meinungen?
  3. Was bedeutet es für dich persönlich, das „Wir“ über das „Ich“ zu stellen?

Parallele Bibeltexte als Slogans:

Philipper 2:2 – „Seid eines Sinnes und einer Liebe“

Epheser 4:3 – „Bewahrt die Einheit des Geistes im Band des Friedens“

Römer 15:5-6 – „Seid einmütig, dass ihr Gott gemeinsam preist“

Kolosser 3:14 – „Liebe ist das Band der Vollkommenheit“

Und !? Möchtest du dich noch weiter in dieses Thema vertiefen? Im Anschluss findest du die Schritte die ich für diesen Impuls gegangen bin. Die Informationen hole ich mir meistens aus BibleHub.com damit auch du es nachschlagen kannst.


Schön, dass wir uns Zeit nehmen, diesen Vers genauer zu betrachten. Bevor wir uns in den Text vertiefen, lass uns die Betrachtung mit einem Gebet beginnen:

Liebevoller Vater,

wir kommen heute mit offenen Herzen zu Dir und bitten Dich, uns die Worte von Paulus aus 1. Korinther 1:10 in ihrer Tiefe zu erschließen. Hilf uns, den Aufruf zur Einheit in Deiner Gemeinde zu verstehen, damit wir lernen, mit einem Geist und einer Stimme zu sprechen – so wie Du es für uns vorgesehen hast. Möge Dein Geist uns führen, damit wir uns auf das Wesentliche konzentrieren und die wahre Essenz der Einheit erkennen, die Du uns schenkst.

In Jesu Namen beten wir,

Amen.

Der Text:

Zunächst werfen wir einen Blick auf den Text in verschiedenen Bibelübersetzungen. Dadurch gewinnen wir ein tieferes Verständnis und können die unterschiedlichen Nuancen des Textes in den jeweiligen Übersetzungen oder Übertragungen besser erfassen. Dazu vergleichen wir die Elberfelder 2006 (ELB 2006), Schlachter 2000 (SLT), Luther 2017 (LU17), BasisBibel (BB) und die Hoffnung für alle 2015 (Hfa).

1 Korinther 1,10

ELB 2006 Ich ermahne euch aber, Brüder, durch den Namen unseres Herrn Jesus Christus, dass ihr alle einmütig redet und nicht Spaltungen unter euch sind, sondern dass ihr in demselben Sinn und in derselben Meinung völlig zusammengefügt seid.

SLT Ich ermahne euch aber, ihr Brüder, kraft des Namens unseres Herrn Jesus Christus, daß ihr alle einmütig seid in eurem Reden und keine Spaltungen unter euch zulaßt, sondern vollkommen zusammengefügt seid in derselben Gesinnung und in derselben Überzeugung.

LU17 Ich ermahne euch aber, Brüder und Schwestern, im Namen unseres Herrn Jesus Christus, dass ihr alle mit einer Stimme redet; und lasst keine Spaltungen unter euch sein, sondern haltet aneinander fest in einem Sinn und in einer Meinung.

BB Brüder und Schwestern , im Namen unseres Herrn Jesus Christus bitte ich euch: Seid einig und lasst nicht zu, dass sich verschiedene Lager unter euch bilden! Haltet vielmehr zusammen in gleicher Überzeugung und gleicher Meinung.

HfA Liebe Brüder und Schwestern, im Auftrag unseres Herrn Jesus Christus bitte ich euch eindringlich: Hört auf, euch zu streiten! Duldet keine Spaltungen in der Gemeinde, sondern steht fest zusammen und seid euch einig in dem, was ihr denkt und entscheidet!

Der Kontext:

In diesem Abschnitt geht es darum, die grundlegenden Fragen – das „Wer“, „Wo“, „Was“, „Wann“ und „Warum“ – zu klären. Das Ziel ist es, ein besseres Bild von der Welt und den Umständen zu zeichnen, in denen dieser Vers verfasst wurde. So bekommen wir ein tieferes Verständnis für die Botschaft, bevor wir uns den Details widmen.

Kurzgesagt: Paulus hat in Korinth eine lebendige, aber zerstrittene Gemeinde hinterlassen, die er nun – fast wie ein frustrierter Coach – in seinem Brief zur Einheit ermahnen muss. Statt Teamgeist herrscht Konkurrenz, und er sieht die Gefahr, dass die Gruppe auseinanderbricht, bevor sie überhaupt richtig aufblühen kann.

Nun zu den Details: Die Gemeinde in Korinth war ein bunter Haufen. Korinth selbst war eine boomende, kosmopolitische Hafenstadt, voll von Menschen aus aller Welt und mit einer gehörigen Prise kultureller Vielfalt – und sagen wir, die Leute in Korinth hatten auch nicht gerade einen Ruf für ihre sittsame Lebensweise. Korinth war ein Schmelztiegel von verschiedenen religiösen Einflüssen, sozialen Schichten und Ethnien, und genau in dieser pulsierenden Atmosphäre hatte Paulus eine christliche Gemeinde gegründet.

Aber schon kurz nach seiner Abreise wird klar, dass der Laden auseinanderzudriften droht. Paulus bekommt wohl mehrere Berichte, die ihn etwas verzweifeln lassen: Die Gemeinde ist in Fraktionen zerfallen. Es gibt Anhänger, die sich eher als „Team Paulus“ oder „Team Apollos“ verstehen, andere ziehen Petrus vor, und es gibt sogar eine Gruppe, die sich als „die von Christus“ auszeichnet – ja, als ob sie damit besser wären als die anderen. Man spürt die Ironie hier, denn eigentlich stehen sie alle für dieselbe Botschaft, aber es scheint, als hätte jeder seinen Lieblingsprediger und als ginge es weniger um den Inhalt als um die Person.

Der Anlass für das Schreiben ist also klar: Die Gemeinde soll sich daran erinnern, dass sie zwar in der Welt lebt, aber sich von deren Streitereien und Spaltungen fernhalten soll. Der Glaube sollte sie einen, nicht spalten. Und so appelliert Paulus eindringlich an sie, doch bitte „eines Geistes“ zu sein. Er möchte verhindern, dass die Gemeinde zu einer Art spirituellen Fanklub verkommt, in dem jeder nur seine eigene Wahrheit und seinen eigenen kleinen Glaubenshelden feiert.

In gewisser Weise steht hier eine Art „Identitätskrise“ im Raum. Die Korinther hatten die Grundbotschaft des Evangeliums angenommen, aber sie tun sich schwer, sie wirklich auf den Alltag anzuwenden. Sie sind alle Christen, ja, aber so wie es aussieht, haben sie noch nicht verstanden, was das für ihre Gemeinschaft bedeutet. Paulus schreibt also nicht, weil er Korinth „aufgeben“ will – im Gegenteil. Er möchte die Gemeinde aufrütteln, sie an ihre gemeinsame Basis erinnern und sie auf die Kernwerte des Glaubens hinweisen. Es geht um Einheit und darum, einander als Brüder und Schwestern zu sehen, nicht als Konkurrenten.

Zusammengefasst: Der religiöse und geistige Kontext ist einer junger, zerbrechlicher Glaube in einer Stadt, die für ihren rauen Lebensstil und ihr buntes Treiben bekannt ist. Die Spannung liegt in der Gefahr, dass die Gemeinde durch Fraktionsdenken auseinanderfällt. Paulus spricht also ein sehr aktuelles Thema an, auch wenn es schon ein paar Jahrhunderte her ist: Zusammengehörigkeit trotz Unterschieden.

Die Schlüsselwörter:

In diesem Abschnitt wollen wir uns genauer mit den Schlüsselwörtern aus dem Text befassen. Diese Worte tragen tiefere Bedeutungen, die oft in der Übersetzung verloren gehen oder nicht auf den ersten Blick ersichtlich sind. Wir werden die wichtigsten Begriffe aus dem ursprünglichen Text herausnehmen und ihre Bedeutung näher betrachten. Dabei schauen wir nicht nur auf die wörtliche Übersetzung, sondern auch darauf, was sie für das Leben und den Glauben bedeuten. Das hilft uns, die Tiefe und Kraft dieses Verses besser zu verstehen und ihn auf eine neue Weise zu erleben.

1. Korinther 1:10 Ursprünglicher Text (Nestle-Aland 28: Novum Testamentum Graece) Παρακαλῶ δὲ ὑμᾶς, ἀδελφοί, διὰ τοῦ ὀνόματος τοῦ κυρίου ἡμῶν Ἰησοῦ Χριστοῦ, ἵνα τὸ αὐτὸ λέγητε πάντες καὶ μὴ ᾖ ἐν ὑμῖν σχίσματα, ἦτε δὲ κατηρτισμένοι ἐν τῷ αὐτῷ νοῒ καὶ ἐν τῇ αὐτῇ γνώμῃ.

Übersetzung von 1. Korinther 1:10 Elberfelder 2006:

„Ich ermahne euch aber, Brüder, durch den Namen unseres Herrn Jesus Christus, dass ihr alle einmütig redet und nicht Spaltungen unter euch sind, sondern dass ihr in demselben Sinn und in derselben Meinung völlig zusammengefügt seid.“

Semantisch-pragmatische Kommentierung der Schlüsselwörter

  • Παρακαλῶ (Parakalō) „Ich ermahne“: Das griechische Verb παρακαλέω (parakaleō) geht über eine bloße Aufforderung hinaus und beinhaltet auch Elemente des „Bitten“, „Drängen“ und sogar „Tröstens“. Paulus ruft die Gemeinde also nicht nur zur Einheit, sondern spricht sie direkt an, fast wie ein Coach, der seine Leute gleichzeitig ermahnt und ermutigt.
  • ἀδελφοί (adelphoi) „Brüder“: Der Begriff ἀδελφός (adelphos) bedeutet hier Glaubensgeschwister. Paulus verwendet diese vertrauliche Anrede, um die Nähe und Verbundenheit in der Gemeinde zu betonen. Es geht um eine geistliche Familie, in der Einheit gefördert werden soll.
  • διὰ τοῦ ὀνόματος (dia tou onomatos) „durch den Namen“: „ὄνομα“ (onoma) bedeutet „Name“, aber im biblischen Kontext bezieht sich der „Name“ oft auf die Person selbst – hier Jesus Christus. Paulus spricht im Auftrag und unter der Autorität Christi und ruft die Gemeinde zu einer Haltung auf, die dessen Charakter widerspiegelt.
  • κυρίου ἡμῶν Ἰησοῦ Χριστοῦ (kyriou hēmōn Iēsou Christou) „unseres Herrn Jesus Christus“: „κύριος“ (kyrios) ist ein Titel, der Christus als Herrscher anerkennt. Hier wird Jesus als der verehrungswürdige und höchste Herr über die Gemeinde vorgestellt, was verdeutlicht, dass die Anweisungen nicht optional sind, sondern aus einer göttlichen Autorität stammen.
  • τὸ αὐτὸ λέγητε πάντες (to auto legēte pantes) „dass ihr alle einmütig redet“: „λέγειν“ (legēte) bedeutet „reden“ oder „sagen“, und „τὸ αὐτὸ“ (to auto) bezieht sich auf „das Gleiche“. Paulus ruft die Gemeinde auf, einheitlich zu sprechen – eine Aufforderung zu klarer Kommunikation, die Verwirrung und Uneinigkeit verhindern soll.
  • σχίσματα (schismata) „Spaltungen“: Dieses Wort bezeichnet „Risse“ oder „Spaltungen“. In der Gemeinde geht es hier um konkrete Trennungen und Meinungsverschiedenheiten, die den Zusammenhalt gefährden. Paulus spricht diese Spaltungen direkt an und fordert auf, die Einheit wiederherzustellen.
  • ἦτε κατηρτισμένοι (ēte katērtismenoi) „völlig zusammengefügt seid“: Der Begriff καταρτίζω (katartizō) bedeutet „vollenden“ oder „in Ordnung bringen“. Hier geht es darum, dass die Gemeinde in Einheit und Zusammenhalt „zusammengesetzt“ sein soll, als ob sie ein perfekt eingestimmtes Ganzes bilden würde.
  • ἐν τῷ αὐτῷ νοῒ (en tō autō noi) „in demselben Sinn“: „νοῦς“ (nous) bezeichnet den Verstand oder die Geisteshaltung. Paulus appelliert an eine gemeinsame innere Haltung – eine Ausrichtung, die darauf abzielt, in der gleichen Denkweise und Zielsetzung zu agieren.
  • καὶ ἐν τῇ αὐτῇ γνώμῃ (kai en tē autē gnōmē) „in derselben Meinung“: „γνώμη“ (gnōmē) bedeutet „Meinung“ oder „Gesinnung“. Paulus fordert hier eine Übereinstimmung in der Einstellung und Urteilsbildung – eine Einladung, in allen Überzeugungen und Ansichten übereinzustimmen, um die Einheit zu wahren.

Ein Kommentar zum Text:

Es ist fast unmöglich, 1. Korinther 1:10 zu lesen, ohne die Leidenschaft und Dringlichkeit zu spüren, mit der Paulus zur Einheit aufruft. Man hat das Gefühl, er spricht direkt zu uns und legt uns die Hände auf die Schultern: „Hey, haltet zusammen!“ Aber was steckt eigentlich hinter dieser eindringlichen Bitte, und warum ist Einheit so ein wichtiger Punkt in seiner Theologie?

Paulus beginnt hier mit „Παρακαλῶ“ (parakalō), was wir als „Ich ermahne“ oder „Ich bitte euch“ übersetzen können. Das ist kein harter Befehl, sondern eher ein dringender Appell. Dieses Wort stammt aus dem griechischen Wortstamm für „trösten“ und „ermutigen“, was zeigt, dass Paulus nicht als Ankläger, sondern als Bruder spricht. Er stellt sich auf eine Linie mit den Korinthern, spricht sie sogar als „ἀδελφοί“ (adelphoi) – Brüder und Schwestern – an. Dieser Begriff ist nicht zufällig gewählt. In der antiken Welt betonte das Wort „Bruder“ (oder „Schwester“) eine enge Verbundenheit, fast wie in einer Familie. Paulus sieht die Gemeinde also als eine Art geistliche Familie, die trotz aller Differenzen ein gemeinsames Ziel verfolgen sollte.

Dieser Aufruf zur Einheit ist für Paulus zentral, weil er glaubt, dass die Gemeinde den „σῶμα Χριστοῦ“ (soma Christou) – den Leib Christi – repräsentiert. Er verwendet den Begriff „Schisma“ (σχίσμα) für Spaltung, was wörtlich „Riss“ oder „Zerreißung“ bedeutet. Eine gespaltene Gemeinde wäre wie ein Körper, der auseinanderbricht. Hier kommt auch eine gewisse Ironie ins Spiel: Die Korinther sind begeistert von der „gnōsis“ – Erkenntnis und Weisheit – und doch fehlt es ihnen an einer grundlegenden Einsicht in das, was es bedeutet, wirklich „eines Sinnes“ zu sein. Paulus möchte, dass sie verstehen, dass wahre „gnōsis“ die Erkenntnis ihrer gemeinsamen Abhängigkeit von Christus ist, nicht das Anhäufen von individuellen Meinungen und Favoriten.

Interessanterweise fordert Paulus die Korinther auf, „τὸ αὐτὸ λέγητε πάντες“ (to auto legēte pantes) – „alle dasselbe zu reden“. Das klingt fast totalitär, als sollte jeder wortwörtlich das Gleiche sagen. Doch hier meint Paulus eher eine Einheit in der Zielsetzung und Ausrichtung, keine Gleichschaltung von Meinungen. Diese „Einmütigkeit“ (νοῦς, nous) und „Gesinnung“ (γνώμη, gnōmē) sind die Basis für die christliche Gemeinschaft. Er fordert keine uniformen Antworten, sondern ein Herz, das auf Christus gerichtet ist. Es ist ähnlich wie bei einer Sinfonie: Verschiedene Instrumente spielen unterschiedliche Noten, doch am Ende entsteht ein harmonisches Ganzes.

Ein spannender Punkt hier ist der Aufruf zur Einheit „durch den Namen unseres Herrn Jesus Christus“ (διὰ τοῦ ὀνόματος τοῦ κυρίου ἡμῶν Ἰησοῦ Χριστοῦ, dia tou onomatos tou kyriou hēmōn Iēsou Christou). „Name“ bedeutet im antiken Kontext mehr als nur eine Bezeichnung; es steht für die ganze Person, deren Charakter und Autorität. In diesem Sinne erinnert Paulus daran, dass die Korinther ihre Identität in Christus finden, nicht in persönlichen Vorlieben oder egozentrischen Idealen. Ein ähnliches Thema finden wir in Philipper 2:2, wo Paulus die Philipper aufruft, „eines Sinnes“ zu sein, indem sie das Vorbild Christi annehmen, der sich selbst erniedrigte und demütig war. Auch hier in Korinth will Paulus deutlich machen: Die Grundlage unserer Einheit ist nicht unsere Sympathie füreinander, sondern Christus selbst.

Natürlich entsteht bei so einer Botschaft auch ein gewisser Widerstand. Einheit ist schön und gut – aber was ist mit der Vielfalt? Es scheint fast so, als ob Paulus hier sagt: „Lasst eure persönlichen Überzeugungen fallen.“ Tatsächlich könnte das, in der heutigen Zeit, manchen schwerfallen, die Freiheit und Individualität als Kernwerte betrachten. Aber Paulus ruft nicht zur Aufgabe individueller Identität auf; er fordert die Korinther lediglich auf, ihre Prioritäten zu überprüfen. Der Glaube sollte im Zentrum stehen, nicht der persönliche Stolz oder der Wunsch, Recht zu haben. Wie auch in Römer 12:5 betont Paulus, dass wir „in Christus ein Leib sind“ und dennoch „einzeln Glieder“, die zur Gesamtgestalt beitragen. Es ist ein Paradox, das Paulus durch die ganze Theologie hindurch zieht: Einheit durch/inklusive Vielfalt, oder – wie ein Puzzle – verschiedene Teile, die ein Bild ergeben.

Man könnte auch fragen, warum Paulus überhaupt so intensiv auf Einheit besteht. Die Antwort liegt in seiner Vision für die Gemeinde als ein Zeugnis in einer fragmentierten Welt. Für ihn ist die Gemeinde eine Art „Gegenwelt“, die den Wert der Liebe und des Zusammenhalts in einer Kultur zeigt, die von Konflikten und Machtkämpfen geprägt ist. Diese Einheit ist nicht nur für die Gemeinde selbst wichtig, sondern auch für ihre Glaubwürdigkeit nach außen hin. In einer gewissen Weise wird hier die „Ethik der Zugehörigkeit“ sichtbar – eine Ethik, die sich aus der Zugehörigkeit zu Christus speist und weniger aus individuellen Standpunkten. Paulus erinnert die Korinther daran, dass ihre Aufgabe größer ist als ihre persönlichen Differenzen. Sie sollen als Einheit sichtbar sein, um das Wesen Christi in ihrer Umgebung zu verkörpern.

Was tun wir also mit dieser Aufforderung zur Einheit? Es wäre einfach, diesen Text als Appell zu Harmonie zu lesen und den Rest zu ignorieren. Doch Paulus fordert uns heraus, tiefer zu gehen und zu fragen, was es wirklich bedeutet, „eines Geistes“ zu sein. Es ist eine Einladung, persönliche Barrieren abzubauen und uns auf das zu besinnen, was uns verbindet: der Glaube an Christus. Am Ende will Paulus keine Gruppe von Robotern, die das Gleiche denken, sondern eine lebendige Gemeinschaft, die trotz ihrer Vielfalt eins ist – vereint durch die Liebe, die sie von Christus empfangen hat.

Die SPACE-Anwendung*

Die SPACE-Anwendung ist eine Methode, um biblische Texte praktisch auf das tägliche Leben anzuwenden. Sie besteht aus fünf Schritten, die jeweils durch die Anfangsbuchstaben von „SPACE“ repräsentiert werden:

S – Sünde (Sin)

In diesem Vers zeigt sich die Neigung zur Spaltung als eine Art „Schieflage“. Es ist die Gefahr, eigene Vorlieben über die Gemeinschaft zu stellen und sich dadurch von anderen abzugrenzen – ganz nach dem Motto: „Meine Ansicht ist richtig, und die anderen haben’s nicht kapiert.“ Diese innere Trennung kann zu Stolz und sogar Arroganz führen, was das Miteinander zerstört. Paulus warnt hier vor dieser Haltung, denn sie führt weg vom Geist der Einheit, den Christus uns schenkt. Im Kern geht es darum, dass ein eigenständiges Ego oft blind für die Bedürfnisse anderer ist – und genau diese Art des Verfehlens hindert die Liebe daran, zu wachsen.

P – Verheißung (Promise)

Direkt ist hier keine Verheißung formuliert, doch zwischen den Zeilen blitzt etwas Wunderbares auf: Wenn wir als Einheit zusammenkommen und die Spaltungen überwinden, dann dürfen wir erleben, wie Christus mitten unter uns ist und wie sein Friede uns zusammenhält. Ein ähnlicher Gedanke findet sich in Matthäus 18:20: „Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen.“ Die Verheißung der Gegenwart Christi in der Einheit ist ein enormer Trost und eine Ermutigung – es erinnert uns daran, dass Gott in den Augenblicken der Einmütigkeit ganz besonders präsent ist. Diese tiefe, innere Verbundenheit schenkt uns nicht nur Frieden, sondern auch Kraft.

A – Aktion (Action)

Es wäre gut, aktiv daran zu arbeiten, die eigenen Vorlieben und Meinungen auch mal zur Seite zu schieben und offen für die Gedanken und Ansichten der anderen zu sein. Ein konkreter Schritt könnte sein, im nächsten Gespräch bewusst zuzuhören und zu versuchen, nicht gleich die eigene Meinung durchzusetzen, sondern die Perspektive des anderen als wertvoll anzuerkennen. Paulus ruft dazu auf, „eines Sinnes“ zu sein – also die Einheit und Harmonie aktiv zu suchen. Praktisch bedeutet das: Bei Meinungsverschiedenheiten ruhig bleiben, die andere Person respektieren und nach dem suchen, was uns verbindet, statt das hervorzuheben, was uns trennt. Es ist ein Lernprozess, der Zeit braucht, aber jeder kleine Schritt in diese Richtung verändert die Atmosphäre und macht die Liebe Christi sichtbar.

C – Appell (Command)

Paulus appelliert an uns, „alle einmütig zu reden“ und „Spaltungen“ zu vermeiden. Dieser Appell lädt uns dazu ein, die Einheit in der Gemeinde zu fördern, nicht nur als Ideal, sondern als greifbares Ziel. Es geht darum, Wege zu finden, das „Wir“ in den Mittelpunkt zu stellen. Der Appell ist kein starrer Befehl, sondern eher eine Einladung, sich auf die göttliche Vision von Gemeinschaft einzulassen und mit anderen in Einklang zu sein. Es wäre gut, wenn wir immer wieder fragen: „Was kann ich tun, damit die Gemeinschaft wächst? Wie kann ich meinen Teil zur Einheit beitragen?“

E – Beispiel (Example)

Ein bekanntes Beispiel für Einheit und Gemeinschaft finden wir in den ersten Christen in der Apostelgeschichte 2:42–47. Sie waren „ein Herz und eine Seele“ und teilten alles miteinander – eine starke Gemeinschaft, die gemeinsam im Glauben wuchs. Ihr Leben war ein lebendiges Zeugnis dafür, was echte Einheit bewirken kann. Doch es gibt auch ein weniger bekanntes Beispiel: Paulus und Barnabas hatten einen heftigen Streit (Apostelgeschichte 15:36–40), und obwohl sie sich für eine Zeit trennten, bewahrten sie die Einheit im und für das Evangelium. Dieser Konflikt zeigt, dass Unterschiede in der Meinung nicht das Ende der Gemeinschaft sein müssen, wenn das gemeinsame Ziel – Christus – weiterhin im Fokus bleibt.

So gesehen hilft uns 1. Korinther 1:10, das eigene Denken und Handeln zu hinterfragen und neu auf den Wert der Einheit in der Liebe Christi auszurichten. Es ermutigt dazu, Barrieren abzubauen und gemeinsam eine Gemeinschaft zu formen, die offen, liebevoll und ganz im Sinne Jesu miteinander lebt.

Persönliche Identifikation mit dem Text:

In diesem Schritt stelle ich mir sogenannte „W“ Fragen: „Was möchte der Text mir sagen?“ in der suche nach der Hauptbotschaft. Dann überlege ich, „Was sagt der Text nicht?“ um Missverständnisse zu vermeiden. Ich reflektiere, „Warum ist dieser Text für mich wichtig?“ um seine Relevanz für mein Leben zu erkennen. Anschließend frage ich mich, „Wie kann ich den Text in meinem Alltag umsetzen/anwenden?“ um praktische Anwendungsmöglichkeiten zu finden. Weiterhin denke ich darüber nach, „Wie wirkt sich der Text auf meinen Glauben aus?“ um zu sehen, wie er meinen Glauben stärkt oder herausfordert. Schließlich frage ich, „Welche Schlussfolgerungen kann ich für mich aus dem Gesagten ziehen?“ um konkrete Handlungen und Einstellungen abzuleiten.

Dieser Text hat etwas, das direkt ins Herz geht: Er ruft zur Einheit auf – und das auf eine Weise, die weniger wie ein Verbot und mehr wie eine Einladung klingt, die eigenen Schranken zu öffnen. Es ist, als würde Paulus sagen: „Schau mal, was möglich wird, wenn ihr zusammenfindet und einander wirklich zuhört.“ Da steckt eine gewisse Romantik, ein Versprechen von Gemeinschaft drin, die mehr ist als bloße Versammlung. Der Text lädt dazu ein, sich selbst zurückzunehmen und das „Wir“ in den Mittelpunkt zu rücken – und das ist eine wohltuende Herausforderung in einer Welt, in der das „Ich“ oft ganz oben steht. Die Frage ist: Wie könnte mein Leben aussehen, wenn ich das wirklich ernst nehme?

Der Text spricht mir aus der Seele, und gleichzeitig fühlt er sich fast unangenehm ehrlich an. Diese Einladung zur Einheit berührt den Kern menschlicher Bedürfnisse: Wir alle sehnen uns nach Anerkennung, Sicherheit und Zugehörigkeit. Doch genau diese Sehnsüchte führen oft auch zu Konflikten, besonders wenn wir das Bedürfnis nach Selbstbestimmung und Kontrolle ins Spiel bringen. Es wäre gut, mir zu überlegen, ob ich mein Ego vielleicht manchmal zu sehr in den Vordergrund schiebe und dadurch die Verbindung zu anderen riskiere. Hier könnte eine Übung in Empathie und gewaltfreier Kommunikation helfen, bei der ich mich frage, was das Bedürfnis der anderen Person ist und wie ich es anerkennen kann, ohne dabei meine eigenen Werte aufzugeben.

Der Text sagt mir, dass Einheit wertvoll ist, dass sie möglich und – wenn ich mich darauf einlasse – tief erfüllend sein kann. Gleichzeitig sagt er mir nicht, dass ich alle Konflikte einfach hinnehmen oder meine Persönlichkeit aufgeben sollte. Das ist wichtig, denn Einheit im biblischen Sinne verlangt kein Einheitsdenken oder Individualitätstaufgabe, sondern Einstimmigkeit in den biblischen Werten. Diese Freiheit macht Einheit lebendig und echt. Es wäre gut, wenn ich das für mein eigenes Leben umsetze, indem ich lerne, in Konflikten weniger darauf zu bestehen, „Recht zu haben“, und stattdessen frage: „Wie können wir das gemeinsam lösen?“ Das klingt einfach, aber das Ego in den Hintergrund zu stellen, ist eine der größten Herausforderungen – hierzu kann ich empfehlen den 4. Weg von Steven R. Covey zu lesen.

Eine weitere Schlussfolgerung aus dem Text betrifft meinen Glauben: Einheit ist im Kern keine ethische Option, sondern ein Ausdruck von Gottes Wesen. Sie spiegelt wider, dass auch Gott in sich Gemeinschaft lebt – Einheit trotz der Vielfalt. Wenn ich das auf mein Leben übertrage, heißt das: Ich kann Einheit suchen, ohne die Unterschiede zu fürchten, denn sie gehören dazu. Das bedeutet, dass ich andere Meinungen nicht als Bedrohung sehen sollte, sondern als Chance, mehr über Gott und die Welt zu erfahren. Ich könnte also im Alltag bewusster zuhören und mich mehr für die Perspektiven anderer öffnen, selbst wenn sie sich von meinen eigenen unterscheiden.

Der Text lädt mich ein, meine Beziehungen mit einem liebevollen Blick zu betrachten. Vielleicht sollte ich aufhören, auf die „Fehler“ in anderen zu schauen und stattdessen nach dem gemeinsamen Kern suchen und dann aus diesem heraus die Differenzen angehen. Für Paulus ist Christus dieser Kern, und ich frage mich, wie viel leichter das Leben sein könnte, wenn ich mich darauf konzentriere, statt auf die kleinen Differenzen, die oft so viel Raum einnehmen. Eine praktische Anwendung könnte sein, dass ich das nächste Mal, wenn ich mit jemandem nicht übereinstimme, versuche, weniger zu argumentieren und stattdessen den Wunsch ausdrücke, die Person besser zu verstehen.

Am Ende nehme ich aus diesem Text eine Erkenntnis mit, die mich daran erinnert, wie befreiend es sein kann, das Gemeinsame über das Trennende zu stellen. Einheit ist kein Zustand, in dem alle Konflikte verschwinden, sondern ein Raum, in dem wir Differenzen mit dem Vertrauen angehen, dass Christus uns zusammenhält – und dass wir aus dieser Mitte heraus alles andere sortieren können. Wenn ich das schaffe, kann ich Einheit wirklich leben, nicht als ein starres Ideal, sondern als einen fließenden Prozess, der Raum für Wachstum und Verständnis lässt. So wird mir klar: Es geht darum, nicht auf biegen und brechen die Unterschiede zu beseitigen, sondern durch sie hindurch in einen echten Dialog zu kommen – und letztlich in eine Verbundenheit, die tiefer ist als jede forcierte Übereinstimmung.


*Die SPACE-Analyse im Detail:

Sünde (Sin): In diesem Schritt überlegst du, ob der Bibeltext eine spezifische Sünde aufzeigt, vor der du dich hüten solltest. Es geht darum, persönliche Fehler oder falsche Verhaltensweisen zu erkennen, die der Text anspricht. Sprich, Sünde, wird hier als Verfehlung gegenüber den „Lebens fördernden Standards“ definiert.

Verheißung (Promise): Hier suchst du nach Verheißungen in dem Text. Das können Zusagen Gottes sein, die dir Mut, Hoffnung oder Trost geben. Diese Verheißungen sind Erinnerungen an Gottes Charakter und seine treue Fürsorge.

Aktion (Action): Dieser Teil betrachtet, welche Handlungen oder Verhaltensänderungen der Text vorschlägt. Es geht um konkrete Schritte, die du unternehmen kannst, um deinen Glauben in die Tat umzusetzen.

Appell (Command): Hier identifizierst du, ob es in dem Text ein direktes Gebot oder eine Aufforderung gibt, die Gott an seine Leser richtet. Dieser Schritt hilft dir, Gottes Willen für dein Leben besser zu verstehen.

Beispiel (Example): Schließlich suchst du nach Beispielen im Text, die du nachahmen (oder manchmal auch vermeiden) solltest. Das können Handlungen oder Charaktereigenschaften von Personen in der Bibel sein, die als Vorbild dienen.

Diese Methode hilft dabei, die Bibel nicht nur als historisches oder spirituelles Dokument zu lesen, sondern sie auch praktisch und persönlich anzuwenden. Sie dient dazu, das Wort Gottes lebendig und relevant im Alltag zu machen.