Matthäus 21,43 Das Problem der Unzugänglichkeit → „Deshalb sage ich euch: Gottes Reich wird euch weggenommen und einem Volk gegeben werden, das Gott gehorcht.”

Fettgedrucktes für schnell Leser…

Einleitender Impuls:

Gestern ging’s darum, wie Jesus die Tische umwirft und die Tauben freilässt – und manche dachten: „Endlich ein Bibelvers, der meine Wutausbrüche biblisch rechtfertigt.“ Heute wieder so ein Kandidat: „Ich hab genug von euch. Gebt das Reich zurück. Ich geb’s jemand anderem.“ Klingt fast wie ein Schlussstrich. So à la: „Schluss jetzt – du hattest deine Chance.“ Aber wenn man das einfach nur so liest, verpasst man das Wichtigste. Denn dieser Satz ist kein göttlicher Abbruch – sondern eine göttliche Einladung, endlich wieder offen zu werden.

Ich bin mit meinen zwei Jungs gerade auf einem Zwei-Wochen-Trip unterwegs. Die erste Woche ist rum – und ich sag’s dir: Ich hab viel gelernt. Nicht nur als Vater, sondern als Mensch. Es ist erstaunlich, wie tief einen Kinder mit ihren einfachen Fragen treffen können: „Warum machst du das so?“„Aber das ergibt doch gar keinen Sinn…“ Und manchmal stimmt’s sogar. Ich merke: Ich bin nicht immer offen. Nicht für Kritik, nicht für neue Wege, nicht mal für meine eigenen Gefühle. Und genau da trifft mich dieser Vers. Es geht nicht darum, Gott etwas zu liefern – sondern wieder erreichbar zu sein. Für Korrektur. Für Veränderung. Für das, was echt ist.

Was Jesus hier sagt, ist unbequem – aber nicht gemein. Es ist wie ein Vater, der nicht hinschaut, was du bringst, sondern ob du noch verbunden bist. Das Reich Gottes ist nicht für die Erfolgreichen reserviert, sondern für die, die zugänglich bleiben. Bereit, ehrlich zu werden. Bereit, sich hinterfragen zu lassen. Bereit, Frucht zu bringen – nicht aus Pflicht, sondern aus Nähe. Und heute merke ich: „Herr, ich will dir danken, dass ich dazugehören darf.“ Nicht, weil ich aus der richtigen Kultur komme oder alles richtig mache – sondern weil du mich rufst. Und ich danke dir, dass du mir solche Texte gibst: ungeschönt, klar, liebevoll herausfordernd. Damit ich nicht vergesse, worum es wirklich geht – nicht um Systeme, sondern um Beziehung. Und diese Beziehung will ich nicht als selbstverständlich nehmen, sondern als das, was sie ist: wertvoll. lebendig. pflegebedürftig.

Fragen zur Vertiefung oder für Gruppengespräche:

  1. Wo in deinem Leben bist du äußerlich verfügbar, aber innerlich unzugänglich geworden – für Gott oder für andere?
  2. Wann hast du das letzte Mal ehrliche Korrektur zugelassen – und was hat sie in dir ausgelöst?
  3. Gibt es Bereiche in deinem Denken oder Glauben, wo du eher behalten willst, was du kennst – statt dich auf Neues einzulassen?

Parallele Bibeltexte als Slogans mit Anwendung:

Hebräer 3,15„Wenn ihr seine Stimme hört…“Geistliche Verhärtung beginnt oft nicht mit Rebellion, sondern mit innerem Rückzug.

Johannes 15,2„Er reinigt, was Frucht bringt.“Korrektur ist kein Zeichen von Ablehnung, sondern ein Ausdruck von Fürsorge.

Matthäus 18,3„Werdet wie die Kinder.“Offenheit und Lernbereitschaft sind kein Rückschritt – sie sind der Weg ins Reich Gottes.

Offenbarung 3,20„Ich stehe vor der Tür und klopfe an.“Gott drängt sich nicht auf – aber er hört nicht auf zu suchen.

Wenn du wissen willst, warum Jesus manchmal klar spricht – nicht um zu verletzen, sondern um zu retten – und was das mit deinem eigenen Herz, deinem Glauben und deinen Beziehungen zu tun hat, dann nimm dir 20 Minuten und lies die ganze Ausarbeitung – sie könnte deine Sicht auf wahre Offenheit und göttliche Nähe neu sortieren.


Möchtest du dich noch weiter in dieses Thema vertiefen? Im Anschluss findest du die Schritte die ich für diesen Impuls gegangen bin…

Es freut mich, dass wir uns gemeinsam Matthäus 21,43 widmen – einem Vers, der nicht leise spricht, sondern ins Herz trifft. Bevor wir tiefer einsteigen, lass uns diesen Moment öffnen mit einem Gebet.

Liebevoller Vater,

du siehst, wie oft wir mit den richtigen Worten um uns werfen – und dabei übersehen, was wirklich Frucht bringt. Du bist nicht auf der Suche nach religiösem Glanz, sondern nach einem Herz, das bereit ist, sich dir anzuvertrauen. In deinem Sohn hast du uns gezeigt, dass das Reich Gottes nicht auf Prestige baut, sondern auf Verfügbarkeit. Nicht auf Herkunft, sondern auf Hingabe. Und genau deshalb wollen wir heute innehalten – nicht nur hören, was Jesus damals sagte, sondern spüren, was er heute in uns ansprechen möchte.

Räume unsere inneren Bühnen leer, auf denen wir uns selbst inszenieren – und schaffe Platz für das, was du wachsen lassen willst. Zeig uns, wo du uns nicht klein machen, sondern fruchtbar machen willst. Und lass diesen Vers kein Urteil sein, sondern eine Einladung: neu zu denken, neu zu vertrauen, neu zu leben – mit dir, im Licht deines Reiches.

In Jesu Namen,

Amen.

Bereit? Dann lass uns nun schauen, was diesem starken Satz eigentlich vorausgeht – und warum Jesus ihn genau jetzt ausspricht.

Der Text:

Zunächst werfen wir einen Blick auf den Text in verschiedenen Bibelübersetzungen. Dadurch gewinnen wir ein tieferes Verständnis und können die unterschiedlichen Nuancen des Textes in den jeweiligen Übersetzungen oder Übertragungen besser erfassen. Dazu vergleichen wir die Elberfelder 2006 (ELB 2006), Schlachter 2000 (SLT), Luther 2017 (LU17), Basis Bibel (BB) und die Hoffnung für alle 2015 (Hfa).

Matthäus 21,43

ELB 2006 Deswegen sage ich euch: Das Reich Gottes wird von euch weggenommen und einer Nation gegeben werden, die seine Früchte bringen wird.

SLT Darum sage ich euch: Das Reich Gottes wird von euch genommen und einem Volk gegeben werden, das dessen Früchte bringt.

LU17 Darum sage ich euch: Das Reich Gottes wird von euch genommen und einem Volk gegeben werden, das seine Früchte bringt.

BB Deshalb sage ich euch: Gott wird euch das Reich Gottes wegnehmen. Er wird es einem Volk geben, das Früchte hervorbringt, die dem Reich Gottes entsprechen.

HfA Deshalb sage ich euch: Gottes Reich wird euch weggenommen und einem Volk gegeben werden, das Gott gehorcht.

Der Kontext:

In diesem Abschnitt geht es darum, die grundlegenden Fragen – das „Wer“, „Wo“, „Was“, „Wann“ und „Warum“ – zu klären. Das Ziel ist es, ein besseres Bild von der Welt und den Umständen zu zeichnen, in denen dieser Vers verfasst wurde. So bekommen wir ein tieferes Verständnis für die Botschaft, bevor wir uns den Details widmen.

Kurzgesagt: Wir sind immer noch mitten in Matthäus 21 – und es wird nicht entspannter. Nachdem Jesus am Vortag sinnbildlich die Tempelhalle entkernt hat, zieht er heute geistlich die Konsequenz. Er spricht nicht mehr in Andeutungen, sondern sagt es direkt: „Das Reich Gottes wird euch genommen.“ Ein Satz wie ein Donnerschlag – gesprochen nicht zu Sündern oder Römern, sondern zu den religiös Oberkorrekten seiner Zeit.

Previously on Matthäus 21: Erinnerst du dich? Gestern standen wir noch mit Jesus im Tempel. Er hatte die Tische umgeworfen, die Tauben fliegen lassen – nicht aus Wut, sondern aus Sehnsucht. Er wollte Raum schaffen für echte Begegnung, für Gebet, für Freiheit. Die religiöse Elite sah darin einen Angriff – und das war es auch, aber nicht auf ihre Person, sondern auf ihr System. Auf ihre fromme Selbstsicherheit. Auf ihr „Wir wissen schon, wie das mit Gott läuft“. Und genau da knüpft Jesus heute an.

Er hat ihnen ein Gleichnis erzählt – von den Pächtern, die den Weinberg verwalten, als wäre er ihr Eigentum. Sie bringen keine Frucht, sie schlagen die Boten, und am Ende töten sie sogar den Sohn. Und dann, ganz ruhig, fragt Jesus: Was wird der Herr mit ihnen tun? Die Zuhörer antworten empört – und tappen in ihre eigene Falle. Denn Jesus sagt: Ihr seid genau diese Pächter. Ihr habt den Auftrag, das Reich Gottes zu verwalten, aber ihr habt es für euch beansprucht. Und deshalb – und das ist der Wendepunkt – wird es euch genommen.

Was macht diesen Moment so intensiv? Es ist nicht nur eine prophetische Ankündigung, sondern eine Offenlegung des ganzen geistlichen Konflikts. Jesus spricht hier als Herr über das Reich – nicht als Gast darin. Und er tut das innerhalb des Tempelbereichs, öffentlich, im Zentrum der religiösen Macht. Für die Zuhörer ist das ein Frontalangriff – für Jesus ist es die Wahrheit in Liebe: Gott baut sein Reich nicht auf Herkunft, sondern auf Hingabe. Nicht auf Titel, sondern auf Frucht.

Das ist der Punkt, an dem das Evangelium richtig tief schneidet – nicht gegen Menschen, sondern gegen Selbstgerechtigkeit. Und genau deshalb ist dieser Vers heute so herausfordernd wie damals: Denn er konfrontiert auch unser Denken. Wer gehört eigentlich zum „Volk Gottes“? Wer trägt das Reich? Und woran erkennt man es?

Bevor wir das theologisch ausleuchten, werfen wir einen genauen Blick auf die verwendeten Begriffe. Denn in den Worten selbst liegt bereits die Sprengkraft verborgen. Was heißt eigentlich „genommen“, was meint „Frucht“, und was steckt hinter „Volk“? Und wie wird das Reich weitergegeben – oder bleibt es? Lass uns tiefer reinschauen.

Die Schlüsselwörter:

In diesem Abschnitt wollen wir uns genauer mit den Schlüsselwörtern aus dem Text befassen. Diese Worte tragen tiefere Bedeutungen, die oft in der Übersetzung verloren gehen oder nicht auf den ersten Blick ersichtlich sind. Wir werden die wichtigsten Begriffe aus dem ursprünglichen Text herausnehmen und ihre Bedeutung näher betrachten. Dabei schauen wir nicht nur auf die wörtliche Übersetzung, sondern auch darauf, was sie für das Leben und den Glauben bedeuten. Das hilft uns, die Tiefe und Kraft dieses Verses besser zu verstehen und ihn auf eine neue Weise zu erleben.

Matthäus 21,43 – Ursprünglicher Text (Nestle-Aland 28):

Διὰ τοῦτο λέγω ὑμῖν ὅτι ἀρθήσεται ἀφ’ ὑμῶν ἡ βασιλεία τοῦ θεοῦ καὶ δοθήσεται ἔθνει ποιοῦντι τοὺς καρποὺς αὐτῆς.

Übersetzung Matthäus 21,43 (Elberfelder 2006):

„Darum sage ich euch: Das Reich Gottes wird von euch genommen und einem Volk gegeben werden, das seine Früchte bringt.“

Semantisch-pragmatische Kommentierung der Schlüsselwörter

  • Λέγω (legō) – „Ich sage“: Dieses Verb ist hier kein beiläufiges „Reden“. Legō steht in diesem Kontext als gerichtsfeste Aussage – eine Erklärung mit Gewicht. Jesus stellt nicht zur Diskussion, er stellt fest. Wenn er sagt „Ich sage euch“, dann ist das nicht Meinung, sondern Urteil. Es markiert einen Wendepunkt – zwischen Hören und Handeln, Anspruch und Konsequenz.
  • Ἀρθήσεται (arthēsetai) – „wird genommen werden“: Dieses Wort stammt von αἴρω (airō) – „aufheben, wegnehmen, entfernen“. Es ist Passiv Futur, was bedeutet: Etwas wird aktiv von außen weggenommen – nicht verloren, nicht vergessen, sondern bewusst entzogen. Das ist scharf: Es beschreibt einen klaren Akt der Verlagerung – von Verantwortung und Berufung. Das Reich wird nicht zerstört, sondern weitergereicht – das Gewicht bleibt, nur die Träger wechseln.
  • Ἡ βασιλεία τοῦ θεοῦ (hē basileía tou theou) – „das Reich Gottes“: Dieses zentrale Begriffspaar verweist auf Gottes herrschaftliches Wirken in der Welt, nicht auf ein geografisches Reich, sondern auf seine aktive Königsherrschaft. Basileía meint hier nicht „System“, sondern Präsenz – ein Raum, in dem Gottes Wille geschieht. Es geht nicht um ein religiöses Erbe, sondern um eine lebendige Beziehung zur Herrschaft Gottes.
  • Δοθήσεται (dothēsetai) – „wird gegeben werden“: Dieses Verb leitet sich von δίδωμι (didōmi) ab – „geben, übergeben, anvertrauen“. Wieder ein Passiv Futur – also ein bewusster Übergabeakt. Was hier deutlich wird: Das Reich wird nicht „verloren“, sondern anvertraut. Es bleibt Gottes Reich – aber der Empfängerkreis wird neu definiert.
  • Ἔθνει (ethnei) – „einem Volk“: Das Wort ἔθνος (ethnos) kann allgemein „Volk, Nation, Volksgruppe“ bedeuten – und wurde im Judentum oft für die nichtjüdischen Völker (Heiden) verwendet. Im Kontext klingt hier mit: Es geht nicht um ethnische Herkunft, sondern um geistliche Verfügbarkeit. Das Reich geht an die, die bereit sind, Frucht zu bringen – unabhängig von Herkunft oder Zugehörigkeit.
  • Ποιῇ (poioûnti) – „bringend“: Das Partizip Präsens Aktiv stammt von ποιέω (poieō) – „machen, tun, hervorbringen“. Es beschreibt dauerhafte Handlung, nicht punktuelle Aktion. Der Fruchtträger ist nicht einer, der einmal etwas Gutes getan hat – sondern einer, der im Leben das hervorbringt, was dem Wesen des Reiches entspricht. Frucht ist hier Lebensstil, nicht Einzelleistung.
  • Τοὺς καρποὺς (tous karpous) – „die Früchte“: Das Bild ist vertraut, aber tief. Karpós meint nicht nur sichtbare Ergebnisse, sondern auch das, was aus einer inneren Verbindung wächst. In biblischer Sprache ist Frucht das natürliche Resultat echter Beziehung – nicht das Resultat von Druck. Es geht also um das, was Gott durch einen Menschen wirken darf – nicht, was er selbst vorzeigen kann.

Und genau an diesem Punkt wird es theologisch spannend. Was bedeutet es, dass das Reich Gottes nicht mehr an eine Herkunft, sondern an Frucht gekoppelt ist? Welche Verantwortung steckt darin, Empfänger dieses Reiches zu sein? Und wie liest man diesen Vers, ohne ihn gegen andere zu richten – sondern als Einladung an sich selbst?

Genau hier setzen wir im nächsten Schritt an. Was bedeutet das Ganze aus theologischer Perspektive?

Ein Kommentar zum Text:

Es gibt Verse, die lassen sich freundlich erklären – und dann gibt es Matthäus 21,43. Jesus sagt hier nicht einfach „Leute, passt ein bisschen besser auf“, sondern: „Das Reich Gottes wird euch genommen.“ Kein theologisches Planspiel, keine rhetorische Spielerei – das ist eine Grenzmarkierung. Und wer denkt, Jesus hätte hier einfach mal kurz übertrieben, der unterschätzt, wie ernst er es mit dem Reich meint. Aber was genau meint er damit? Und an wen richtet sich das eigentlich – damals wie heute?

Die Szene ist brisant. Jesus steht im Tempel, im Zentrum des religiösen Lebens Israels. Er hat gerade ein Gleichnis erzählt von Pächtern, die den Weinberg ihres Herrn verwalten, als gehöre er ihnen. Und dann, mit fast unaufgeregter Härte, erklärt er, was geschehen wird: Der Herr wird kommen, den Weinberg wegnehmen und anderen geben. Die Frommen nicken noch – bis sie merken, dass sie gemeint sind. Und Jesus zieht die Linie weiter: Ihr verliert nicht irgendeine Aufgabe – ihr verliert das Reich selbst.

Was heißt das? Das Wort für „Reich“ hier ist βασιλεία (basileía) – es meint nicht ein Stück Land, sondern die gegenwärtige Herrschaft Gottes, seine wirkende Königsherrschaft in der Welt. Und diese βασιλεία ist nicht statisch, nicht an ein Volk oder System gebunden. Sie ist lebendig – und sie folgt dem Leben. Wenn dort keine Frucht ist, zieht sie weiter. Das ist kein Drohwort – es ist eine ernste, aber befreiende Wahrheit: Das Reich ist nicht für Eliten da, sondern für die, die bereit sind, sich ihm anzuvertrauen.

Was bedeutet es, dass das Reich „genommen“ wird? Das verwendete Wort ist ἀρθήσεται (arthēsetai) – es beschreibt einen bewussten Akt: etwas wird weggetragen, fortgenommen, aktiv entzogen. Und nein, das ist kein kosmischer Racheakt. Es ist eine Reaktion auf geistliche Unverfügbarkeit. Wenn ein Herz nicht mehr bereit ist, mit Gott zu gehen, wird es irgendwann nicht mehr Träger seines Reiches sein. Nicht, weil Gott es weniger liebt – sondern weil er nach Raum sucht, der ihn tragen will.

Und genau da liegt die Spannung. Denn das Reich wird nicht nur weggenommen – es wird „gegeben“. Δοθήσεται (dothēsetai) – ebenfalls Passiv, ebenfalls göttliches Handeln. Gott nimmt nicht, um zu bestrafen. Er überträgt, um weiter zu handeln. Und wem gibt er es? Einem ἔθνος (éthnos) – einem „Volk“, das nicht näher definiert ist. Kein ethnischer Begriff, sondern ein geistlicher. Ein offenes Volk. Eines, das Frucht bringt.

Jetzt fragst du dich vielleicht: Frucht – was soll das eigentlich konkret heißen? Der Begriff καρπός (karpós) steht im Neuen Testament häufig für das, was aus einer lebendigen Beziehung zu Gott wächst. Nicht Perfektion, sondern Vertrauen. Nicht religiöser Eifer, sondern geistliches Leben, das sichtbar wird. Oder wie es Johannes der Täufer sagt: „Bringt Frucht, die der Buße würdig ist“ (Matthäus 3,8). Es geht nicht um religiöse Performance – sondern darum, dass das, was wir glauben, im Alltag Spuren hinterlässt.

Das schmerzhafte an diesem Vers ist nicht, dass Gott Grenzen zieht. Sondern dass wir uns manchmal in einem geistlichen Status ausruhen, den wir längst verlassen haben. Wir denken, wir „haben“ das Reich – aber leben längst an ihm vorbei. Und Jesus konfrontiert das. Nicht, um uns auszugrenzen. Sondern um uns wachzurufen.

Wiersbe schreibt in seinem Kommentar, dass das Volk Israel „den Segen des Reiches wollte, ohne sich der Herrschaft des Königs zu unterstellen.“ Das ist ein Satz, den man auf der Zunge lassen sollte. Denn er trifft nicht nur auf Israel zur Zeit Jesu zu – sondern auf jeden, der meint, man könne Gottes Nähe haben, ohne seine Gegenwart ernst zu nehmen. Und genau deshalb ist Matthäus 21,43 kein Text für andere – sondern eine Einladung zur Selbstprüfung.

Doch genau darin liegt die Hoffnung: Das Reich ist nie fern. Es ist nur nie selbstverständlich. Und jeder, der fragt: „Bin ich bereit, Frucht zu bringen?“ ist dem Reich näher als der, der denkt: „Ich bin eh dabei.“ Denn das Reich Gottes ist kein Besitz, sondern ein Geschenk. Und Geschenke wirken nur, wenn man sie auspackt.

Was bedeutet das alles nun ganz konkret für unser Leben? Welche Schritte folgen daraus – ohne moralischen Druck, aber mit geistlicher Klarheit? Lass uns das jetzt gemeinsam durchdenken – anhand der SPACE-Anwendung.

Die SPACE-Anwendung*

Die SPACE-Anwendung ist eine Methode, um biblische Texte praktisch auf das tägliche Leben anzuwenden. Sie besteht aus fünf Schritten, die jeweils durch die Anfangsbuchstaben von „SPACE“ repräsentiert werden:

S – Sünde (Sin)

Dieser Vers ist kein moralischer Holzhammer, aber er legt den Finger auf eine tiefe Wunde: geistliche Selbstverständlichkeit. Jesus spricht hier mit Menschen, die dachten, sie wären automatisch im „Team Gott“, weil sie am richtigen Ort, mit der richtigen Geschichte, in der richtigen Gruppe waren. Aber sie hatten vergessen, wozu sie eigentlich berufen waren: Frucht zu bringen. Keine religiöse Checkliste, sondern gelebte Verbundenheit. Die eigentliche Sünde ist hier nicht ein Verhalten, sondern eine Haltung – geistliche Besitzansprüche ohne innere Verfügbarkeit. Man glaubt, man hätte Gott sicher – aber lebt längst vorbei an dem, was er wirklich sucht: ein offenes, empfängliches Herz.

P – Verheißung (Promise)

So hart der Vers klingt – zwischen den Zeilen leuchtet eine Verheißung. Gott gibt sein Reich weiter. Es bleibt nicht stehen. Es wird niemandem für immer verwehrt – aber es bleibt auch nicht dort, wo es keine Antwort findet. Das Reich Gottes ist nicht elitär, sondern dynamisch. Und wer sich öffnet, wer bereit ist, Frucht zu bringen, der wird es empfangen – unabhängig von Herkunft, Vergangenheit oder Status. Ein starker Paralleltext ist Johannes 15,5: „Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht.“ Es geht nicht um Leistung, sondern um Verbindung. Und wo Verbindung ist, da wächst Leben – auch bei dir.

A – Aktion (Action)

Es wäre gut, sich ehrlich zu fragen: Woran merke ich eigentlich, dass mein Leben Frucht bringt – nicht für mich, sondern für das Reich Gottes? Das ist keine Frage für ein kurzes Nachdenken zwischen Tür und Angel. Es ist eher ein langsames, ehrliches Hinhören. Vielleicht beginnt es damit, dass du die Frage mal auf dich selbst anwendest: Bin ich gerade verfügbar – oder nur beschäftigt? Höre ich – oder rechne ich schon aus? Lebe ich aus Gnade – oder eher aus Routine? Frucht wächst nicht durch Anstrengung, sondern durch Verwurzelung.

Eine konkrete Möglichkeit wäre, dein geistliches Leben nicht länger wie eine Checkliste zu behandeln („Ich war da, ich hab gebetet, ich war freundlich“), sondern wie einen Garten. Was wächst da gerade? Was ist vertrocknet? Wo müsste mal wieder umgegraben werden? Vielleicht braucht es nicht noch ein Projekt – sondern einen Moment des Innehaltens. Denn Frucht zeigt sich oft nicht in Großem, sondern in Kleinem: in einer versöhnten Beziehung, in einem ehrlichen Gebet, in einem Gespräch, das nicht geplant war. Vielleicht fragst du Gott heute ganz einfach: „Was möchtest du durch mich tun – hier, heute, mit dem, was ich habe?“ Wenn du dich dieser Frage aussetzt, passiert etwas. Vielleicht nicht sofort sichtbar – aber innerlich wächst Bereitschaft. Und das ist der Anfang von Frucht.

C – Appell (Command)

Lass dich nicht in die Sicherheit wiegen, dass du „dabei bist“. Frag dich lieber, ob das Reich Gottes in dir Raum findet. Jesus lädt dich nicht ein, dich zu prüfen, um dich zu verunsichern – sondern um dich wach zu machen für das, was wirklich zählt. Es wäre gut, wenn du heute neu sagst: „Ich will ein Teil dieses Volkes sein, das Frucht bringt – nicht aus Zwang, sondern aus Liebe.“ Öffne dein Herz, deinen Kalender, deine Routinen für Gottes Gegenwart. Nicht um etwas zu verlieren, sondern um endlich das zu empfangen, was bleibt. Denn das Reich wird nicht genommen, um zu strafen – sondern weitergegeben, um zu wirken.

E – Beispiel (Example)

Ein positives Beispiel ist die Gemeinde in Antiochia (Apostelgeschichte 11,19–26). Dort wurde das Evangelium nicht nur an Juden, sondern auch an Griechen weitergegeben – ein Ort der Offenheit, der Frucht bringt, weil Menschen bereit sind, ihre gewohnten Kategorien zu verlassen. Ein negatives Beispiel ist die religiöse Elite zur Zeit Jesu, insbesondere in Matthäus 23. Dort sehen wir, wie Menschen an der Form festhalten, aber die Verbindung verlieren – sie sitzen auf dem Platz des Mose, aber ihre Herzen sind verschlossen. Und genau das ist die Warnung. Nicht als Drohung. Sondern als liebevolle Erinnerung: Gottes Reich kommt – und es sucht Platz.

Jetzt wird’s persönlich. Lass uns in den nächsten Schritt eintauchen – die narrative Identifikation mit dem Text: Was möchte mir dieser Vers sagen? Wo fordert er mich heraus? Und wo öffnet er eine neue Tür für mein Leben?

Persönliche Identifikation mit dem Text:

In diesem Schritt stelle ich mir sogenannte „W“ Fragen: „Was möchte der Text mir sagen?“ in der suche nach der Hauptbotschaft. Dann überlege ich, „Was sagt der Text nicht?“ um Missverständnisse zu vermeiden. Ich reflektiere, „Warum ist dieser Text für mich wichtig?“ um seine Relevanz für mein Leben zu erkennen. Anschließend frage ich mich, „Wie kann ich den Text in meinem Alltag umsetzen/anwenden?“ um praktische Anwendungsmöglichkeiten zu finden. Weiterhin denke ich darüber nach, „Wie wirkt sich der Text auf meinen Glauben aus?“ um zu sehen, wie er meinen Glauben stärkt oder herausfordert. Schließlich frage ich, „Welche Schlussfolgerungen kann ich für mich aus dem Gesagten ziehen?“ um konkrete Handlungen und Einstellungen abzuleiten.

Manchmal wünsche ich mir, Jesus hätte es ein bisschen diplomatischer formuliert. So wie: „Denkt doch mal drüber nach, ob ihr das Reich Gottes wirklich wollt.“ Stattdessen haut er raus: „Es wird euch genommen.“ Und ich sitze da, mit offener Bibel und leicht angehaltenem Atem. Was macht dieser Satz mit mir?

In dieser Woche bin ich mit meinen zwei Jungs unterwegs – Vatermodus auf Vollzeit. Und ehrlich gesagt: ich lerne mehr von ihnen als sie von mir. Kinder haben diese unerbittlich ehrliche Art zu fragen: Warum? Wieso? Warum nicht? Und ich merke, wie schnell ich geneigt bin, zu sagen: „Weil ich es so sage.“ Aber dann frage ich mich: Reicht das? Oder braucht es manchmal den Mut, sich selbst zu reflektieren, tiefer zu graben, sich in Frage stellen zu lassen – nicht aus Unsicherheit, sondern aus Liebe zur Beziehung?

Was mir der Text sagen will? Dass das zentrale Problem des menschlichen Herzens nicht Dummheit oder Bösartigkeit ist – sondern Unzugänglichkeit. Menschen, die unzugänglich geworden sind – für Wahrheit, für Liebe, für Korrektur. So wie religiöse Erwachsene, die nicht mehr hören können. Nicht, weil sie nicht wollen – sondern weil sie glauben, schon alles verstanden zu haben. Und genau da spricht Jesus hinein. Nicht aus Hass. Sondern aus heiligem Schmerz. Weil das, was eigentlich Begegnung schaffen sollte, zur Barriere geworden ist.

Was der Text nicht sagt: Dass Gott willkürlich oder rachsüchtig ist. Wenn Gott etwas sagt, dann nie, um zu verletzen – sondern immer, weil er einen Ort der Begegnung sucht. Auch dieser Satz „Es wird euch genommen“ ist kein Rauswurf. Es ist ein Weckruf. Manchmal muss man etwas sagen, das unbequem ist, um etwas anderes hervorzurufen: Bewegung. Rückbesinnung. Offenheit.

Warum ist dieser Text für mich wichtig? Weil ich mich in beiden Rollen wiederfinde. Manchmal als Kind, das fragt und sucht. Und manchmal als der, der meint, schon alles im Griff zu haben. Aber ich spüre: Das Reich Gottes bleibt nicht dort, wo es keine Frucht gibt. Es zieht weiter. Nicht aus Strafe, sondern weil es lebt. Weil es wirken will.

Wie kann ich das in meinem Alltag umsetzen? Ich glaube, es wäre gut, ehrlich zu prüfen: Bin ich zugänglich? Für Gott? Für andere? Für Veränderung? Und das nicht nur im Großen, sondern im Kleinen. Vielleicht im Gespräch mit meiner Familie. Im Umgang mit Kritik. In Momenten, wo ich lieber schließe als öffne. Jesus ruft mich nicht zu mehr Leistung – sondern zu mehr Zugänglichkeit. Verfügbarkeit. Nicht, weil er etwas von mir braucht – sondern weil er etwas durch mich schenken will.

Dieser Text fordert meinen Glauben heraus, weil er keine Ausreden lässt. Aber er stärkt ihn auch – weil ich darin erkenne: Gottes Reich ist ein Geschenk, kein Besitz. Und es wird neu geschenkt, wo Menschen bereit sind, es zu empfangen. Ich will dazugehören. Nicht weil ich es verdient habe. Sondern weil ich bereit bin, mich von ihm berühren zu lassen – immer wieder neu.

Was ich daraus ziehe? Dass Beziehung nicht aus Gewohnheit entsteht, sondern aus Nähe. Dass Gott nicht in meiner Kontrolle wohnt, sondern in meinem Vertrauen. Und dass ich heute sagen möchte: „Herr, hier bin ich. Ich bin vielleicht nicht perfekt. Aber ich bin offen. Und ich bin bereit.“ Und vielleicht – vielleicht reicht das ja schon, damit das Reich seinen Platz findet. Auch in mir.

Zentrale Punkte der Ausarbeitung

  1. Zugänglichkeit ist der Schlüssel – nicht Leistung.
    • Jesus spricht eine harte Wahrheit: Das Reich Gottes wird denen entzogen, die es nicht fruchtbar machen. Aber es geht dabei nicht um religiöse Leistung, sondern um geistliche Offenheit.
    • Unzugänglichkeit ist das eigentliche Problem – wenn man nicht mehr bereit ist, zu hören, zu lernen, sich hinterfragen zu lassen.
  2. Religiöse Zugehörigkeit ist kein Garant – Beziehung ist entscheidend.
    • Die angesprochenen Hörer waren Teil des religiösen Systems – aber sie hatten sich vom Zentrum entfernt: der lebendigen Beziehung zu Gott.
    • Das Reich Gottes folgt nicht starren Strukturen, sondern geht dorthin, wo es willkommen ist – wo es Frucht bringen kann.
  3. Jesus spricht keine Drohung – sondern eine Einladung.
    • Der Satz „Es wird euch genommen“ klingt hart, ist aber kein Zornesausbruch, sondern ein Weckruf.
    • Gott will nicht ausschließen – er sucht Begegnung. Und dafür spricht er manchmal so klar, weil die Beziehung zu wertvoll ist, um sie im Selbstverständnis verkümmern zu lassen.
  4. Kinderfragen bringen uns oft näher an Gottes Herz als religiöse Sicherheit.
    • Die persönliche Perspektive als Vater zeigt: Fragen, die ehrlich und direkt sind, fordern uns mehr heraus als fromme Floskeln.
    • Vielleicht geht es gar nicht darum, alles zu wissen – sondern bereit zu sein, wieder neu zu hören, zu lernen, zu vertrauen.
  5. Das Reich Gottes lebt – und es sucht offene Herzen.
    • Es bleibt nicht stehen, es ist kein Besitz, sondern ein lebendiges Geschenk. Wer es festhalten will, verliert es.
    • Wer es empfängt mit offenen Händen, dem wird es neu geschenkt.

Warum ist das wichtig für mich?

  • Weil es mir hilft, meine eigene religiöse Haltung zu reflektieren.
    • Bin ich offen – oder habe ich mich hinter Gewohnheiten und inneren Dogmen verschanzt?
    • Bin ich noch bereit, dass Gott mich überrascht – oder rechne ich längst nicht mehr mit Bewegung?
  • Weil es mich erinnert, dass Glaube Beziehung ist.
    • Nicht Pflicht, nicht System, nicht Fassade – sondern Nähe, Ehrlichkeit, Offenheit.
  • Weil es mir zeigt, dass Frucht nicht aus Druck entsteht – sondern aus Verbindung.
    • Jesus sucht kein makelloses Leben, sondern ein zugängliches Herz, das sich berühren lässt.
  • Weil es mich tröstet, dass Gottes Einladung bleibt.
    • Selbst wenn ich mich verrannt habe – Jesus spricht, weil er mich zurückrufen will.

Der Mehrwert dieser Erkenntnis

  • Ich darf aufhören, geistlich zu funktionieren und anfangen, wieder zu leben – ehrlich, offen, mit einem weichen Herzen.
  • Ich kann ehrlicher mit meiner eigenen Unzugänglichkeit umgehen, ohne mich zu verurteilen – sondern sie als Einladung zur Veränderung sehen.
  • Ich bekomme eine neue Perspektive auf das Reich Gottes: Nicht exklusiv, sondern lebendig, sich bewegend – und bereit, bei mir Wurzeln zu schlagen, wenn ich offen bin.
  • Ich darf dankbar erkennen: Ich gehöre dazu – nicht weil ich alles richtig mache, sondern weil ich Gott brauche. Und weil ich bereit bin, das zuzugeben.

Kurz gesagt… Wenn Jesus sagt, dass das Reich Gottes weiterzieht, dann nicht aus Rache – sondern weil es Leben sucht. Und wenn ich heute bereit bin zu sagen: „Herr, ich bin offen. Ich will dazugehören.“ – dann ist das kein Ende. Sondern ein neuer Anfang.


*Die SPACE-Analyse im Detail:

Sünde (Sin): In diesem Schritt überlegst du, ob der Bibeltext eine spezifische Sünde aufzeigt, vor der du dich hüten solltest. Es geht darum, persönliche Fehler oder falsche Verhaltensweisen zu erkennen, die der Text anspricht. Sprich, Sünde, wird hier als Verfehlung gegenüber den „Lebens fördernden Standards“ definiert.

Verheißung (Promise): Hier suchst du nach Verheißungen in dem Text. Das können Zusagen Gottes sein, die dir Mut, Hoffnung oder Trost geben. Diese Verheißungen sind Erinnerungen an Gottes Charakter und seine treue Fürsorge.

Aktion (Action): Dieser Teil betrachtet, welche Handlungen oder Verhaltensänderungen der Text vorschlägt. Es geht um konkrete Schritte, die du unternehmen kannst, um deinen Glauben in die Tat umzusetzen.

Appell (Command): Hier identifizierst du, ob es in dem Text ein direktes Gebot oder eine Aufforderung gibt, die Gott an seine Leser richtet. Dieser Schritt hilft dir, Gottes Willen für dein Leben besser zu verstehen.

Beispiel (Example): Schließlich suchst du nach Beispielen im Text, die du nachahmen (oder manchmal auch vermeiden) solltest. Das können Handlungen oder Charaktereigenschaften von Personen in der Bibel sein, die als Vorbild dienen.

Diese Methode hilft dabei, die Bibel nicht nur als historisches oder spirituelles Dokument zu lesen, sondern sie auch praktisch und persönlich anzuwenden. Sie dient dazu, das Wort Gottes lebendig und relevant im Alltag zu machen.