Johannes 1,14 Gott zieht ein – auch in den Abstellraum deines Herzens → „Und das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des einzigen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.“

Einleitender Impuls:

Stell dir vor, Gott packt seine Sachen und zieht bei dir ein. Nicht ins aufgeräumte Wohnzimmer, das du für Gäste herrichtest, sondern mitten in den Abstellraum deines Lebens – dorthin, wo die Dinge liegen, die du selbst lieber ignorierst. Johannes 1,14 beschreibt genau das: Gott wird Mensch. Er kommt ganz nah, ohne Sicherheitsabstand, ohne Vorbehalte. Er bleibt nicht in der Ewigkeit hängen, sondern wird Teil unserer zerbrechlichen, chaotischen Welt. Und das Unglaublichste? Er bleibt. Kein Kurzbesuch, kein „Ich schau mal, wie’s läuft“, sondern ein Gott, der sagt: „Ich bin hier – mitten in deinem Leben, egal, wie es aussieht.“

Johannes spricht von Herrlichkeit – aber nicht von einer überirdischen Show mit Lichtstrahlen und einem Engelchor im Hintergrund. Diese Herrlichkeit zeigt sich in Gnade und Wahrheit. Gnade bedeutet: Du bist geliebt und angenommen, genau so, wie du bist – ohne Masken, ohne Vorleistung. Wahrheit heißt: Genau diese Annahme fordert dich heraus, ehrlich zu sein. Ehrlich mit dir selbst, mit anderen und mit Gott. Gnade und Wahrheit sind keine Gegensätze, sie gehen Hand in Hand. Zusammen haben sie die Kraft, dein Leben zu verändern. Wo könntest du heute gnädiger mit dir selbst sein? Und wo könnte die Wahrheit dich mutig herausfordern?

Gott ist nicht der Zuschauer, der von außen zusieht, wie du dein Leben managst. Er ist der Begleiter, der sagt: „Wir machen das zusammen.“ Heute ist ein guter Tag, diese Einladung anzunehmen. Öffne die Tür – lass ihn in die unaufgeräumten Ecken, in die Höhen und Tiefen. Vielleicht entdeckst du gerade dort, wo du dich am schwächsten fühlst, wie sein Licht am hellsten scheint.

Fragen zur Vertiefung oder für Gruppengespräche:

  1. Welche „unaufgeräumten“ Bereiche in deinem Leben würdest du am liebsten vor Gott verstecken? Warum?
  2. Wie erlebst du Gnade und Wahrheit in deinem Alltag? Wo spürst du eine Spannung zwischen diesen beiden?
  3. Was würde es praktisch bedeuten, wenn Gott in deinem Leben nicht nur Gast, sondern Mitbewohner wäre?

Parallele Bibeltexte als Slogans:

2. Korinther 12:9 — „Meine Gnade genügt dir“

Psalm 34:18 — „Gott ist nah bei den zerbrochenen Herzen“

Matthäus 11:28 — „Kommt zu mir, ihr Beladenen, und ich werde euch Ruhe geben“

Jesaja 57:15 — „Ich wohne bei denen, die zerbrochenen Geistes sind“

Wenn dich die Vorstellung reizt, wie Gottes Nähe dein Leben radikal verändern kann – nicht trotz, sondern wegen deiner Schwächen – dann lies die vollständige Betrachtung. Sie könnte der Anfang einer mutigen Reise sein.

Die Informationen hole ich mir meistens aus BibleHub.com damit auch du es nachschlagen kannst.


Schön, dass wir gemeinsam über Johannes 1,14 nachdenken dürfen. Lass uns die Betrachtung mit einem Gebet beginnen:

Lieber Vater, es ist beeindruckend, wie Du in Jesus ganz nah zu uns gekommen bist – wie das Wort Fleisch wurde und mitten unter uns lebte. Deine Herrlichkeit, voller Gnade und Wahrheit, ist nicht nur ein Konzept, sondern Realität, die unser Leben verändert. Öffne unsere Herzen, diesen Text zu verstehen und tiefer zu begreifen, was es bedeutet, dass Du Dich so nahbar gemacht hast. Lass uns Deine Gegenwart erkennen, nicht nur in Worten, sondern auch in unserem Alltag.

In Jesu Namen beten wir,

Amen.

Der Text:

Zunächst werfen wir einen Blick auf den Text in verschiedenen Bibelübersetzungen. Dadurch gewinnen wir ein tieferes Verständnis und können die unterschiedlichen Nuancen des Textes in den jeweiligen Übersetzungen oder Übertragungen besser erfassen. Dazu vergleichen wir die Elberfelder 2006 (ELB 2006), Schlachter 2000 (SLT), Luther 2017 (LU17), Basis Bibel (BB) und die Hoffnung für alle 2015 (Hfa).

Johannes 1,14

ELB 2006 Und das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns, und wir haben seine Herrlichkeit angeschaut, eine Herrlichkeit als eines Einzigen vom Vater, voller Gnade und Wahrheit. –

SLT Und das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns; und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des Eingeborenen vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.

LU17 Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.

BB Er, das Wort, wurde ein Mensch. Er lebte bei uns, und wir sahen seine Herrlichkeit. Es war die Herrlichkeit, die ihm der Vater gegeben hat – ihm, seinem einzigen Sohn. Er war ganz erfüllt von Gottes Gnade und Wahrheit.

HfA Das Wort wurde Mensch und lebte unter uns. Wir selbst haben seine göttliche Herrlichkeit gesehen, eine Herrlichkeit, wie sie Gott nur seinem einzigen Sohn gibt. In ihm sind Gottes Gnade und Wahrheit zu uns gekommen.

Der Kontext:

In diesem Abschnitt geht es darum, die grundlegenden Fragen – das „Wer“, „Wo“, „Was“, „Wann“ und „Warum“ – zu klären. Das Ziel ist es, ein besseres Bild von der Welt und den Umständen zu zeichnen, in denen dieser Vers verfasst wurde. So bekommen wir ein tieferes Verständnis für die Botschaft, bevor wir uns den Details widmen.

Kurzgesagt… Johannes 1,14 ist Teil eines grandiosen Vorspanns, der den Leser auf die Hauptrolle in der größten Geschichte aller Zeiten vorbereitet – das „Wort“, das nicht nur mit Gott war, sondern selbst Gott ist, wird Mensch. Hier geht es um nichts Geringeres als die radikalste Form von Nähe zwischen Gott und Mensch. Ein Text, der fast schon zu groß ist, um ihn auf Anhieb zu begreifen. Aber hey, genau deshalb graben wir uns rein!

Johannes eröffnet sein Evangelium nicht mit einer gemütlichen Weihnachtsgeschichte – hier gibt es keine Krippe, keine Hirten und auch keinen Engelchor. Stattdessen katapultiert er uns direkt in die kosmische Dimension: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott.“ Diese „Wort“-Metapher (im Griechischen Logos) ist gewaltig, denn sie vereint jüdisches Denken mit griechischer Philosophie. Für die jüdischen Leser klingt hier sofort die Schöpfung an: Gottes Wort, das alles ins Dasein rief. Für die griechisch denkenden Leser ist Logos der Inbegriff von Vernunft und Ordnung im Universum. Johannes verbindet beide Welten und baut so die Brücke für das, was kommt.

Im religiösen Kontext befinden wir uns im ersten Jahrhundert nach Christus, mitten in einer Zeit, in der sich die jüdische Tradition, die römische Herrschaft und die griechische Kultur ständig aneinander reiben. Johannes schreibt sein Evangelium vermutlich für eine Gemeinde, die mit genau diesen Spannungen lebt. Die Botschaft: Jesus ist kein Außenseiter, sondern das Zentrum, das alles zusammenhält. Er ist das „Licht der Welt“, das in die Dunkelheit kommt, und das „Leben“, das jedem gegeben wird, der es annimmt.

Was den Anlass des Schreibens betrifft, liegt Johannes einiges am Herzen: Er will zeigen, dass Jesus nicht nur ein großer Lehrer oder Prophet war. Nein, er war das fleischgewordene Logos, Gott selbst, der in die zerbrochene Welt kam, um sie zu heilen. Sein Evangelium ist weniger ein nüchterner Bericht als vielmehr ein leidenschaftlicher Appell an seine Leser, das zu glauben und daraus zu leben.

Spannung? Nicht im üblichen Sinne von Streit oder Kontroversen innerhalb des Textes. Aber da ist ein stiller Schock: Gott, der Unendliche, der Ewige, wird Fleisch – greifbar, verletzlich, begrenzt. Für die einen war das eine unerhörte Hoffnung, für andere ein skandalöser Gedanke. Und genau da setzt Johannes 1,14 an: Dieser Gott zeigt sich nicht durch Macht, sondern durch Nähe. Mitten hinein in die Welt, die ihn so oft nicht erkennt.

Die Schlüsselwörter:

In diesem Abschnitt wollen wir uns genauer mit den Schlüsselwörtern aus dem Text befassen. Diese Worte tragen tiefere Bedeutungen, die oft in der Übersetzung verloren gehen oder nicht auf den ersten Blick ersichtlich sind. Wir werden die wichtigsten Begriffe aus dem ursprünglichen Text herausnehmen und ihre Bedeutung näher betrachten. Dabei schauen wir nicht nur auf die wörtliche Übersetzung, sondern auch darauf, was sie für das Leben und den Glauben bedeuten. Das hilft uns, die Tiefe und Kraft dieses Verses besser zu verstehen und ihn auf eine neue Weise zu erleben.

Johannes 1,14 Ursprünglicher Text (Nestle-Aland 28. Edition)

Καὶ ὁ λόγος σὰρξ ἐγένετο καὶ ἐσκήνωσεν ἐν ἡμῖν, καὶ ἐθεασάμεθα τὴν δόξαν αὐτοῦ, δόξαν ὡς μονογενοῦς παρὰ πατρός, πλήρης χάριτος καὶ ἀληθείας.

Übersetzung von Johannes 1,14 Elberfelder 2006:

„Und das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns, und wir haben seine Herrlichkeit angeschaut, eine Herrlichkeit als eines Einzigen vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.“

Semantisch-pragmatische Kommentierung der Schlüsselwörter

  • λόγος (logos) – „Wort“ „Logos“ bezeichnet mehr als nur ein gesprochenes Wort – es ist Gottes ultimative Mitteilung, durch die er sich selbst offenbart. Hier wird Jesus als der Logos beschrieben, der die göttliche Wahrheit und Weisheit verkörpert. Es verbindet die jüdische Vorstellung von Gottes Schöpfungswort mit der griechischen Philosophie, die Logos als Prinzip von Vernunft und Ordnung sah. In Jesus wird dieses abstrakte Konzept konkret.
  • σὰρξ (sarx) – „Fleisch“ „Sarx“ steht für die menschliche Natur in ihrer ganzen Verletzlichkeit und Begrenztheit. Dass das Wort „Fleisch wurde“, ist ein Ausdruck des unfassbaren Gedankens, dass der ewige Gott sich selbst auf das Niveau seiner Schöpfung herabließ, ohne dabei seine Göttlichkeit zu verlieren. Es geht um die volle Identifikation Gottes mit der Menschheit.
  • ἐγένετο (egeneto) – „wurde“ „Egeneto“ bedeutet „werden“ oder „entstehen“ und hebt die Veränderung hervor: Das Wort wurde nicht nur äußerlich ein Mensch, sondern trat in eine neue Existenzform ein, um unter den Menschen zu leben. Es beschreibt einen historischen Moment, der in der Ewigkeit vorbereitet wurde.
  • ἐσκήνωσεν (eskēnōsen) – „wohnte“ Das Wort „eskēnōsen“ leitet sich von „Zelt“ ab und erinnert an das alttestamentliche Bild der Stiftshütte, in der Gott unter seinem Volk wohnte. Johannes betont hier, dass Jesus nicht nur vorübergehend da war – er machte sein Zuhause unter uns. Gott wurde in der Person Jesu zugänglich und greifbar.
  • ἐθεασάμεθα (etheasametha) – „angeschaut“ „Theaomai“ beschreibt ein intensives, bewunderndes Sehen. Die Jünger erlebten Jesu Herrlichkeit nicht nur flüchtig, sondern als tiefgehende, persönliche Erfahrung. Es geht um ein Sehen mit dem Herzen, das die wahre Natur Jesu offenbart.
  • δόξαν (doxan) – „Herrlichkeit“ „Doxa“ steht für göttlichen Glanz und Ruhm. Hier zeigt sich, dass Jesus als Mensch Gottes Herrlichkeit repräsentiert – eine Herrlichkeit, die nicht in äußerer Pracht, sondern in seiner Gnade und Wahrheit sichtbar wird.
  • μονογενοῦς (monogenous) – „eines Einzigen“ „Monogenes“ betont die Einzigartigkeit Jesu als Sohn Gottes. Es geht nicht um ein geschaffenes Wesen, sondern um den einen, vollkommen einzigartigen Sohn, der aus der engen Beziehung zum Vater heraus agiert.
  • πατρός (patros) – „vom Vater“ „Patēr“ unterstreicht die Beziehung zwischen Jesus und Gott. Jesus handelt nicht eigenmächtig, sondern in völliger Übereinstimmung mit dem Vater. Es zeigt die intime Verbindung zwischen beiden.
  • πλήρης χάριτος καὶ ἀληθείας (plērēs charitos kai alētheias) – „voller Gnade und Wahrheit“ Diese Kombination fasst das Wesen Jesu zusammen. „Gnade“ (charis) steht für Gottes unverdiente Zuwendung, während „Wahrheit“ (alētheia) seine Zuverlässigkeit und Treue beschreibt. In Jesus sind diese Eigenschaften perfekt vereint – ein Gott, der liebt und zugleich treu ist.

Ein Kommentar zum Text:

Johannes 1,14 ist wie ein Fenster, das sich öffnet und uns direkt in das Herz Gottes blicken lässt. Es ist kein schüchterner Prolog, sondern ein kraftvolles Statement: „Und das Wort wurde Fleisch.“ Aber was genau bedeutet das, und warum sollte es uns interessieren? Lass uns gemeinsam eintauchen und diese tiefgründige Botschaft Schicht für Schicht entfalten.

Das Wort, im Griechischen λόγος (logos), ist nicht irgendein Begriff. Es ist eine Brücke zwischen zwei Welten: Für jüdische Leser erinnert es an die Schöpfungsgeschichte, wo Gott durch sein Wort die Welt ins Dasein rief (Genesis 1,1-3). Für die griechischen Leser war der logos das Prinzip, das Ordnung ins Universum brachte, quasi die „Betriebssoftware“ der Welt. Johannes geht hier einen mutigen Schritt weiter: Er sagt, dass dieser logos, diese unvorstellbare Macht, nicht nur ein Konzept ist, sondern eine Person. Und diese Person ist Jesus. Es ist, als würde Johannes den Leser zu einer radikalen Perspektivänderung herausfordern: Der Gott, der alles geschaffen hat, ist nicht fern oder abstrakt, sondern konkret, persönlich und nah.

„Und das Wort wurde Fleisch“ – hier wird es noch spannender. Das griechische σὰρξ (sarx) bedeutet „Fleisch“, und das bewusst ohne jede Beschönigung. Es steht für die körperliche, begrenzte, ja, verletzliche Natur des Menschen. Es ist eine Aussage mit Gewicht: Der allmächtige Gott wurde nicht einfach Mensch in irgendeiner idealisierten Form, sondern in aller Zerbrechlichkeit und Begrenztheit. Er litt, er fühlte Schmerz, er war wie wir. Das Paradoxe daran – und vielleicht auch das Revolutionäre – ist, dass viele religiöse Systeme einen Gott wollen, der über den Dingen steht. Johannes zeigt einen Gott, der mittendrin ist. Paulus greift diese Theologie später auf, wenn er schreibt, dass Gott seinen Sohn „in der Gestalt des sündigen Fleisches“ gesandt hat (Römer 8,3), um die Welt zu erlösen. Es ist diese Nähe Gottes, die einen Skandal für manche darstellt und gleichzeitig das Herzstück des Evangeliums ist.

Dann heißt es: „Er wohnte unter uns.“ Das griechische ἐσκήνωσεν (eskēnōsen) bedeutet wörtlich „sein Zelt aufschlagen“. Hier verweist Johannes auf die Stiftshütte im Alten Testament, wo Gott mitten unter seinem Volk wohnte (vgl. Exodus 25,8-9). Doch in Jesus geht Gott noch einen Schritt weiter: Er bleibt nicht in einem Zelt oder Tempel versteckt, sondern wird direkt Teil unseres Lebens. Dieses Bild lässt uns die Nähe Gottes in Jesus besser begreifen. Er ist kein Gott der Distanz, sondern einer, der unsere Welt betritt und sich auf unsere Realität einlässt.

Johannes fährt fort: „Wir haben seine Herrlichkeit angeschaut.“ Hier begegnen wir dem Begriff δόξα (doxa), der für göttlichen Glanz und Ruhm steht. Im Alten Testament war die Herrlichkeit Gottes oft verborgen oder nur teilweise sichtbar – etwa als Mose Gott um einen Blick auf seine Herrlichkeit bat, aber nur seinen „Rückseite“ sehen durfte (2. Mose 33,18-23). In Jesus wird diese Herrlichkeit jedoch zugänglich. Aber Vorsicht: Diese Herrlichkeit ist nicht pompös oder überwältigend im klassischen Sinn. Sie zeigt sich vielmehr in Gnade und Wahrheit (plērēs charitos kai alētheias). Gnade (χάρις, charis) ist Gottes unverdiente Zuwendung, während Wahrheit (ἀλήθεια, alētheia) für absolute Verlässlichkeit steht. Es ist eine Herrlichkeit, die sich in der Person Jesu ausdrückt – in seiner Liebe, seiner Sanftmut und seiner Authentizität.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Formulierung „eine Herrlichkeit als eines Einzigen vom Vater“ (δόξαν ὡς μονογενοῦς παρὰ πατρός, doxan hōs monogenous para patros). Das griechische Wort μονογενής (monogenes) wird oft mit „eingeboren“ übersetzt, was leicht missverstanden werden kann. Es bedeutet nicht, dass Jesus erschaffen wurde, sondern dass er einzigartig ist – der einzige seiner Art. In ihm sehen wir die perfekte Verbindung von Gott und Mensch. Diese Einzigartigkeit wird durch die Beziehung zum Vater unterstrichen, die in den Evangelien immer wieder betont wird (vgl. Matthäus 11,27 und Johannes 17,21-22).

Was macht diesen Text so herausfordernd? Einerseits fordert er uns auf, Gott nicht in unsere bequemen Kategorien zu pressen. Ein Gott, der Mensch wird, widerspricht jeder menschlichen Vorstellung von Macht und Göttlichkeit. Andererseits zeigt er uns, dass diese Nähe Gottes die Grundlage unserer Hoffnung ist. Wenn Gott uns so nah kommt, dass er mit uns leidet, dann können wir sicher sein, dass keine Situation, keine Dunkelheit zu tief ist, als dass er uns nicht finden könnte. Es wäre gut, diese Perspektive im Alltag zu bewahren – besonders in Momenten, in denen Gott fern scheint.

Johannes 1,14 ist keine bloße Information, sondern eine Einladung. Es ist die Einladung, sich mit dem Gott zu verbinden, der nicht nur spricht, sondern handelt; der nicht nur beobachtet, sondern teilnimmt. Es ist die Einladung, die Herrlichkeit Gottes in Jesus zu sehen – eine Herrlichkeit, die nicht blendet, sondern heilt.

Die SPACE-Anwendung*

Die SPACE-Anwendung ist eine Methode, um biblische Texte praktisch auf das tägliche Leben anzuwenden. Sie besteht aus fünf Schritten, die jeweils durch die Anfangsbuchstaben von „SPACE“ repräsentiert werden:

S – Sünde (Sin)

Der Text spricht nicht direkt von einer spezifischen Sünde, aber er stellt die Entfernung zwischen Gott und Mensch in den Fokus. Diese Trennung, die durch unsere Selbstzentriertheit, unser Streben nach Kontrolle oder das Ignorieren von Gottes Gegenwart entsteht, zeigt sich in der Aussage: „Das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns.“ Warum musste Gott so nah kommen? Weil wir oft in der Dunkelheit unserer Lebensentscheidungen verharren und vergessen, dass er das Licht ist. Es wäre gut, wenn wir uns fragen, wo in unserem Leben wir dazu neigen, diese Nähe Gottes zu ignorieren und uns stattdessen auf unsere eigene Stärke verlassen.

P – Verheißung (Promise)

Die größte Verheißung dieses Textes ist die Zusicherung, dass Gott uns nicht alleine lässt. Er kommt in unsere Welt, in unsere Zerbrechlichkeit – voller Gnade und Wahrheit. Das bedeutet: Egal, wie chaotisch oder unvollkommen unser Leben auch sein mag, Gott ist nah und bietet uns seine bedingungslose Liebe an. Diese Nähe ist ein Versprechen, das nicht wankt, egal wie oft wir stolpern. Ein passender Paralleltext ist Matthäus 28,20: „Ich bin bei euch alle Tage bis an das Ende der Weltzeit.“ Diese Treue Gottes ist die Quelle echter Hoffnung.

A – Aktion (Action)

Der Text lädt uns ein, Gottes Nähe bewusst wahrzunehmen. Es wäre gut, wenn wir im Alltag kleine Pausen einlegen, um uns daran zu erinnern, dass er mitten unter uns ist – sei es im Gebet, in einem stillen Moment oder in einer Handlung, die seine Liebe widerspiegelt. Vielleicht bedeutet das auch, jemanden anzurufen, der sich einsam fühlt, oder einen Schritt auf eine Person zuzugehen, bei der wir bisher Distanz gehalten haben. Jesus zeigt, dass Nähe heilt – lass uns diese Nähe weitergeben.

C – Appell (Command)

Der implizite Appell in Johannes 1,14 lautet: Lass dich auf die Nähe Gottes ein. Es wäre gut, wenn wir unsere Herzen öffnen und zulassen, dass er in die Realität unseres Lebens eintaucht – auch in die Teile, die wir am liebsten verstecken würden. Das bedeutet, ihm Raum zu geben, in unserem Denken, Handeln und Fühlen „sein Zelt aufzuschlagen“. Gott drängt sich nicht auf; er lädt ein. Wir sollten diese Einladung annehmen.

E – Beispiel (Example)

Ein bekanntes Beispiel, das die Nähe Gottes verdeutlicht, ist die Geschichte von Mose, der Gottes Herrlichkeit auf dem Sinai erlebte (2. Mose 34,29-35). Mose war so tief in Gottes Nähe, dass sein Gesicht leuchtete – ein Zeichen dafür, wie transformative Gottes Gegenwart ist. Ein weniger bekanntes, aber ebenso starkes Beispiel ist Hagar, die Gott in ihrer Verzweiflung in der Wüste begegnete (1. Mose 16,13). Sie nannte ihn „El Roi“ – „der Gott, der mich sieht“. Diese Begegnung zeigt, dass Gottes Nähe nicht an besondere Orte oder Menschen gebunden ist. Er sieht uns, wo immer wir sind. Beide Beispiele inspirieren uns dazu, Gottes Gegenwart nicht nur zu suchen, sondern auch zuzulassen, dass sie unser Leben verändert.

Johannes 1,14 erinnert uns: Gottes Nähe ist nicht nur eine theologische Idee, sondern eine Realität, die unser Leben durchdringen möchte – eine Einladung, die wir nicht ignorieren sollten.

Persönliche Identifikation mit dem Text:

In diesem Schritt stelle ich mir sogenannte „W“ Fragen: „Was möchte der Text mir sagen?“ in der suche nach der Hauptbotschaft. Dann überlege ich, „Was sagt der Text nicht?“ um Missverständnisse zu vermeiden. Ich reflektiere, „Warum ist dieser Text für mich wichtig?“ um seine Relevanz für mein Leben zu erkennen. Anschließend frage ich mich, „Wie kann ich den Text in meinem Alltag umsetzen/anwenden?“ um praktische Anwendungsmöglichkeiten zu finden. Weiterhin denke ich darüber nach, „Wie wirkt sich der Text auf meinen Glauben aus?“ um zu sehen, wie er meinen Glauben stärkt oder herausfordert. Schließlich frage ich, „Welche Schlussfolgerungen kann ich für mich aus dem Gesagten ziehen?“ um konkrete Handlungen und Einstellungen abzuleiten.

Manchmal frage ich mich, wie es wäre, wenn Gott wirklich in meinem Alltag wohnen würde. Nicht wie ein geplanter Besucher, der nur dann auftaucht, wenn alles aufgeräumt ist, sondern wie jemand, der spontan reinkommt, mitten in das Chaos meines Lebens. Johannes 1,14 macht genau diese Idee greifbar: Das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns. Es ist nicht nur ein schöner Gedanke, sondern eine tiefgreifende Einladung, die mich herausfordert. Gott möchte Teil meiner Realität sein – und zwar nicht nur der schönen, geordneten Seiten, sondern auch der zerbrochenen und unperfekten. Das ist einerseits tröstlich, andererseits auch unbequem. Denn wie gehe ich damit um, wenn ich Gott in all das hineinlasse, was ich normalerweise vor anderen – und oft auch vor mir selbst – verberge?

Die Vorstellung, dass das „Wort Fleisch wurde“, zeigt mir, wie sehr Gott die Nähe zu mir sucht. Aber Nähe bringt immer auch Verletzlichkeit mit sich. Vielleicht ist das der Punkt, an dem ich oft zögere. Ich halte Menschen – und manchmal auch Gott – lieber auf Distanz, weil ich glaube, dass ich so sicherer bin. Doch Johannes malt ein anderes Bild: Gott selbst macht sich verletzlich. Nicht, weil er muss, sondern weil er es will. Diese Bereitschaft fordert mich heraus, meine eigenen Beziehungen zu hinterfragen. Wo baue ich Mauern, um mich zu schützen? Und wo könnte ich mutiger sein, echte Nähe zuzulassen – eine Nähe, die nicht perfekt sein muss, sondern echt?

Was mich besonders bewegt, ist die Vorstellung, dass Gott nicht nur in meine Welt kommt, sondern bleibt. Johannes beschreibt es so: „Er schlug sein Zelt unter uns auf.“ Ein Zelt – flexibel, beweglich, verletzlich. Es schützt, ohne zu isolieren. Dieses Bild zeigt mir, dass es Gott nicht um Perfektion geht, sondern um Präsenz. Er will nicht ein distanzierter Beobachter meines Lebens sein, sondern ein Begleiter – durch die Höhen und Tiefen, durch das Schöne und das Chaotische. Das gibt mir den Mut, meine eigene Menschlichkeit anzunehmen, weil ich sehe, dass Gott sie nicht meidet, sondern mit mir darin präsent ist.

In dieser Nähe liegt auch eine Einladung zur Ehrlichkeit – mit mir selbst und mit anderen. Johannes spricht von „Gnade und Wahrheit“, zwei Begriffe, die mich oft herausfordern. Ich merke, wie leicht ich dazu neige, eines von beiden zu bevorzugen. Es ist einfacher, gnädig zu sein, wenn ich die Wahrheit umgehe, oder wahrhaftig zu sein, wenn ich die Gnade ausblende. Doch beides zusammenzuhalten ist nicht nur herausfordernd, sondern befreiend. Wenn ich gnädig mit mir selbst bin, kann ich die Wahrheit über mich ertragen. Und wenn ich die Wahrheit lebe, ohne mich von ihr überwältigen zu lassen, kann ich anderen ehrlicher begegnen – auf eine Weise, die nicht verurteilt, sondern annimmt.

Dieser Text ist nicht nur eine Botschaft über Gott, sondern auch über mich. Er erinnert mich daran, dass meine Identität nicht in dem liegt, was ich tue oder erreiche, sondern in der Tatsache, dass ich geliebt bin. Das Wort, das Fleisch wurde, zeigt mir: Ich muss nicht perfekt sein, um angenommen zu werden. Wie oft gebe ich im Alltag dem Druck nach, alles „richtig“ machen zu wollen? Doch genau hier befreit mich dieser Text: Gott zieht nicht ein, weil ich alles im Griff habe, sondern weil er mich liebt, so wie ich bin – und gleichzeitig bereit ist, mit mir weiterzugehen.

Am Ende bleibt die Frage, wie ich diese Botschaft lebe. Vielleicht, indem ich mich selbst mehr annehme – nicht aus Selbstgefälligkeit, sondern aus der Gewissheit, dass ich genug bin. Vielleicht, indem ich anderen Raum gebe, sie selbst zu sein, ohne sie zu bewerten oder ändern zu wollen. Und vielleicht, indem ich mutig genug bin, Gott wirklich in alle Bereiche meines Lebens einzuladen – nicht nur in die ordentlichen, sondern auch in die unaufgeräumten. Denn dort, wo das Leben echt ist, wird auch Gottes Gegenwart am deutlichsten sichtbar.


*Die SPACE-Analyse im Detail:

Sünde (Sin): In diesem Schritt überlegst du, ob der Bibeltext eine spezifische Sünde aufzeigt, vor der du dich hüten solltest. Es geht darum, persönliche Fehler oder falsche Verhaltensweisen zu erkennen, die der Text anspricht. Sprich, Sünde, wird hier als Verfehlung gegenüber den „Lebens fördernden Standards“ definiert.

Verheißung (Promise): Hier suchst du nach Verheißungen in dem Text. Das können Zusagen Gottes sein, die dir Mut, Hoffnung oder Trost geben. Diese Verheißungen sind Erinnerungen an Gottes Charakter und seine treue Fürsorge.

Aktion (Action): Dieser Teil betrachtet, welche Handlungen oder Verhaltensänderungen der Text vorschlägt. Es geht um konkrete Schritte, die du unternehmen kannst, um deinen Glauben in die Tat umzusetzen.

Appell (Command): Hier identifizierst du, ob es in dem Text ein direktes Gebot oder eine Aufforderung gibt, die Gott an seine Leser richtet. Dieser Schritt hilft dir, Gottes Willen für dein Leben besser zu verstehen.

Beispiel (Example): Schließlich suchst du nach Beispielen im Text, die du nachahmen (oder manchmal auch vermeiden) solltest. Das können Handlungen oder Charaktereigenschaften von Personen in der Bibel sein, die als Vorbild dienen.

Diese Methode hilft dabei, die Bibel nicht nur als historisches oder spirituelles Dokument zu lesen, sondern sie auch praktisch und persönlich anzuwenden. Sie dient dazu, das Wort Gottes lebendig und relevant im Alltag zu machen.